Название: Das schmale Fenster
Автор: Friedrich Haugg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844253658
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„No way. Einstein hat diese Frage so beantwortet, indem er schlicht feststellte, dass Gleichzeitigkeit kein sinnvoller Begriff ist und man ihn einfach weglassen sollte.“
„Das versteh' ich nicht.“
„Wenn du gesagt hättest, du verstehst das, hättest du entweder gelogen oder du wärst ein Angeber oder kein Mensch. Aber Gott sei Dank trifft das alles nicht zu. Unser Gehirn kann das nicht 'verstehen' oder begreifen. Umso erstaunlicher ist es, dass es in der Lage ist herauszufinden, dass die Welt anders ist.“
„Wow. So habe ich das noch gar nicht gesehen. Mein Gehirn hat da aber nichts herausgefunden.“
„Weil du dich mit anderen Dingen beschäftigst, zum Beispiel wie Salzsäure mit aromatischen Kohlenwasserstoffringen umgeht. Das ist auch nicht von Pappe.“
„Woher weißt du das alles? Du bist doch auch nur Chemiker.“
„Wir beeinflussen Gehirne, also interessiert mich dasselbe.“
„Meins auch?“
„Na ja, so wissenschaftlich eigentlich nicht. Mehr das Gesamtkunstwerk.“
„Ist das jetzt gut oder schlecht?“
„Also heute Abend ist das hundertprozentig gut und darauf sollten wir noch eine Flasche aufmachen.“
„Ich muss dir etwas gestehen“, Miriam klang eher verträumt, so dass er nicht befürchtete, sie würde den USB-Stick zur Sprache bringen. „Ich bin ein komischer Mensch. Wenn ich alleine bin, könnte ich Gesellschaft brauchen, aber in Gesellschaft fühle ich mich eigentlich noch mehr alleine und vermittle das ohne böse Absicht auch anderen. Ich sage dann zum Beispiel: 'Ich bin gerne mit mir alleine' und stoße damit manchmal Leute vor den Kopf, obwohl ich niemanden verletzen will. Wenn ich wirklich alleine bin, käme mir dieser Satz gar nicht in den Sinn. Verstehst du das?“
„Nur zu gut. Ich bin froh, dass du den Satz heute nicht gesagt hast.“
„Bei dir ist es anders. Du bist einfach da und störst mich in keinster Weise.“
Sie schliefen lange und frühstückten ausführlich und wechselten dabei kaum ein Wort. Aber es war wunderschön und nichts war peinlich.
Ein paar Schritte vom Haus mit den geschulterten Skiern und sie standen vor der Gondelbahn auf die Rossweid. Martins Ausrüstung war genauso modern wie Miriams. Mit dem Unterschied, dass sie mit den taillierten Carving Skiern etwas anzufangen wusste und er nicht. Das Skifahren war für ihn hier recht vergnüglich, weil die Hänge in Sörenberg sehr gepflegt, nicht zu steil und nicht zu lang waren und durch wunderschönen Winterwald führten. Eigentlich besteht Skifahren nur aus zwei Elementen, dachte er: Linkskurven und Rechtskurven. Was ist denn daran so besonders, dass es einen Großteil der Menschen so begeistert? Der Anblick von Miriam gab ihm den Grund. Wie sie in totaler Beherrschung der dynamischen Kräfte, gleitend und fließend den natürlichsten Weg fand, wie sie der Schwerkraft ein Schnippchen schlug und sie für sich nutzte, machte ihm Gänsehaut. Er konnte ja immer alles sehen, weil er es nie schaffte, vor sie zu kommen. Im Stillen bedankte er sich für ihre Geduld, auf ihn zu warten. Es machte ihr aber wohl nichts aus. Gefordert war sie ohnehin nicht und so genoss sie einfach den Tag. Einmal dachte er, ich fahre ihr einfach nach. Vielleicht komme ich dann hinter das Geheimnis. Und siehe da, gleich schwebte er wie sie, alles war leicht und schön und ihn überkam eine große Euphorie bis zu dem Augenblick, in dem sein Flug mutierte zu einem wirbelnden schneeaufspritzenden Durcheinander der einzelnen Körper- und Ausrüstungsteile. Er sortierte alles von oben nach unten und war nach der positiven Bestandsaufnahme immerhin sehr erfrischt.
Der zweite Abend war weniger wissenschaftlich und ebenfalls überaus angenehm. Einspielen musste sich nichts. Wie bei alten Freunden. Das waren sie ja wohl auch.
Beim Frühstück klingelte Martins Handy wie ein Feueralarm im Paradies. Es war Frank.
„Hallo Martin, wo bist du?“
„In Sörenberg beim Skifahren, warum?“
„Ich habe das mit dem USB-Stick dem Werkschutz gemeldet und jetzt ist plötzlich die Kripo da. Ich musste in die Firma fahren, weil sonst keiner verfügbar war.“
Der Schock war besonders heftig, weil er im paradiesischen Bewusstseinszustand nicht auf Abwehr vorbereitet war.
„Du hast was?“
„Es ging nicht anders. So steht es in meinem Vertrag.“
„Dass du fehlende USB-Sticks melden musst?“
„Nein, natürlich nicht.“ Er hörte sich etwas ungehalten an. „Es geht einfach generell um Vorkommnisse, die die Geheimhaltung betreffen. Und das ist wohl hier der Fall!“
Mein Gott, wen hat er sich da eingestellt. Seine gesamte, adrenalingeschwängerte Energie richtete sich jetzt als Zorn auf Frank.
„Aber da war doch gar nichts Wichtiges drauf. Weißt du eigentlich, was du da angerichtet hast?“
„Ich habe nur das gemacht, wozu ich mich verpflichtet habe.“ Er klang standhaft und unbeeindruckt. Was Martin noch mehr reizte, zumal er gar nichts Objektives entgegenzuhalten hatte. Im mentalen Deadlock sagte er erst einmal gar nichts.
„Bist du noch dran? Ich empfand es als meine Pflicht, dich sofort zu informieren und zu fragen, was ich jetzt tun soll.“
Ogottogottogott. Seine Pflicht!
„Jaja, ich bin noch dran.“ Er wartete, bis sein Gehirn einen Denkvorgang erzeugen konnte.
„Sag denen nichts. Du hast den Vorteil, dass du ganz neu bist. Mach' mit ihnen einen Termin aus für mich, zum Beispiel am nächsten Dienstag. Und dann informierst du bitte Sean, der ist wohl der einzige vom Vorstand, der erreichbar ist. Du findest ihn ganz sicher im Trading-Room.“
„O.K.“ Frank hatte aufgelegt. Ungläubig schaute Martin sein Telefon an.
„Was war das denn?“,fragte Miriam.
„Dieser Wahnsinnige hat das mit dem fehlenden Stick an die große Glocke gehängt. Der Werkschutz hatte nichts Besseres zu tun, als die Polizei anzurufen. Und jetzt ist die Kacke am Dampfen.“ Eine ungewöhnliche Ausdrucksweise für Martin.
„Er hat was?“
„Kaum zu glauben, aber er fühlt sich auch noch im Recht...“ Es klingelte.
„Geht klar. Am Dienstag um 10 Uhr im Kommissariat. Der Kommissar lässt dir einen schönen Gruß ausrichten. Sean suche ich noch und werde ihn finden, versprochen. Also noch einen schönen Urlaub. Und Grüße an Miriam.“ Wieder aufgelegt.
Woher wusste er denn das? „Woher weiß er, dass du mit mir gefahren bist?“ Es irritierte ihn fast noch mehr als Frank's voreilige Handlung.
„Ich habe keine Ahnung. Ich habe niemandem davon erzählt. Der hat nur auf den Busch geklopft. Ich fand ihn von Anfang an komisch. Typisch reiches Söhnchen, beste Schule und für sein Alter unangemessen arrogant.“
„Den vom Werkschutz knöpfe ich mir aber vor.“
„Hat keinen Sinn, СКАЧАТЬ