Название: Malleus Proletarum - Der Proletenhammer
Автор: Marcello Dallapiccola
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844250473
isbn:
9 – Geschäftstermin
Irgendwann erwachte Frasther. Das Erste, das ihm auffiel war, dass alles um ihn herum ziemlich weiß zu sein schien. Gemurmel und Geflacker – da war also eine Glotze. Schummeriges Licht, leises Geschnarche. Das Geschnarche kam von einem Kerl mit Gipsbein – aha, der Bertl. So langsam begann Frasthers Gehirn wieder zu arbeiten. Der edlen Couch nach zu urteilen, auf der sie beide lagen, befanden sie sich in des Prag-Luis' Gemächern. Nur wie er hierher gekommen war, daran konnte er sich nicht erinnern. Naja, das würde dann schon über kurz oder lang wieder kommen.
Frasther streckte sich, gähnte herzhaft und begann, sich langsam hochzurappeln. Wie es schien, hatte er in einer zusammengekrümmten Position geschlafen, denn sein Nacken fühlte sich ein wenig verspannt an und schmerzte. Er seufzte, setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Schiffen musste er dringend, stellte er fest, er hatte bereits einen richtigen Wasserharten in der Hose. Er sah sich nach seiner Jacke um, denn da müssten die Tschick drin sein. Die Jacke war nirgends zu sehen, aber auf dem Tisch lag noch ein halbvoller Pack, der Sorte nach Bertls Glimmstängel. Er schnappte sich einen, zündete ihn an und sog genüsslich den Rauch ein.
Der Bertl grunzte kurz im Schlaf, als die Nikotinwolke ihren Duft entfaltete. Friedlich sah er aus, wie er so im Alk-Koma dalag, der Glatzkopf mit dem rattenartigen Schnauzer. Nur blöd, dass Bertl offenbar billige Polyesterhemden trug, denn das Ding war von den Achselhöhlen ausgehend fast vollkommen durchgeschwitzt. Der Knabe würde in seinem eigenen Saft schmorend erwachen, grinste Frasther und trabte davon.
Er fand das Scheißhaus; da der Tschick bereits seine verdauungsfördernde Wirkung tat, beschloss er, gleich eine anständige Sitzung abzuhalten. Ärgerlich nur, dass der Prag-Luis auf seinem Scheißhaus keine Motormagazine herumliegen hatte, in denen man während der Thronzeremonie ein wenig blättern konnte. Mit den ganzen Kultur-Drecksblättern, die hier herumlagen, konnte Frasther rein gar nichts anfangen – was tat der Luis mit einem Spielplan der Oper, bei allen Geiern?
Und auch hier wieder ein dämliches Bild an der Wand: Rechteckig, sehr schmal und hoch, weiß mit lediglich vier bunten Klecksen unten, von denen ausgehend sich haarfeine, ebenfalls bunte Linien schnurgerade über das ganze Bild zogen. Ganz unten links, winzig klein, eine unleserliche Unterschrift. Er kniff die Augen zusammen, konnte das Gekritzel jedoch nicht entziffern.
Ha, dachte er sich, jeder verdammte Volksschüler, der fähig war ein Lineal zu halten, konnte dieses sogenannte Bild nachzeichnen. Er schüttelte den Kopf, saugte an seinem Tschick und entspannte die Schließmuskulatur.
Als das erledigt war, machte er sich auf den Weg durchs Haus, um den Prag-Luis zu suchen. Der Blade hockte in der Küche herum, soff Kaffee und telefonierte. Als Frasther eintrat, schaute er kurz hoch und bedeutete ihm Platz zu nehmen. Er beendete hektisch gestikulierend sein Telefonat, drückte den Aus-Knopf und ließ das Handy auf die Tischplatte scheppern.
„Na, du bist vielleicht lustig, da mitten in der Nacht rabendicht mit dem Bertl im Schlepptau aufzutauchen – du hast mir den Garten ruiniert mit der Karre, verdammt!”
„Den Garten ruiniert?”, war Frasther ehrlich erstaunt.
„Ja, verdammt, den Garten!“, knurrte der Luis ärgerlich, „Du bist vor lauter besoffen quer durch die Blumenbeete gedonnert, statt dem Knick der Einfahrt zu folgen und hast dabei zwei Beete samt Begrenzungen umgegraben. Da sieht's aus wie im Krieg. Muss ich wieder dieses Nudlaug von Landschaftsgärtner kommen lassen, diesen Yoga-Hippie, der mich ganz wahnsinnig macht mit seinem Karma-Geschwafel und seinem Harmonie-Gegrinse…”
„Was scheißt' dich jetzt an wegen Blumenbeeten, Luis? Du bist schon ein komischer Vogel, für so einen Mist auch noch Kohle rauszuwerfen! Welcher normale Mensch hat schon Blumenbeete vor seinem Haus? Salat oder sowas könnt’ ich ja noch verstehen, das kann man wenigstens fressen… Aber meinetwegen kannst du mir die Unkosten auch von meinem Sold abziehen, damit sich das hat.” Frasther hatte keinen Bock, wegen sowas lang herumzudiskutieren.
„Das werd' ich auch tun, mein Lieber, das werd' ich auch tun! Ein Wunder, dass du in dem Zustand nicht schon auf dem Weg hierher in größere Schwierigkeiten gekommen bist – bei ‘ner Alk-Kontrolle hättest du jedenfalls nicht gut ausgesehen…”
„Alk-Kontrollen sind mir wurscht!”
„Naja, egal – aber wieso schleppst du den knallvollen Bertl auch noch mit hier an? Das war vielleicht ein Theater, bis wir den mit seinem Gipsfuß endlich reingehievt hatten…”
Frasther konnte sich an nichts von alldem erinnern und so beschränkte er sich darauf, das Ganze mit einem Grunzen zu kommentieren. „Hast du ‘n Bier?”, fragte er und ließ seinen Blick zum Kühlschrank schweifen.
„Klar, aber erst wirst du doch wohl einen Kaffee wollen?!?” Der Luis war bereits zu seiner Kaffeemaschine gehuscht, die aussah wie ein Teil der Brücke vom Raumschiff Enterprise, nur moderner. Er drückte einige Knöpfe, stellte eine Tasse unter und schon begann das Ding, einen Heidenlärm zu veranstalten. Eigentlich hätte er schon lieber ein Bier gehabt, aber er ließ den Luis gewähren – der Blade war schon genug in Rage wegen dieser bescheuerten Blumenbeete und da Frasther von einem formidablen Kater gepeinigt wurde, hielt sich seine Lust auf weitere Diskussionen in engen Grenzen. Als er soeben den ersten Schluck Kaffee geschlürft und sich dabei fast die Lippen verbrannt hatte, wurde die Tür aufgestoßen und der Bertl kam hereingekrückt.
„Guten Morgen, die Herren!”, grüßte er. Seine Stimme war ein raues Krächzen, das durchgeschwitzte Hemd klebte an seinem Oberkörper und sein Haarkranz stand wild in alle Richtungen ab.
„Serwas, Bertl!”, grinste Frasther ihn an.
„Auch schon wach, du Bsuff?”, schnauzte der Prag-Luis.
„Mann, wer war denn da grad vor Kurzem auf dem Scheißhaus? Bist du deppert, da stinkt's vielleicht zum Himmel!”, machte der Bertl Meldung. Der Prag-Luis sah Frasther an und grunzte. Frasther zuckte nur mit den Schultern.
„Du verwest innerlich, Mann, solltest dir mal von ‘nem Internisten das Gedärm checken lassen…” Bertl verzog angewidert das Gesicht.
„Geh halt nicht aufs Scheißhaus, wenn ich vorher dort war, Bertl. So einfach ist das. Und mein Gedärm geht nur mich was an.” Damit war das Thema für Frasther beendet.
„Du riechst auch nicht wesentlich besser mit dem verschwitzten Fetzen da“, rümpfte der Luis die Nase.
„Hat’s für mich auch einen Kaffee?”, fragte Bertl und ließ sich dann mit einen schweren Seufzer auf die Eckbank plumpsen.
Während sich der Prag-Luis erneut widerwillig an seiner Maschine zu schaffen machte, blickten sich Frasther und Bertl gegenseitig in die trüben Augen und begannen zu lachen.
„Du schaust ja drein wie ein frisch geficktes Kaninchen, Bertl!”, dröhnte Frasther. „Kannst du dich dran erinnern, wie wir gestern Nacht noch hierher gekommen sind?”
„Nä, keine Ahnung, aber mit dir geh' ich nicht mehr saufen. Das ist einfach zuviel des Guten für einen Mann wie mich, der seine besten Jahre schon hinter sich hat!”, gab Bertl zurück. Der Restalkohol begann langsam, seine Wirkung zu entfalten und brachte sie wieder ordentlich in Fahrt.
„Hackedicht seid ihr angekommen und habt einen Riesen-Radau veranstaltet! Das Autoradio war voll aufgedreht СКАЧАТЬ