Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
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Insbesondere auch zur Abgrenzung gegenüber der nationalsozialistischen Vorgängervorschrift ersetzte der Gesetzgeber den Begriff der Autofalle und konzipierte den Straftatbestand nicht mehr nur als Raubdelikt, sondern auch als Straßenverkehrsdelikt.[102] Dass hiermit eine – im Unterschied zum Autofallengesetz – bestimmte und klare Strafvorschrift geschaffen wurde, kann man angesichts des unbestimmten Tatbestandsmerkmals „unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs“, das der Rechtspraxis nach wie vor erhebliche Anwendungsschwierigkeiten bereitet (Rn. 101 ff.), nicht unbedingt sagen, auch wenn dies der Gesetzgeber anders gesehen haben mag.[103] Die Vorschrift warf deshalb schon früh die Frage nach ihrer Verfassungsmäßigkeit auf (Rn. 94). Bedenklich war auch die Ausgestaltung als Unternehmensdelikt und die damit verbundene Gleichstellung von Versuch und Vollendung sowie die Subjektivierung des Tatbestandes. Schließlich ist die Mindeststrafe von fünf Jahren sehr hoch und lässt sich – damals wie heute – kaum in das System des StGB einpassen.[104] Im Ergebnis ist es dem Gesetzgeber deshalb nicht gelungen, dem Wiedergänger des Autofallengesetzes „Rechtsstaatlichkeit einzuhauchen“.[105] Die Rechtsanwender stehen deshalb vor der schwierigen Aufgabe einen Straftatbestand rechtsstaatlich zu bändigen, „dessen geistige Wurzel eindeutig in der nationalsozialistischen Weltanschauung und Strafrechtspolitik liegt“.[106]
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Die hier artikulierten mit der Strafvorschrift verbundenen Probleme wären zumindest im Ansatz entschärft worden, wenn der Entwurf eines Strafgesetzbuches 1962 (E 1962) Gesetz geworden wäre. Zwar hielt man am Straftatbestand selbst fest (§ 348 StGB-E), der „gewissen kriminellen Erscheinungen, die sich für den reibungslosen Ablauf des Kraftverkehrs als Bedrohung erwiesen hatten, wirksam entgegen[…]treten“ sollte.[107] Allerdings sollte der Straftatbestand nicht mehr als echtes Unternehmensdelikt ausgestaltet werden, da die Gleichstellung von Versuch und Vollendung „im Bereich des vorliegenden Tatbestandes kriminalpolitisch wenig sinnvoll“ sei.[108] Eine erste inhaltliche Änderung erfuhr die Vorschrift erst durch das 11. StrÄndG,[109] durch das ein minder schwerer Fall (mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr), der nunmehr mit dem besonders schweren Fall in § 316a Abs. 1 S. 2 StGB a.F. geregelt war, eingefügt wurde. Als weitere mögliche Bezugstat neben Raub und räuberischer Erpressung wurde 1974 der räuberische Diebstahl durch das EGStGB[110] eingefügt, sodass es sogar zu einer tatbestandlichen Erweiterung kam. Die im Nationalsozialismus liegenden Ursprünge der Vorschrift wurden anlässlich dieser Änderungen nicht thematisiert.[111]
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Die letzte und zugleich durchaus bedeutende Änderung erfolgte durch das 6. StrRG.[112] Der Gesetzgeber hat – dem E 1962 folgend – die Tatbestandsmerkmale „einen Angriff […] unternimmt“ durch „einen Angriff […] verübt“ ersetzt und damit den Charakter als echtes Unternehmensdelikt beseitigt. Der Gesetzgeber hat dabei auch in der Begründung an den E 1962 angeknüpft und die Qualifizierung als Unternehmensdelikt ebenfalls als „kriminalpolitisch wenig sinnvoll“ bezeichnet.[113] Im Zuge der Umgestaltung des Tatbestandes, wurde die Vorschrift zur tätigen Reue (§ 316a Abs. 2 StGB a.F.) abgeschafft, da nun die Regelungen des Rücktritts (§ 24 StGB) unmittelbar Anwendung finden und deshalb – so jedenfalls die Auffassung des Gesetzgebers – die Spezialvorschrift des § 316a Abs. 2 StGB a.F. nicht mehr notwendig war.[114] Zudem wurde die Regelung des minder schweren Falles modifiziert (Höchststrafe zehn Jahre), der unbenannte besonders schwere Fall abgeschafft und eine Erfolgsqualifikation eingefügt (§ 316a Abs. 3 StGB).
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 31 Raubähnliche Delikte › C. Kriminologische Bedeutung der Erscheinungsformen der raubähnlichen Delikte
C. Kriminologische Bedeutung der Erscheinungsformen der raubähnlichen Delikte
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In der PKS werden die raubähnlichen Delikte zusammen mit dem Raub und der räuberischen Erpressung als „Raubdelikte“ erfasst, sodass weitgehend auf die Ausführungen zu § 249 StGB verwiesen werden kann (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 31 ff.). Die PKS erfasste für das Jahr 2018 insgesamt 8306 Fälle des § 252 StGB, die 22,6 % aller erfassten Raubdelikte (36 756) ausmachten.[115] Die Aufklärungsquote lag dabei bei 76,8 %.[116] Im Vergleich zu 2017 lässt sich sowohl ein Rückgang der erfassten Fälle (im Jahr 2017: 8609) als auch der Aufklärungsquote (im Jahr 2017: 76,9 %) feststellen.[117] Lediglich 9,3 % der Fälle eines räuberischen Diebstahls führten zu einem Schaden größer/gleich 500 Euro.[118] Auch blieb nur ein geringer Anteil der Fälle (ca. 10,1 %) im Versuchsstadium stecken.[119] Außerdem war von den 7251 Tatverdächtigen ein beachtlicher Teil männlich (86,1 %) und nichtdeutsch (47,0 %).[120]
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Im Hinblick auf § 316a StGB erfasste die PKS für das Jahr 2018 insgesamt 181 Fälle, die 0,49 % aller erfassten Raubdelikte (36 756) ausmachten.[121] Im Vergleich zum Jahr 2017, in dem 212 Fälle des § 316a StGB erfasst wurden, lässt sich ein deutlicher Rückgang feststellen.[122] Die Aufklärungsquote lag 2018 allerdings bei 50,8 % und fiel im Vergleich zum Vorjahr (54,7 %) niedriger aus.[123] Ein Schaden ab 500 Euro lag in 23,8 % der Fälle vor.[124] 27,6 % aller Fälle gelangten nicht über das Versuchsstadium hinaus.[125] Außerdem bildeten mit 65 Fällen Taxifahrer erneut eine große Opfergruppe.[126]
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Die Zahl der tatsächlich erfolgten Verurteilungen wegen räuberischen Diebstahls lag 2018 bei 1253,[127] 2017 bei 1283,[128] 2016 bei 1332[129] und 2015 bei 1230,[130] sodass nach einem leichten Anstieg nun ein leichter Rückgang zu verzeichnen ist. Im Jahr 2018 betrafen 134 davon Jugendliche und 145 Heranwachsende, wobei lediglich in 5 Fällen eine Verurteilung nach allgemeinem Strafrecht erfolgte.[131] Von den 979 Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht wurde die einjährige Mindestfreiheitsstrafe nur in 628 Fällen überschritten.[132] Die praktische Bedeutung des § 252 StGB – insbesondere im Vergleich zu § 249 StGB (2018: 1493 Verurteilungen)[133] – ist folglich nicht zu unterschätzen; andererseits spricht die auch hier vorherrschende Zurückhaltung der Gerichte bei der Verhängung hoher Strafen dafür, dass es sich in einer Vielzahl der Fälle nicht um den hochkriminellen, sich den Fluchtweg frei schießenden Einbrecher geht, sondern um einfache körperliche Gewalt, wie etwa den Ladendieb, der den Ladendetektiv niederstößt, in denen die Angemessenheit der Raubstrafe fragwürdig scheint.[134] Auch deshalb ist § 252 StGB in der Lehre umstritten (Rn. 25 ff.).
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Wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer wurden 2018 lediglich 64 Personen verurteilt;[135] 2017 waren es noch 63.[136] Von den 64 Verurteilten waren 40 Heranwachsende, die allesamt nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden, und acht Jugendliche.[137] Nur drei der 16 nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten erhielten eine höhere als die fünfjährige Mindeststrafe des § 316a StGB.[138] Dass sich die restriktive Handhabung der Raubdelikte durch die Gerichte gerade auch bei dem stark kritisierten § 316a StGB zeigt (Rn. 93 ff.), verwundert nicht.