Friedrich v. Bodelschwingh: Ein Lebensbild. Gustav von Bodelschwingh
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СКАЧАТЬ unserm engeren Freundeskreis, namens Strobel, nach Indien zu folgen.

      Jetzt aber wurde ich in meinem Vorhaben erschüttert. Denn eines Tages erschien in Begleitung meiner Dienstmagd, der Rösli Schwarz, eine schwarze Mädchengestalt auf meinem Zimmer. Es war Pauline Fatmele, die Tochter eines Gallafürsten aus dem Süden Abessiniens. Sie war, nachdem ihr Vater neben ihr erschlagen worden war, von einem Sklavenhändler zum andern schließlich an den Hof des Vizekönigs von Ägypten verkauft worden. Dort war sie einem deutschen Reisenden geschenkt worden, und dieser hatte sie nach Stuttgart gebracht. Von da war sie nach Korntal in eine christliche Familie gekommen. Hier war in wunderbarer Weise ein fröhliches christliches Glaubensleben in ihr erwacht. Der alte Spittler war ihr Taufpate geworden und hatte sie nun nach Basel kommen lassen. Da meine Magd ja auch aus Korntal war, so hatte Fatmele sie besucht, und auf diese Weise kam es, daß sie mit meiner Magd zusammen mein Zimmer betrat.

      Das reine, kindliche, mächtige Glaubensleben der schwarzen Fürstentochter machte, obwohl sie nur eine Viertelstunde bei mir blieb, einen großen Eindruck auf mich. „Wenn ich jetzt Flügel hätte,” sagte sie mir, „dann möchte ich gern in meine Heimat fliegen, um zu erzählen, wie lieb Gott Europa hat.” Ihr Wunsch wurde ihr nicht erfüllt. Wenige Tage darauf bekam sie Bluthusten, aus dem sich die galoppierende Schwindsucht entwickelte, und im Diakonissenhause zu Riehen, wohin sie der alte Spittler brachte, starb sie nach wenigen Wochen seligen Leidenskampfes, vielen zur Stärkung des Glaubens. Chrischonabrüder bliesen an ihrem Grab die Posaunen. Auf ihrem Sterbebett aber hatte sie den Vater Spittler gebeten, ihr Volk nicht zu vergessen, wenn sie selbst auch nicht hinziehen könne.

      So kam es, daß der alte Spittler einen Beschluß des Komitees herbeiführte, durch den ich armer, junger Student berufen wurde, als Bote der Pilgermission an den Hof des Königs Theodorus nach Abessinien zu gehen. Ich sollte zunächst bei Bischof Gobat in Jerusalem das Abessinische lernen und mich von da mit einigen Pilgermissionaren nach Abessinien und dann weiter südwärts zu den Gallas aufmachen. Solche Aussicht zog mein Gemüt lebhaft an, und ich stand im Geiste schon auf dem Ölberg, um von da aus mit dem Kämmerer aus dem Mohrenlande meinen Weg anzutreten.

      Jetzt aber erfuhr der Inspektor des Missionshauses, Pfarrer Josenhans, von dem Plan des alten Spittler. Er ließ mich auf sein Zimmer kommen und ergoß sich in einem Strom von Zorn über meinen lieben alten Freund und sein unüberlegtes Handeln, mich mit solchen Plänen zu umstricken. Jetzt kamen auch mir ernste Bedenken gegen den Plan des alten Spittler. Aber als ich zu ihm ging, um ihm diese Bedenken vorzutragen, da gab es nun auf Spittlers Seite eine solche Schilderung der Verkehrtheit des Missionshauses, daß ich gar nicht wußte, wie ich daran war.

      Spittler vertrat ungefähr den Standpunkt des alten Vater Goßner, der von dem vielen Studieren und der Gelehrsamkeit seiner Missionare gar nichts hielt, sondern sie einfach hinaussandte und sie draußen sich selbst ihren Unterhalt verdienen ließ. Deswegen bildete er seine Pilgermissionare auch besonders in allen Handwerken und in der Landwirtschaft aus, um ihnen so die Möglichkeit zu gewähren, sich ihren Unterhalt in den Heidenländern selbst zu erwerben. Josenhans dagegen vertrat die Notwendigkeit einer gründlichen wissenschaftlichen Bildung, auch in den alten Sprachen, und glaubte, seinen Missionaren durchaus ein auskömmliches Gehalt geben zu müssen, damit sie ihre ganze Kraft dem Dienste des Wortes widmen könnten.

      Beide Anschauungen haben ihr Berechtigtes, und es wäre auch wohl möglich, auf demselben Missionsgebiet, je nach den verschiedenen Gaben, beide zu vereinigen. Es wäre darum auch nicht nötig gewesen, daß die beiden vortrefflichen Männer sich um dieser verschiedenen Anschauungen willen so ereiferten. Aber das Entscheidende für mich war, daß ich merkte, daß es bei beiden auf meine Person abgesehen war und daß hierdurch ihr Eifer ein falscher Eifer war. Es war gerade Fastnachtszeit. Alles lief auf den Straßen von Basel in Fastnachtskappen umher, und ich weiß noch, wie ich zu einem meiner Freunde sagte, es wäre mir lieber, daß der alte Spittler und Josenhans sich Schellenkappen aufgesetzt hätten und auf der Gasse von Basel miteinander herumgesprungen wären, als daß sie sich in solcher Weise um meine arme Person zankten.

      An sich war mir die Sache gut. Denn ich hatte mich in der Tat zu sehr an Menschen gehängt und zu hoch an Menschen hinaufgeblickt. Ich wies die Versuchung von mir, mit halber theologischer Bildung ohne weiteres in die Heidenwelt hinauszugehen, wie es der alte Spittler wünschte; und die Dankbarkeit gegen das Baseler Missionshaus ließ den überwiegenden Wunsch in meinem Herzen bestehen, dereinst in die Arbeit auf dem Baseler Missionsgebiet einzutreten.

      Am 21. März, kurz vor meiner Abreise aus Basel, am Abend des Karfreitags, hielt ich meine erste öffentliche Predigt in der kleinen Elisabethkirche über Jes. 53, 11 und 12; es war mir eine gar herzbewegliche Stunde. Am 22. März nahm ich Abschied von meinen Lehrern und Freunden und von der lieben Stadt, die mir eine zweite Heimat auf Erden geworden war, um über Frankfurt a. M., wo damals meine Mutter wohnte, nach Erlangen zu gehen.”

2. In Erlangen. 1856

      Erlangen stand in bezug auf die theologische Fakultät damals in sehr hoher Blüte. Hofmann, Thomasius, Delitzsch, Harnack zogen namentlich aus Norddeutschland große Scharen junger Theologen an, und es herrschte ein reges wissenschaftliches Streben voller Ernst, Frohsinn und Tüchtigkeit. Bei Hofmann war es mir schwer, daß ihn viele Studenten und namentlich die, die ihn am wenigsten verstanden, zu sehr vergötterten und daß seine Ausdrucksweise durchaus eine andere sein mußte als die anderer Theologen. Ich habe mich am meisten an seiner Auslegung der Psalmen erquickt, obwohl man ihm gerade hier am wenigsten Tüchtigkeit zuschrieb. Auch freute es mich, daß der hochgelehrte Mann für Studenten ein Missionskränzchen hielt, in das ich mich auch aufnehmen ließ und in dem ich vor einer größeren Studentenschaft einen Vortrag hielt.

      Es war eine ganze Reihe meiner Baseler Freunde mit mir nach Erlangen übergesiedelt, und es war merkwürdig, daß wir Baseler uns ganz besonders zu den Philadelphen hingezogen fühlten, die aus der Leipziger Schule stammten und streng konfessionell-lutherisch gerichtet waren. Die Baseler waren das Gegenteil. Trotzdem fanden wir uns in der Woche mit den Philadelphen in einem theologischen Kränzchen zusammen, wo einer von uns eine von ihm durchgearbeitete theologische Frage vorzutragen hatte, über die dann disputiert wurde. Oft ging es hierbei sehr scharf her, sodaß es nötig wurde, für den andern Tag einen Versöhnungsspaziergang anzuordnen.

      Viel Freude machten uns unsere gemeinsamen Wege nach dem schönen Nürnberg. Am liebsten zogen wir Sonntags ganz früh aus und kamen mit dem Läuten der Glocken in der Stadt an, um hier in einer der prachtvollen Kirchen dem Gottesdienst beizuwohnen. Nachmittags wurden dann die Herrlichkeiten der alten Reichsstadt gründlich durchmustert, die alte Hohenzollernburg nicht ausgenommen, und abends kehrten wir zu Fuß zurück. Zu Himmelfahrt sind wir auch mit den Philadelphen nach Neuendettelsau zu Löhe gepilgert, um ihn predigen und nachmittags auf seiner Filiale katechisieren zu hören.

      Meine Gefährten kehrten am Tage nach Himmelfahrt wieder nach Erlangen zurück, ich aber zog noch an demselben Abend auf das liebe Schwabenland los, wo ich mir mit meinem Baseler Freunde, Gottfried Hauser, ein Stelldichein gegeben hatte, ehe er nach Indien aufbrach. Ich hatte mir zu dieser Reise einen Kittel von grauer Leinwand machen lassen und mich zum Schutz gegen den Regen mit einem Stück Wachstuch versehen, das ich mir um die Schultern legen konnte.

      Auf dem Wege durch die fränkische Schweiz wurde ich von einem reisenden Handwerksburschen eingeholt, der sich mir als Buchbinder zu erkennen gab. Durch ihn erfuhr ich zum erstenmal die verschiedenen Regeln, welche Handwerksburschen auf ihrer Pilgerfahrt und in ihrem Nachtquartier befolgen. Auch kamen wir in Religionsgespräche hinein, und ich mußte staunen, bis zu welchem Grade schon damals grundstürzende Gedanken über Gottes Wort unter den Handwerksburschen verbreitet waren. Wir blieben gemeinsam in einer kleinen Dorfschenke auf einer Kammer über Nacht und zogen auch des andern Tages noch einige Stunden miteinander weiter unter manchen fröhlichen und ernsten Gesprächen. An einem Scheidewege trennten wir uns, der Buchbinder seinen Weg nach Frankfurt, ich den meinen nach Stuttgart einschlagend. Zum Abschied schenkte ich ihm mein Neues Testament, schrieb ihm auch von Stuttgart aus noch einen längeren Brief, um ihm eine Anleitung zum Lesen des Neuen Testamentes zu geben.

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