Malleus Proletarum - Der Proletenhammer. Marcello Dallapiccola
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Название: Malleus Proletarum - Der Proletenhammer

Автор: Marcello Dallapiccola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844250473

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СКАЧАТЬ Gesindel angemietet. Die einst schicken Yuppie-Appartements waren schnell heruntergewohnt worden und schon nach wenigen Jahren wurde das ganze Viertel von allen Leuten, die nicht direkt dort wohnten, gemieden, so gut es ging.

      Frasther hatte sich damals zu einem günstigen Zeitpunkt eine der Wohnungen gekauft; bezahlt hatte er mit seinem Sold, den er für ein groß angelegtes Schmuggelgeschäft mit Baumaschinen bekommen hatte. Inzwischen wohnte er schon seit fast zehn Jahren auf den knapp vierzig heruntergekommenen Quadratmetern – wobei er ohnehin meist nur daheim war, um seinen Rausch auszuschlafen.

      Eigentlich war es ja noch viel zu früh für ihn, um nach Hause zu gehen – sogar noch vor Mitternacht – doch Aufregung hatte er für heute bereits genug gehabt, abgesehen davon brauchte er etwas Ruhe um die ganze Sache mit dem Prag-Luis ein wenig zu behirnen. Das war nicht ganz ohne, worauf sich dieser Spinner da eingelassen hatte. Frasther musste nachdenken, welche Kontakte er da wohl spielen lassen könnte, um an die Hintermänner dieser beiden Typen von heute Abend heranzukommen. Und Denken ging nun mal am einfachsten mit einem Sechserträger vor dem Fernseher.

      Als er zum Eingang seines Blocks hineinstolperte, kam ihm sein Briefkasten in den Sinn. Dort schaute er nur alle paar Wochen mal sporadisch rein, es kam eh nix außer Werbung. Er öffnete das Fach – und wurde beinahe von einer Papierlawine erschlagen. Er fluchte, bückte sich und hob das ganze Zettelzeugs auf. In buntesten Farben schillerten ihn irgendwelche Reklameflugblätter an: Kauf hier, probier davon, geh dort hin. Ihm fiel ein Prospekt von einer neuen Autowaschanlage in die Hände, ein zusammenklappbares Kuvert, das sich schwer anfühlte. Vermutlich Gratis-Tankmünzen drin, dachte er. Schnaubend machte er sich daran, das ganze Zeugs auf Stapel zu sortieren.

      Der Haufen mit dem überflüssigem Werbemist war schnell höher als alles, was er je in seinen Leben gelesen hatte zusammen, als endlich mal etwas kam, das nicht nach Werbung aussah: Ein Brief vom Amt, auf dem groß „Dritte Mahnung!” drauf stand.

      Frasther schaute auf das Absendedatum, aber da er sich nicht sicher war, welcher Tag genau war, brachte ihm die Information nicht viel. Er sortierte also weiter, und nach zwei Minuten Werbemist stieß er auf die zweite Mahnung. Genau vierzehn Tage älter, das Ding. Dann fand er eine Karte, die an ihn persönlich adressiert war. Eine etwas ungewöhnliche Karte, denn es war kein Bild drauf, sondern groß der Spruch: „Befreie deinen Geist! Du kannst ALLES erreichen!”

      Drunter war noch etwas Kleingedrucktes, ein esoterisches Blabla von wegen Chakren, Naturgeistern und interstellarer Intelligenz, schließlich eine Einladung zu einem „Liebevollen Zusammentreffen der aufrechten Seelen”. Das machte ihn immerhin neugierig genug, um die Karte mehrmals herumzudrehen und nach dem Absender zu suchen. Schließlich fand er, ganz klein an den Rand gedruckt, die Adresse und Telefonnummer eines „Tempels der allumfassenden Liebe”.

      Sofort blitzten vor seinem geistigen Auge Bilder von sich in wilder Lust räkelnden Weibern auf, mit ihm rammelnd wie ein Karnickel mittendrin. Er musste grinsen; das würde es wohl nicht spielen bei so einem Spinnerverein, also legte er die Einladung zum Werbedreck. Verrückte gab es…

      Und wieder kam was Interessantes zum Vorschein: Ein Flugblatt, das von einem neuen Lokal kündete, einem Irish Pub mit Dartscheiben drin und original irischen Getränkespezialitäten. Das legte Frasther auch gleich zu den Dingen, die er in der Wohnung noch genauer in Augenschein nehmen wollte.

      Schließlich fand er die erste Mahnung, wiederum vierzehn Tage älter. Jetzt war nicht mehr viel übrig, das er auseinander sortieren konnte. Hier noch ein paar Prospekte, da noch ein paar wahrscheinlich schon lang abgelaufene Sonderaktionen in irgendwelchen Kaufhäusern, die er sowieso nie besuchte.

      Schließlich beförderte er einen großen, blauen Umschlag ans Tageslicht, ebenfalls an ihn persönlich adressiert – als Absender trug das Kuvert einen Stempel der Justizvollzugsanstalt. Öha, stutzte Frasther, da schreibt mir wohl einer aus dem Knast. Noch ein paar zur Seite geschlichtete* Werbeprospekte später lag dann endlich ein weißes Kuvert vor ihm, auf dem das liebliche Wort „Anonymverfügung” stand. Frasther wettete mit sich selber und tippte auf eine Geschwindigkeitsübertretung. Zu guter Letzt schließlich tauchte eine Postkarte auf, die als Motiv einen kitschigen Sonnenuntergang an einem Palmenstrand zeigte. Das Gekritzel auf der Rückseite war relativ unleserlich, deshalb steckte Frasther es in den Zu-Lesen-Stapel. Dann schnappte er sich den ganzen Rest von dem Kram und warf alles den Altpapierbehälter, der günstigerweise neben den Briefkästen stand – der Hausmeister war es offenbar leid geworden, jede Woche Berge von Papier aus dem Gang zu entfernen.

      Mit dem Sechserträger in der einen und dem Papierstapel in der anderen Hand latschte er hinauf in die Wohnung. An der Wohnungstüre angelangt, fiel ihm auf, dass die nur angelehnt, also bereits geöffnet war. Er stutzte; das konnte gar nicht sein, denn er vergaß niemals, seine Bude zuzusperren. Sofort schoss Adrenalin durch Frasthers Nervensystem – verdammt, die hatten ihn doch wohl nicht schon aufgespürt?!?

      „F'ather, bis' du das?“, klingelte eine mit starkem Akzent behaftete Frauenstimme.

      Er seufzte erleichtert auf; jetzt bloß keine Paranoia kriegen, Hauinger, ermahnte er sich selbst.

      Er schob die Tür auf, trat in die Wohnung und blickte sich um: Mehrere leere Bierkisten, die an der Wand standen, waren kaum noch zu sehen weil sie bereits von einem richtigen Berg aus Bierflaschen und zerdrückten Bierdosen überwuchert wurden. Sein einziger Mülleimer, der im Schrank unter der Spüle stand, quoll schon derart über, dass er die Schranktür nicht mehr zu brachte. Um den Müllberg, der eine muffige Duftnote verströmte, schwirrten bereits einige filigrane Flattermänner herum. In einer Ecke der Wohnung lag ein riesiger Berg aus dreckiger Wäsche; in der anderen Ecke, bei seiner Pritsche, war ein Durcheinander aus Pizzaschachteln, zusammengeknüllten Essensverpackungen von verschiedenen Imbissbuden, in denen die Reste fröhlich vor sich hingammelten, auf dem Boden verstreut. Auf dem kleinen Kästchen neben seiner Pritsche türmten sich ebenfalls zerknüllte Bierdosen und leere Tschickschachteln; sein Nacht-Aschenbecher war unter dem Kippenhaufen gerade noch zu erkennen.

      Eine schon etwas angerunzelte Asiatin in Putzfrauenschürze und mit Gummihandschuhen, die ihr bis über die Ellbogen reichten, kniete inmitten des Chaos und blickte zu Frasther auf.

      „Oh, hallo Fat’her, komms' du auch wieder mal f'üh nach Hause?”

      „Hey, Pinid, du bist aber noch spät am Arbeiten…“

      „Ja, weiss' du, F'ather, ich kann Nachmittag nicht, weil ich helfe jet' F'eundin in Kuche! Weil F'eundin hat Thai-Imbiss jet', in Sti'tast'aße neben D'eitausen' Kino, hat viel Kun'schaf' do't und ande' F'eundin wo no'mal hilf' in Kuche is' k'ank gewo'den. Desha'b ich habe kein' Zeit nachmittag für putze' dein' Wohnung, abe' heute is gesag'e Te'min, deshalb ich putze jetz'…“

      Frasther fühlte sich wie vom Regen in die Traufe gekommen. Hatte er eben noch befürchtet, von Strolchen über den Haufen geschossen zu werden, so sah er sich jetzt mit seiner penetrant plappernden Haushälterin konfrontiert. Normalerweise entkam er ihr, weil er nie zuhause war, wenn sie seine Wohnung machte, doch diesmal war er ihr aufgrund einer unglücklichen Verkettung der Umstände in die offenen Fänge gerannt.

      Pinid war Mitte fünfzig und blickte auf eine über dreißigjährige Karriere im Rotlichtmilieu zurück. Ihr Körper und ihr Outfit, vor allem dann wenn sie sich herausgeputzt hatte, ließen das noch erahnen, doch ihr Gesicht hatte sich in den letzten Jahren zunehmend in eine Faltenruine verwandelt. Vor wenigen Jahren hatte sie sich mehr oder weniger endgültig zur Ruhe gesetzt und die Wohnung zwei Türen weiter als Alterssitz erworben. Da sie in recht bescheidenen Umständen lebte, war sie nur zu froh, wenn sie sich durch kleine Gefälligkeitsdienste nebenher was dazuverdienen konnte – das schloss Putzdienste ebenso ein wie sexuelle Zuwendungen.

      Frasther hatte bisher allerdings nur die Putzdienste СКАЧАТЬ