Название: Unternehmensnachfolge
Автор: Manzur Esskandari
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811440234
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Praxishinweis:
Der Erblasser kann einen Pflichtteilsverzichtsvertrag auch mit dem als Erbe eingesetzten Unternehmensnachfolger abschließen. Sinn macht ein solcher auf den ersten Blick unsinniger Vertrag zumindest dann, wenn die Erbeinsetzung mit Beschränkungen i. S. d. § 2306 BGB belegt ist (z.B. Testamentsvollstreckung, Vor- und Nacherbschaft, Vermächtnis). In diesem Fall könnte der Erbe – nach neuer Rechtslage unabhängig von der Erbquote – ausschlagen und seinen Pflichtteil verlangen. Der avisierte Unternehmensnachfolger ist möglicherweise an schneller Liquidität mehr interessiert als an einem (potentiell) größeren, aber im Unternehmen gebundenen, Vermögen. Die sorgsam austarierte Unternehmensnachfolge könnte damit ausgehebelt werden.
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Formulierungsbeispiel:
… verzichtet für sich und seine Abkömmlinge gegenüber dem Erblasser auf sein Recht zur Ausschlagung der Erbschaft nach § 2306 BGB. Insoweit verzichtet … auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht. Im Übrigen bleibt das gesetzliche Pflichtteilsrecht unberührt. Der Erblasser nimmt den beschränkten Pflichtteilsverzicht an.
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Der Pflichtteilsberechtigte wird in aller Regel nicht bereit sein, ohne Gegenleistung auf seinen Pflichtteil zu verzichten. Die Abfindung muss nicht notwendigerweise in Bargeld bestehen. Der Erblasser kann auch die Übertragung von Sachwerten oder die Einräumung einer Unterbeteiligung anbieten, um die Liquidität des Unternehmens zu schützen.[351] Eine Abfindung mit Sachwerten kann auch steuerlich ein interessantes Gestaltungsmittel sein: Eine Barabfindung ist mit dem vollen Nominalwert zu versteuern, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wohingegen bei einer Sachabfindung möglicherweise eine steuerliche Verschonung eingreift, z.B. §§ 13a, 13b, 13c, 19a ErbStG.
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Der Pflichtteilsverzicht ist für beide Vertragsparteien insoweit ein Risikogeschäft, als sie die weitere Wertentwicklung des Unternehmens bis zum Todestag nicht absehen können.[352] Dies führt zur Folgefrage, inwieweit ein Pflichtteilsverzicht einer Anpassung nach § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) zugänglich ist bzw. angefochten werden kann, wenn beispielsweise der Unternehmenswert bis zum Todeszeitpunkt unerwartet erheblich steigt. Hierbei muss unterschieden werden dem Verfügungsgeschäft, i.e. dem eigentliche Verzicht, und dem Verpflichtungsgeschäft, das dem Verfügungsgeschäfts zugrunde liegt und z.B. die Abfindung regelt.[353]
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Die Anfechtung des Verfügungsgeschäfts wegen eines Inhalts- und Erklärungsirrtümer ist bei einem Pflichtteilsverzicht nicht möglich, da die Rechtsfolgen dieses Verzichts auch für einen Laien klar verständlich sind, über die im Übrigen auch der Notar belehren muss.[354] Aus demselben Grund scheidet auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage des Pflichtteilsverzichts aus. Eine arglistige Täuschung wird regelmäßig das Verpflichtungsgeschäft betreffen. Sofern ein Erbverzicht erklärt wurde, ist zu beachten, dass nach herrschender, wenngleich wenig überzeugender Meinung eine Anfechtung nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich ist.[355]
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Das dem abstrakten Verzichtsvertrag zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft kann angefochten werden. Wird es wirksam angefochten, schlägt die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts auch auf das Verfügungsgeschäft durch, sofern beide Vereinbarungen in einer Urkunde enthalten sind.[356] Eine Anfechtung wegen eines Inhalts- und Erklärungsirrtums nach § 119 Abs. 1 BGB wird angesichts der notariellen Beurkundungspflicht regelmäßig ausscheiden. Eine Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB kommt in Betracht, wenn der Erblasser über sein Vermögen unzutreffende Aussagen gemacht hat oder werthaltiges Vermögen verschwiegen hat.[357] Möglich ist schließlich eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB, wenn der Verzichtende sich über die wertbildenden Faktoren und/oder über den Bestand des Vermögens des Erblassers irrt. Der Irrtum muss sich allerdings auf das gegenwärtige Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt der Beurkundung beziehen. Ein Irrtum des Verzichtenden über die künftige Entwicklung des Vermögens kann eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB nicht rechtfertigen.[358] Eine unerwartete Steigerung des Unternehmenswerts stellt damit keinen tauglichen Anfechtungsgrund dar. Wohl kann dieser Fall aber zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Verpflichtungsgeschäfts führen, wenn die Beteiligten die Wertsteigerung des Unternehmens nicht vorausgesehen haben und sie bei Kenntnis dieser Entwicklung die Abfindungsvereinbarung so nicht getroffen hätten.[359] Diesen Einwand kann der Pflichtteilsberechtigte auch noch nach dem Erbfall geltend machen.[360] In der Regel werden die Vertragsbeteiligten eine Anpassung der Abfindungsvereinbarung in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens nicht wünschen. Vielmehr bezwecken sie mit ihrer Vereinbarung Planungssicherheit insbesondere auf Seiten des Unternehmers. Wünschen die Beteiligten, dass die Abfindungsvereinbarung abschließend ihre pflichtteilsrechtliche Beziehung regelt, kann folgendes vereinbart werden:[361]
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Formulierungsbeispiel:
Die vorstehend getroffene Abfindungsvereinbarung mit Bezug auf den Pflichtteilsverzicht ist unabhängig vom derzeitigen Bestand und Wert des Vermögens wie auch von Bestand und Wert des künftigen Nachlasses des beteiligten Erblassers; eine Anfechtung oder auch Anpassung, etwa wegen Irrtums oder wegen einer Änderung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, ist daher ausgeschlossen.
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Eine Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage könnte der Verzichtende nur noch dann verlangen, wenn mit dem Pflichtteilsverzicht nicht der verfolgte Zweck erreicht wird, z.B. weil ein Kind einen Pflichtteilsverzicht erklärt, damit sein Geschwisterteil das Unternehmen fortführen kann, dieses aber kurz nach dem Erbfall veräußert wird.[362]
bb) Lebzeitige Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten
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Der Erblasser kann den Pflichtteilsanspruch auch durch lebzeitige Zuwendungen (z.B. von neben dem Unternehmen bestehenden Privatvermögen) an den Pflichtteilsberechtigten unter Anordnung der Anrechnung (§ 2315 BGB) verringern. Die Anrechnungsbestimmung muss vor bzw. spätestens bei der Zuwendung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten erklärt werden.[363] Die noch im Regierungsentwurf zur Reform des Erb- und Verjährungsrechts ursprünglich vorgesehene Möglichkeit der nachträglichen Anrechnungsbestimmung durch Verfügung von Todes ist nicht Gesetz geworden.[364]
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Praxishinweis:
Die nachträglich Anrechnungsbestimmung ist nicht möglich. Zweifelhaft ist auch, inwieweit der Erblasser sich die nachträgliche Anrechnung im Zeitpunkt der Zuwendung vorbehalten kann. Als Ausweichlösung bietet sich insofern an, die Anrechnung immer zunächst anzuordnen, um sie später durch Vermächtnis zugunsten des Zuwendungsempfängers wieder aufzuheben.[365]
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Auch eine ausgleichungspflichtige Zuwendung nach §§ 2050 ff. BGB führt über § 2316 BGB zu einer Pflichtteilsreduzierung des Zuwendungsempfängers. Im Ergebnis werden allerdings die pflichtteilsreduzierenden Wirkungen einer Anrechnung stets höher sein als bei einer bestehenden Ausgleichungspflicht.[366] Möchte der Erblasser bei einer lebzeitigen Zuwendung den Pflichtteil des Beschenkten weitestgehend reduzieren, wird er demnach die Pflichtteilsanrechnung der Ausgleichung vorziehen.
cc) Lebzeitige Verringerung des Nachlasses
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