Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
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1. Das römische Recht
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Das römische Recht unterschied beim Diebstahl zwischen dem furtum nec manifestum und dem furtum manifestum, den Fall des auf frischer Tat betroffenen Diebes. Der furtum manifestum setzte nach gängiger Ansicht die Ergreifung des Diebes voraus.[4] Als strittig erwies sich hier insbesondere die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Tat als manifest, das heißt als auf frischer Tat betroffen, gelten sollte. Zahlreiche Quellentexte geben Aufschluss über die Gegensätzlichkeit der diskutierten Ansichten.[5] In den Institutionen des Gaius hieß es dazu beispielsweise: „Etliche sagten, dass ein Diebstahl offenbar ist, wenn der Dieb ergriffen wird, während er begangen wird. Andere gingen weiter und sagten, dass ein Diebstahl offenbar ist, wenn der Dieb an dem Ort ergriffen wird, wo der Diebstahl begangen wird […]. Einige gingen sogar noch weiter und sagten, dass der Diebstahl bis zu dem Zeitpunkt offenbar ist, zu dem der Dieb die Beute dorthin gebracht hat, wohin er es bestimmt hatte. Andere noch weiter: solange der Dieb mit der Beute in der Hand gesehen worden ist.“[6] Ein Augenmerk der rechtshistorischen Forschung lag lange Zeit auf den Rechtsfolgen des furtum manifestum. Hintergrund bildete der Umstand, dass der furtum manifestum gegenüber dem furtum nec manifestum eine deutliche Strafschärfung enthielt. Der Bestohlene konnte im Zuge einer Bußklage,[7] der actio furti manifesti,[8] den vierfachen Wert (quadruplum) des entzogenen Gutes verlangen, während der furtum nec manifestum[9] lediglich zum Ersatz des doppelten Wertes (duplum) berechtigte.[10] Bisweilen herrscht Uneinigkeit über die Gründe für den angesprochenen Wertungsunterschied. Die einzige römische Quelle verweist zur Rechtfertigung der harten Bestrafung auf die gesteigerte Dreistigkeit des Diebes.[11] Die rechtsgeschichtliche Literatur führte die Strafschärfung vorwiegend auf die evidente Schuld des Täters zurück,[12] die sich nach römischem Verständnis aus der Ergreifung auf frischer Tat ergab.[13] Mommsen hingegen bewertete die Strafhöhe als Versuch, die Selbsthilfe staatlich zu steuern und damit möglichen Akten der Privatrache vorzubeugen.[14]
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Eine weitere Besonderheit im Rahmen des Diebstahls, die eine Assoziation zum räuberischen Diebstahl des § 252 StGB hervorruft, ist die spezielle Behandlung des nächtlichen Diebstahls (fur nocturnus)[15] und des Diebes, der sich bei seiner Ergreifung mit Waffengewalt (fur, qui se telo defendit)[16] zu verteidigen versuchte. In beiden Fällen wurde dem Verletzten trotz Einführung der actio furti manifesti ein außergerichtliches Tötungsrecht eingeräumt. Entgegen vereinzelter Ansichten,[17] ist nach Niederländer die Tötungsbefugnis nicht als Ausdruck eines besonders gesteigerten Unrechts beim fur nocturnus und fur, qui se telo defendit zu deuten.[18] Vielmehr verweist Niederländer darauf, dass das Verhalten des Diebes in den beiden geschilderten Fällen einen „sicheren und unumstößlichen Schluss auf die Rechtswidrigkeit der Tat“ zuließ[19] und dieser Umstand Grund für die Zulässigkeit der Selbsthilfetötung war.[20] Auch wenn der fur, qui se telo defendit und § 252 StGB vergleichbare Lebenssachverhalte betreffen, handelt es sich nach römisch-rechtlichem Verständnis nicht um ein eigenständiges Delikt, sondern um einen speziellen Fall des Diebstahls, mit dem besondere Befugnisse des Opfers verbunden sind.
2. Das germanische Recht
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Auch im germanischen und germanisch-deutschen Recht wurden die Fälle eines „handhaften“ oder „offenkundigen“ Diebstahls sowie eines nicht handhaften Diebstahls unterschieden und unterschiedlich sanktioniert.[21] Der bei der Tat erfasste Dieb konnte sofort ergriffen und getötet werden, unabhängig davon, ob ein großer oder kleiner Diebstahl vorlag,[22] wobei dies an eine Reihe von Voraussetzungen gekoppelt war, die mit dem sog. Handhaftverfahren umschrieben wurden.[23] Das uneingeschränkte Tötungsrecht wurde im Laufe der Zeit auf ein Festnahmerecht reduziert.[24] Die privatrechtlich verübte Tötung blieb schließlich nur noch in bestimmten Fällen zulässig, in denen der Diebstahl zur Nachtzeit erfolgte, der Täter sich gegen seine Ergreifung zur Wehr setzte oder mit Waffengewalt verteidigte.[25] Der Sinn und Zweck des Handhaftverfahrens lag „in einer ersten Formalisierung und damit Steuerung der Privatrache“.[26] In prozessualer Hinsicht bedeutete es eine Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten, dieser konnte sich nicht mehr durch Reinigungsschwur entlasten, sondern galt vor Gericht als überführt.[27] Ähnlich dem römischen Recht knüpften damit im germanischen Recht an heute von § 252 StGB erfasste Lebenssachverhalte besondere Befugnisse des Opfers.
3. Das gemeine Recht
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Mit der Constitutio Criminalis Carolina (CCC)[28] wurde eine erste reichseinheitliche Kodifikation im Straf- und Strafprozessrecht geschaffen. Dies markierte einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zur reichsweiten Rechtsvereinheitlichung.[29] Auch wenn sich in der CCC keine dem Tatbestand des räuberischen Diebstahls vergleichbare Regelung fand, findet sich auch dort die bereits bekannte Unterscheidung zwischen handhaftem und nicht handhaftem Diebstahl. Da sich mit der CCC in prozessualer Hinsicht das Inquisitionsverfahren immer stärker gegenüber dem im germanischen Recht noch vorherrschenden Akkusationsverfahren durchsetzte,[30] spielte auch das bisher bekannte Handhaftverfahren eine immer geringere Rolle,[31] sodass die Unterscheidung zwischen heimlichem und offenbaren Diebstahl[32] in der CCC keine prozessrechtliche Relevanz hatte und sie sich primär auf die Strafhöhe auswirkte.
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Für die weitere – auch strafrechtswissenschaftliche – Entwicklung bedeutsam ist Art. 159 CCC, der den Diebstahl mit Waffen als gefährlichen Diebstahl qualifizierte. Ein solcher wurde von einem Dieb verwirklicht, der bei der Tatbegehung eine Waffe bei sich trug, „damit er jemandt der jm widerstandt thun wolt, verletzten möcht“. Die Abgrenzung zum Raub (Art. 126 CCC) erwies sich als unscharf, zumal dieser in der CCC ohne tatbestandliche Merkmale kodifiziert war (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 16). In der Praxis wurde der Problematik wenig Beachtung geschenkt. Da es sich bei beiden Delikten um Kapitalverbrechen handelte, hatte die fehlende Abgrenzung keine starken Abweichungen im Strafmaß zur Folge. Letztendlich wurde je nach Einzelfall und unter Anwendung wechselnder Kriterien entschieden, ob ein Raub oder gefährlicher Diebstahl vorlag.[33] Erst Feuerbach gelang eine klare Trennung der beiden Delikte. Feuerbach stellte dabei auf den Zeitpunkt der Gewaltanwendung ab und führte zur Bestimmung des Raubes gegenüber dem gefährlichen Diebstahl aus: „Der Akt der Entwendung selbst musste erst durch Gewalt bewirkt und möglich geworden sein. Der wirklichen Entwendung muss also die Verletzung des Rechts der Persönlichkeit vorhergehen. Hat nach vollendeter Entwendung der Verbrecher seine Person oder die gestohlene Sache verteidigt, so ist ein bewaffneter Diebstahl vorhanden, wenn der Verbrecher während der Entwendung selbst schon die Waffe führte.“[34] Die von Feuerbach vorgenommene Differenzierung bildete einen wichtigen gedanklichen Ausgangspunkt für die spätere Entwicklung des räuberischen Diebstahls zu einem eigenständigen Delikt. Maßgeblich hierfür war nach Kohlheyer die Feststellung, dass „eine nach vollendetem Diebstahl begangene Gewalthandlung den Diebstahl nicht mehr zu einem Raub machen kann“.[35] Klien verwies daran anknüpfend auf die Lücken im Rahmen der geltenden Ausgestaltung des gefährlichen Diebstahls, der solche Fälle nicht erfasste, in denen der Täter sich nicht im Vorfeld bewaffnet hatte oder es im Zuge der Beutesicherung zur Gewaltanwendung ohne Waffen kam.[36] Aus diesem Grund forderte er vom Gesetzgeber „die Entscheidung und nähere Bestimmung der Grenzen über die nach vollendetem Akt der Entwendung zugefügte Gewalt“.[37] Die dargestellten Vorüberlegungen Feuerbachs und Kliens, die ihren Ausgang bei Art. 159 CCC nahmen, schufen die theoretische Basis für die Konzeption eines eigenständigen Delikts[38] und bildeten damit den eigentlichen Anfangspunkt der historischen Entwicklung СКАЧАТЬ