b) Systematik und Struktur
32
Anders als der Raub, der die Vollendung der Wegnahme voraussetzt, erfordert § 252 StGB keinen Erfolg. Die Erhaltung des Besitzes (also die Beutesicherung) ist – ebenso wie die Zueignung im Rahmen von § 249 StGB – nur überschießende Innentendenz. Auch ein Nötigungserfolg ist nicht erforderlich. Dementsprechend wird der räuberische Diebstahl strukturell als Tätigkeitsdelikt in Form eines „erfolgskupierten Gefährdungsdelikts“ eingeordnet.[176]
33
Fraglich ist, ob es sich bei § 252 StGB um ein ein- oder zweiaktiges Delikt handelt. Eine Ansicht argumentiert, dass es sich um ein zweiaktiges Delikt handele, da es sich tatbestandlich aus zwei gleichwertigen Handlungsakten, die zeitlich nacheinander erfolgen, zusammensetze, dem Diebstahl (Wegnahme in Zueignungsabsicht) und dem Einsatz von raubspezifischen Nötigungsmitteln zum Zwecke der Beutesicherung.[177] Nach a.A.[178] handelt es sich um ein einaktiges Delikt. § 252 StGB diene der Verteidigung der Beute aus der Vortat eines Diebstahls mit Raubmitteln. Insofern wird es auch als Delikt mit Anschlusscharakter bezeichnet.[179] Maßgeblich ist jedoch nicht diese vielleicht tatsächlich irreführende Bezeichnung,[180] sondern, ob die Formulierung „bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen“ nur die Tatsituation beschreibt oder auch eine neben dem Einsatz der Nötigungsmittel zweite Tathandlung (mit Konsequenzen u.a. für Täterschaft und Anstiftung). Hier ist Mitsch zuzustimmen, dass die Vortat ein „statisches Element des objektiven Tatbestandes“ ist, das „nicht zu dem dynamischen Tatvollzug“ gehört, „mit dem der räuberische Diebstahl Wirklichkeit wird“, im objektiven Tatbestand hat das „Element ‚Vortat‘ die Funktion, die Ausgangslage zu beschreiben, aus der heraus sich die Tat, ‚räuberischer Diebstahl‘ entwickelt“.[181] Somit handelt es sich um ein einaktiges Delikt.
34
Wer einen räuberischen Diebstahl begeht, wird „gleich einem Räuber“ und damit gemäß § 249 StGB „mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr“ bestraft. Folglich handelt es sich um ein Verbrechen i.S.d. § 12 Abs. 1 StGB und ist auch der Versuch strafbar (§ 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB). Aus dieser Rechtsfolgenverweisung ergibt sich außerdem, dass auch die Qualifikationen des Raubes (§ 250 Abs. 1, Abs. 2 StGB) sowie die Erfolgsqualifikation (§ 251 StGB) im Rahmen von § 252 StGB Anwendung finden.[182] Zudem sind auf § 252 StGB die Strafzumessungsregeln der §§ 249 Abs. 2, 250 Abs. 3 StGB anwendbar. Nicht anwendbar sind hingegen die besonderen Antragsvoraussetzungen der §§ 247, 248a StGB, die nur für den Diebstahl (§ 242 StGB) und seine Qualifikationen gelten.[183]
3. Geschützte Rechtsgüter
35
Wie auch § 249 StGB schützt § 252 StGB nach h.M. das Eigentum und die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung.[184] Hinsichtlich des Eigentums ist zu beachten, dass hier die Eigentumsverletzung bereits durch die Vortat (den Diebstahl) eingetreten ist und durch den Einsatz der Raubmittel (nur) vertieft (perpetuiert) wird (bzw. werden soll).[185] Es handelt sich also um kein Eigentumsverletzungsdelikt. § 252 StGB als Tätigkeitsdelikt ist aber auch kein Freiheitsverletzungsdelikt, weil er tatbestandlich nicht voraussetzt, dass ein Nötigungserfolg (in Form eines Handelns, Duldens oder Unterlassens des Nötigungsopfers) eintritt.[186]
a) Überblick
36
Der räuberische Diebstahl setzt objektiv neben dem Vorliegen einer tauglichen Vortat voraus, dass der Täter auf frischer Tat betroffen Gewalt gegen eine Person verübt oder Drohungen mit einer Gefahr für Leib oder Leben anwendet (qualifiziertes Nötigungsmittel). Auf subjektiver Ebene bedarf es zur Vollendung eines räuberischen Diebstahls des Vorsatzes hinsichtlich der Tatsituation („bei einem Diebstahl“), dem Betroffensein auf frischer Tat sowie dem Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels. Ferner muss der Täter Besitzerhaltungsabsicht aufweisen.
aa) Diebstahl als Vortat
37
Die Vortat muss eine Wegnahme, gleich ob in Selbst- oder Drittzueignungsabsicht, enthalten.[187] Vortat können unstreitig der Diebstahl und die Diebstahlsqualifikationen (§§ 244, 244a StGB) sein, auch die Fälle der §§ 247, 248a StGB.[188] Wie für den Raub ist daher die Geringwertigkeit der Beute unerheblich.[189] Die Vortat muss objektiv und subjektiv tatbestandsmäßig sowie rechtswidrig, nicht aber schuldhaft gewesen sein.[190]
38
Fraglich ist, ob auch der Raub und seine Qualifikationen (§§ 249, 250, 251 StGB) taugliche Vortaten des § 252 StGB sind.[191] Denn der Raub wird üblicherweise als delictum sui generis angesehen (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 36). Dies wird von der Rspr.[192] und der h.L.[193] bejaht, wenngleich dies im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 Abs. 2 GG (Analogieverbot) nicht gänzlich unproblematisch erscheint. Für die Einbeziehung der §§ 249 ff. StGB spricht aber, dass § 249 StGB, i.S.e. logischen Einschlussverhältnisses, sämtliche Tatbestandsmerkmale des Diebstahls enthält[194] und ansonsten Wertungswidersprüche insbesondere im Hinblick auf § 251 StGB auftreten.[195] Zudem ist nach der Rspr. die Zulassung der Raubdelikte als taugliche Vortaten von praktischer Bedeutung, wenn der Täter die qualifizierenden Merkmale der §§ 250, 251 StGB erst nach Vollendung der Wegnahme erfüllt.[196] Keine tauglichen Vortaten sind andere Eigentums- und Vermögensdelikte (wie z.B. Betrug[197], Unterschlagung[198] oder die räuberische Erpressung[199]), sodass auch in diesem Zusammenhang zahlreiche Auslegungs- und Abgrenzungsprobleme relevant werden.[200]
bb) Zeitlicher Anwendungsbereich
39
Nach heute absolut h.M. darf die Vortat nicht beendet sein, denn nach einer beendeten Tat kann der Täter nicht mehr in tatbestandsrelevanter Weise „bei einem Diebstahl“ betroffen werden (Wortlautgrenze).[201] Fraglich und strittig ist aber, ob sie vollendet sein muss. Nach h.M. ist eine Vollendung erforderlich.[202] Dies führt dazu, dass bei Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel bis zur Vollendung des Diebstahls stets Raub, danach räuberischer Diebstahl vorliegt. § 252 StGB setzt jedenfalls wegen des subjektiven Tatbestandsmerkmals der (Selbst-)Besitzerhaltungsabsicht bereits erlangten Gewahrsam voraus, was prima facie dafür spricht, dass der Diebstahl vollendet sein muss. Für die h.M. spricht zudem zwar nicht die Formulierung „bei einem Diebstahl“, wohl aber der Wortlaut „gestohlenes Gut“, der sich allerdings nur im subjektiven Tatbestand bei der Besitzerhaltungsabsicht findet.[203] Nach einer Mindermeinung sind aber auch die (seltenen) Fälle erfasst, in denen der Täter durch einen untauglichen Diebstahlsversuch (z.B. bei einer „Diebesfalle“) eine fremde Sache in seinen Gewahrsam bringt.[204] Danach kommt es nicht auf das Vorliegen eines vollendeten Diebstahls, sondern allein auf die Begründung neuen Gewahrsams an. Diese Ansicht sieht die Vollendung des Diebstahls als subjektives Tatbestandsmerkmal an.[205] Damit bestünde zwischen Raub und räuberischem Diebstahl keine objektive Exklusivität in zeitlicher Hinsicht, sondern eine „subjektiv-vorstellungsbezogene“.[206] Diese Ansicht erscheint vorzugswürdig, die „Vollendungslösung“ ist nicht zwingend durch den Wortlaut vorgezeichnet, maßgeblich ist (für eine Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG) vielmehr nur die Erlangung СКАЧАТЬ