Das schmale Fenster. Friedrich Haugg
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Название: Das schmale Fenster

Автор: Friedrich Haugg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844253658

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СКАЧАТЬ Essen mit Vertretern der Stadt Luzern um 13:45 Uhr. Immerhin konnte er wählen.

      Als er vor der Innung der kantonalen chemischen Kleinbetriebe einen Vortrag halten musste und er keine Ahnung hatte, was er sagen sollte, legte ihm die Zweite den fertigen Sprechtext vor. Irgendwo verborgen im Hintergrund waren Redenschreiber. Er las und fand, er hätte es nicht besser machen können. Woher wussten die nur, was er sagen wollte, wo er es doch selbst nicht wusste? Dieses Rätsel wurde viel später gelöst, als er einen der Schreiberlinge auf dem Flur traf und darauf ansprach.

      „Wir lesen ihre bisherigen Vorträge und lernen ihren Duktus. Dann wird das mit der allgemeinen Firmenphilosophie abgeglichen und fertig. Die Länge des Vortrags wird auf Ihre Sprechgeschwindigkeit angepasst.“ Er war genauso schlau wie zuvor, aber sehr beeindruckt. Einmal hatten sie ihm sogar einen perfekten Vortrag in französisch gemacht. Von französisch konnte er nur leidlich die Aussprache, verstanden hatte er von seiner Rede nichts. Aber sie kam sehr gut an, es wurde sogar an den richtigen Stellen gelacht.

      Er bekam einen Porsche Panamera als Dienstwagen auch zur privaten Nutzung. Von seinem Subaru Justy wollte er sich aber nicht trennen. Als er ihn einmal benutzen musste, weil sich der Porsche im Schnee keinen Millimeter vor- oder rückwärts bewegte, sprang er zwar nach Monaten sofort an, aber er stellte fest, dass das wohnliche Ambiente im Porsche schon viel hübscher war. Auch von seinem Appartement trennte er sich nicht. Dort konnte er für wenige Augenblicke den alten Martin spielen. Neue Anzüge brauchte er sich auch nicht zu kaufen, das Grau blieb firmentauglich. Er bemerkte allerdings, dass manche Blicke der Etage leicht abfällig wirkten. Das lag wohl an der mangelnden Bekanntheit seiner Labels. Er tauschte Hemd und Krawatte gegen dunkle Rollkragenpullover oder Polohemden aus. Von da an galt er als interessanter Intellektueller und Querdenker, wie es in den zahlreichen Kreativitäts - Seminaren ja von jedem Mitarbeiter gefordert wurde.

      Nur über seine eigentliche Arbeit war er sich nicht im Klaren. In den Abteilungen lief es so wie immer, er konnte sich auch nicht erinnern, dass er damals der Hilfe des Entwicklungsvorstands bedurfte. Einmal im Jahr musste eine Strategie und die Planung gemacht werden. Die Strategie wurde in einer Strategie - Task Force erarbeitet und ihm vorgelegt, die Planung war sowieso Sache von Finanzen und Controlling, also von Sean. Er musste die fertigen Präsentationen (die B-Hörnchen in Auftrag gegeben hatte) in Vorstandssitzungen vortragen, die A-Hörnchen terminierte. Er hatte seine beiden Damen inzwischen so benannt, wohl wissend, dass das Bild sehr unpassend war und er es nie aussprechen durfte, wollte er eine massive Demotivation vermeiden.

      Es hätte schön sein können. Die durch das Nichtarbeiten entstandene freie Zeit hätte er wunderbar zu nutzen gewusst. Aber er hatte keine freie Zeit. A-Hörnchen sorgte mit Akribie dafür, dass sein Plan von Früh bis Abend lückenlos war. Und 'von Früh' hieß wirklich von Früh. Sein Kalender war im Regelfall nur leer von zehn Uhr abends bis Halb Acht Uhr morgens, außer es war eine besondere Lage, dann wurde die lange, freie Nachtzeit natürlich auch genutzt. Es war eine Marotte von Maurus, dass Führungskräfte an jedem Tag mit die ersten im Büro zu sein haben. Früher stand er nicht so im Fokus des hohen Herren und Sean hatte auch nie gepetzt. Was seinen morgendlichen Geisteszustand betraf, war der frühe Beginn aber nicht problematisch. Für die frühen Besprechungen hatte er ein weiteres Standardgesicht eingeübt: Es wirkte auf die Anderen wach, interessiert und hoch konzentriert. Nützliches beitragen musste er ohnehin nicht.

      Am Schlimmsten war für ihn, den leidenschaftlichen Hasser des Small Talk, dass seine sogenannte Arbeit fast ausschließlich aus meetings bestand. Als er A-Hörnchen einmal sagte, er bräuchte auch mal eine stille Stunde im Büro, meinte sie nur, das wäre schwierig und üblicherweise würde man dazu die Freizeit nutzen. Das brachte ihn dazu, einmal für sich zu analysieren, wie meetings abliefen und wie groß der Anteil an produktiver Leistung wäre. Er kam zu dem Schluss, dass die Treffen fast ausschließlich zwei Aspekten dienten: Zum einen die verschiedenen Teammitglieder sozial verträglich aneinander anzupassen und zum anderen eine Plattform zu bieten, die gegnerischen Schwächen herauszufinden für die internen Machtkämpfe. Diese Erkenntnis war frustrierend für Martin. Er hatte sich selbst desillusioniert und fragte sich immer häufiger, wieso man ihn ausgesucht hatte, wo er doch an diesem Spiel gar nie teilgenommen hatte. Auch dafür hatte er als Naturwissenschaftler eine plausible Erklärung. Die heimlichen Machtblöcke waren wohl gerade im kräftemäßigen Patt gewesen, keiner konnte seinen Kandidaten gegen den anderen durchsetzen und so kam es zum Kompromiss, denjenigen zu nehmen, der frei vom Verdacht stand, einem der Blöcke nahe zu stehen. Auch in der Politik kam es manchmal auf diese skurrile Weise zu wirklich guten Personalentscheidungen.

      Maurus rief an, das heißt nicht er selbst, sondern das Vorstandsbüro.

      „Wie Sie wissen, haben Sie morgen ein meeting der internationalen Fachgruppe zukünftige Psychopharmaka in St. Tropez.“ Er wusste es nicht, weil er sich auf A-Hörnchen verließ. Aber St. Tropez war toll, nirgendwo lebte aberwitzig reich und völlig normal so im Einklang nebeneinander. Er erinnerte sich mit großem Behagen an seine Urlaube in St. Tropez. Die Stimme riss ihn aus den wonnigen Gedanken.

      „Unsere Citation ist unterwegs und die Flüge von Zürich und Bern sind komplett ausgebucht. Bitte helfen sie mir. Sie haben doch ein Flugzeug?“ Ja, aber das ist nur ganz klein.

      „Ja, das ist richtig.“

      „Können sie Herrn Maurus mitnehmen?“ Wie bitte, was war das denn?

      „Ja natürlich.“ Es war doch auch völlig normal, dass ein Vorstand seinen Vorsitzenden in einer alten Pilatus Porter nach St. Tropez flog.

      Er ergänzte:“Es ist aber nur ein sehr kleines Flugzeug.“

      „Wir melden uns wieder. Danke Herr Dr. Hohenstein.“

      Er schüttelte den Kopf und konnte das alles nicht ganz für bare Münze nehmen. Aber die Maschinerie funktionierte, merkwürdig zwar, aber präzise. Nach zwanzig Minuten klingelte es erneut.

      „Sie starten um 17 Uhr 30 von Buochs und werden von einem Wagen um 16 Uhr vor dem Firmengebäude abgeholt. Nochmals vielen Dank. Das wäre für uns beinahe schief gegangen.“ Der letzte Satz war das einzig Persönliche und nicht der Sache dienliche.

      Die meinten das Ernst. Blitzartig schaltete sein Gehirn auf nüchternes Planen. Erst den Tower anrufen, um den Flug anzumelden. Dann Urs fragen, ob er alles herrichten kann und vor allem, ob die Kiste noch funktioniert. Dann musste er auch noch packen.

      „Packen können Sie zu Hause, der Wagen wird dort halten und auf Sie warten.“ Das war A-Hörnchen. Sie konnte Gedanken lesen. Nun der Tower.

      „Hallo, Martin auch mal wieder im Lande?“

      „Du musst mir einen Gefallen tun. Ich muss nach St. Tropez und....“

      „Ist alles erledigt. Start um 1730, Ankunft in Nizza - Cote d'Azur um 1940. Das Wetter ist überall ruhig und wolkenlos. Die Route haben wir Urs schon mitgeteilt. Er macht alles klar. Guten Flug.“ Martin blieb der Mund offen.

      Die Limousine mit einem anonym höflichen Fahrer in Uniform bewegte ihn zu seinem Appartement. Er packte eine kleine Reisetasche mit dem Nötigsten für eine Übernachtung und weiter ging's zum Flugplatz. Urs stand schon da, seine PC6 war auch schon lebendig und wartete mit offenem Cockpit und angenehm angewärmt auf seine hohen Gäste.

      „Irgendwie ist alles anders, Urs, oder?“

      „Man tut, was man kann, Martin. Ich habe alles gecheckt, die Route ist im GPS, fliegen musst du allerdings alleine. Das nimmt dir diese Kiste nicht ab.“ Jetzt sagte er auch schon 'Kiste'.

      Ein schwarzer Rolls fuhr vor. Die Türe wurde vom Fahrer geöffnet und heraus trat Maurus und trug selbst ein kleines Rollköfferchen. СКАЧАТЬ