Название: Vom Stromkartell zur Energiewende
Автор: Peter Becker
Издательство: Bookwire
Серия: ZNER-Schriftenreihe
isbn: 9783800593729
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Hier lag nämlich der Hase im Pfeffer. Die Abgeordneten der Volkskammer hatten nicht nur weitreichende Vorstellungen über die Neuausrichtung der Energiewirtschaft; sie hatten vielmehr auch versucht, durch verschiedene gesetzliche Vorschriften sicherzustellen, dass die Kommunen das erforderliche Versorgungsvermögen erhielten, um die Vorstellungen von einer dezentralen, ökologisch ausgerichteten Energieversorgung auch zu verwirklichen. Aber sie hatten nicht damit gerechnet, dass die Regierung sich an die gesetzlichen Aufträge einfach nicht halten, sondern ganz andere Ziele verfolgen wollte.
2. Das Schicksal der Stadtwerke in der DDR
In der Weimarer Zeit gab es in Ostdeutschland 138 Stadtwerke allein in den Gemeinden über 10.000 Einwohner.47 Aber in der sowjetischen Besatzungszone wurde das kommunale Vermögen an wirtschaftlichen Einrichtungen sowie die Beteiligungen und Anteilsrechte an wirtschaftlichen Unternehmen im Zuge einer grundlegenden Neuordnung der kommunalen Wirtschaft in Volkseigentum überführt. Ausgangspunkt war die von der deutschen Wirtschaftskommission erlassene Kommunalwirtschaftsverordnung vom 24.11.1948. Die Kommunen sollten danach Kommunalwirtschaftsunternehmen haben, in die alle Einrichtungen und Betriebe der Versorgungswirtschaft, gleichgültig ob sie Eigenbetriebe oder Gesellschaften waren, eingebracht werden mussten. Die Kommunalwirtschaftsunternehmen waren rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts und standen im Volkseigentum. Mit der Energiewirtschaftsverordnung vom 22.6.1949 wurde angeordnet, dass das Volkseigentum an Energieanlagen von der Hauptverwaltung Energie in zonale Verwaltung zu überführen war. Damit wurde der Zugriff auf die Unternehmen eröffnet, der zu einer Umstrukturierung der gesamten Energiewirtschaft auf der Grundlage der heimischen Braunkohle führte. Ziel war eine völlige Autarkie. Neben dem Verbundnetz mit riesigen Braunkohlekombinaten, denen sich später die Atomkraftwerke russischer Bauart Rheinsberg, Greifswald und Stendal hinzugesellten, entstanden 15 Bezirks-Energiekombinate, denen die Regionalversorgung mit Strom, Fernwärme und Gas oblag.
Dabei wurden im Zug der staatlichen Wohnungsbaupolitik Neubaugebiete ausschließlich mit Fernwärme beheizt. Die private Wohnungsheizung mit Braunkohle blieb auf die alten Stadtviertel beschränkt. Unter ökologischen Aspekten nahmen sich beide Heizsysteme nichts. Die privaten Heizungen konnten naturgemäß nicht entstaubt und entgiftet werden. Aber auch die gewaltigen Heizwerke der Energie-Kombinate wiesen keinerlei Immissionsschutzvorkehrungen auf. Während der Heizperiode durchzogen daher die gesamte DDR die widerwärtigen Braunkohledünste, die sich im Bewusstsein der Bevölkerung mit der zentralistischen Energiekonzeption Ulbricht’scher Prägung verband.
Die ungeheure Energieverschwendung des Systems ist bekannt. Sie äußerte sich aber nicht nur darin, dass die Heizungen sowohl in den Alt- wie auch den Neubaugebieten keinerlei Ventile aufwiesen, so dass die Raumtemperatur durch Öffnen und Schließen des Fensters geregelt werden musste. Für die Energieverschwendung war in erster Linie verantwortlich die in der Regel getrennte Strom- und Fernwärmeerzeugung anstatt einer energetisch sinnvollen Kraft-Wärme-Kopplung, so dass der Wirkungsgrad der eingesetzten Primärenergie lediglich etwa 35 % betrug.
Damit wollten die Volks-Abgeordneten gründlich aufräumen. Die Kommunen sollten wieder eine tragende Rolle in der Energieversorgung übernehmen. Daher wurde zu den Selbstverwaltungsaufgaben der Kommunalverfassung vom 25.5.1990 die harmonische Gestaltung der Gemeindeentwicklung „einschließlich der Standortentscheidungen unter Beachtung der Umweltverträglichkeit und des Denkmalschutzes ..., die Versorgung mit Energie und Wasser, ... der Schutz der natürlichen Umwelt und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Reinlichkeit“ gezählt.
3. Die Rechtslage nach den Volkskammer-Gesetzen
Die grundlegenden Regeln für die erforderliche Vermögensausstattung der Kommunen wurden mit dem Treuhandgesetz, dem „Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens“ vom 17.6.1990 geschaffen. Am 1.3.1990 beschloss der Ministerrat der DDR „zur Wahrung des Volkseigentums“ die Gründung der Treuhandanstalt, die in Treuhandschaft über das volkseigene Vermögen verfügen sollte, das sich im Besitz von Betrieben, Einrichtungen und Kombinaten sowie wirtschaftsleitenden Organen und sonstigen im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragenen Wirtschaftseinheiten befand. Ebenfalls am 1. März wurde vom Ministerrat die Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (UmwandlungsVO) beschlossen. Danach erhielten die unter Treuhandverwaltung befindlichen Wirtschaftseinheiten das Recht, sich in Aktiengesellschaften oder in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umzuwandeln. Zur Umwandlung bedurfte es einer Umwandlungserklärung des umzuwandelnden Betriebes und der Treuhandanstalt als Übernehmende der Anteile. Nach dem „Statut der Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“ vom 15.3.1990 war „Inhalt der Treuhandschaft ... die Verwaltung des volkseigenen Vermögens im Interesse der Allgemeinheit“. Am 17.6.1990 beschloss dann die Volkskammer das „Treuhandgesetz“.
Gleich am Anfang des Gesetzes hieß es, dass volkseigenes Vermögen nicht nur privatisiert, sondern in durch Gesetz bestimmten Fällen auch Gemeinden, Städten, Kreisen und Ländern sowie der öffentlichen Hand als Eigentum übertragen werden könne. § 1 Abs. 1 S. 3 lautete: „Volkseigenes Vermögen, das kommunalen Aufgaben und kommunalen Dienstleistungen dient, ist durch Gesetz den Gemeinden und Städten zu übertragen.“ Dieses Gesetz war das Kommunalvermögensgesetz vom 6.7.1990. Entwürfe dafür hatten die Fraktionen der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt. In der Begründung zum Entwurf des „Kommunalisierungsgesetzes“ aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hieß es, die Kommunalisierung sei ein Gebot der Demokratie. Städte und Gemeinden seien der tragende Teil der demokratischen Strukturen. Damit müsse ihnen auch die entsprechende Verantwortung übertragen werden: Verantwortung für die Betreuung und Versorgung der Bürger, Selbstverwaltung für die Erstattung von deren Betreuung und Versorgung. Deswegen müssten die Kommunen die entsprechenden Einrichtungen, Anlagen und Unternehmen in Besitz nehmen. Denn langfristig verantwortbar sei nur eine Energiewirtschaft, die als erstes die Frage stelle, wie viel Energie welcher Qualität wirklich benötigt werde. Erst danach werde zu fragen sein, wie diese Energie am effizientesten erzeugt werden könne. Deswegen müssten die Kommunen selbst Entscheidungen darüber treffen, wie z.B. Energieeinsparung in Übereinstimmung gebracht werde mit effizienter Energieversorgung. Unternehmen, die privatwirtschaftlich organisiert seien und deren Ziel darin bestehe, durch Absatz Gewinne zu erzielen, seien für solche integrierten Konzepte nicht geeignet. Die Verteilung zum Endverbraucher müsse ebenso wie die Entsorgung in der Hand von denjenigen liegen, die viele Faktoren einer kommunalen Versorgung beeinflussen wollten und könnten: den Gemeinden und Städten.
Aber was die Abgeordneten nicht wussten: Hinter ihrem Rücken verhandelte die Regierung mit den westdeutschen Stromkonzernen, sekundiert von der Bundesregierung, über den Totalverkauf des Energieversorgungsvermögens an die Konzerne, eingeschlossen das kommunale Vermögen für die Energieversorgung, Netze, Umspannstationen, Gasleitungen, Umformer etc. Währenddessen bemühte sich die Volkskammer, die Regelungen für die Übertragung des Vermögens wasserdicht zu machen. In § 6 Abs. 1 des Gesetzes heißt es, dass zu den volkseigenen Betrieben und Einrichtungen, die für die Erfüllung der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben gebraucht würden, insbesondere „Betriebe und СКАЧАТЬ