Sichelland. Christine Boy
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Название: Sichelland

Автор: Christine Boy

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844242553

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СКАЧАТЬ uns um die Missgeburten.“

      Erstaunt hob Rahor die Brauen.

      „Ihr beide?“

      Doch Lennys antwortete nicht mehr und bahnte sich schon, gefolgt von ihrem Späher, den Weg durch die Schlammlöcher und Schilfstauden, die überall wucherten.

      Etwas ratlos blieb der Oberste Cas zurück und schilderte seinen Gefährten kurz darauf, was gerade vor sich ging. Tatsächlich mussten sie nicht lange warten, schon bald kehrten die Shaj und Horem zur Gruppe zurück. Während Lennys es gar nicht erst für nötig hielt, zu berichten, erklärte Horem:

      „Nicht der Rede wert. Waren wirklich nur zwei und einer von beiden hat sogar noch geschlafen. War gleich erledigt. Sieht nicht so aus, als wären noch mehr in der Gegend.“

      Über diese kurze Unterbrechung wurde auch nicht weiter gesprochen. Sowohl Lennys als auch Horem hatten, wenn auch nicht ohne Bedauern, darauf verzichtet, ihre Kelche zu füllen. Sie wollten keine weitere Zeit verschwenden und hätten nach einem Bluttrunk unweigerlich eine Pause einlegen müssen, die sie sich jetzt nicht leisten konnten und wollten.

      Schweigend ritten sie weiter gen Süden. Im Stillen fragte sich Rahor, wie es den cycalanischen Boten gelingen sollte, sie hier zu finden, falls es etwas Wichtiges zu berichten gäbe. Einige Säbelwächter, die die großen Heere anführten, konnten sich natürlich denken, wo in etwa sich die Cas und die Shaj aufhielten und würden, sollte es nötig sein, versuchen, ihre Berichte dorthin zu schicken. Hier in den Singenden Sümpfen war es jedoch aussichtslos, eine einzelne Person oder auch eine kleine Gruppe, wie sie es waren, auszumachen. Vor dem Erreichen des Drei-Morgen-Waldes war also eine Botschaft von den cycalanischen Truppen nicht zu erwarten. Er machte sich deshalb aber keine Sorgen. Seit jeher hatten sie so ihre Kriege geführt, die obersten Kämpfer immer abgespalten von den Heeren, jedoch genauso tödlich für den Feind. Sie mussten ihre Herrscher nicht an die Spitze einer Schlacht stellen, um den anderen Kriegern Mut einzuflößen. Sie mussten nicht ständig taktische Besprechungen abhalten, um die Angriffe zu koordinieren. Jeder, der es in den Rang eines Säbelwächters oder gar Sichelkriegers geschafft hatte, wusste, was zu tun war und wie er die ihm Unterstellten anzuführen hatte, selbst wenn er tagelang keine Befehle oder auch nur Lebenszeichen von den Cas oder der Shaj erhielt. Nicht zuletzt deshalb blieb die Kampfstärke Cycalas unerreicht und würde auch Logs angeblich so furchteinflößender Armee trotzen.

      Plötzlich fühlte Rahor einen ungeheuren Stolz in sich aufwallen. Zum ersten Mal seit langer Zeit wurde ihm wieder bewusst, dass er nach der Herrscherin der Nacht der oberste Kämpfer eines Volkes war, das nahezu unbesiegbar schien. Ganz Sacua erzitterte vor der Macht des Sichellandes, die legendären Cas galten seit dem Anbeginn der Zeit als die tödlichste Waffe des ganzen Kontinents. Und er stand an ihrer Spitze. Nicht, weil er besser war als seine acht Gefährten. Nicht, weil er ihnen Befehle erteilte. Sondern, weil er Derjenigen am nächsten stand, die diese Macht in sich verkörperte wie kein anderer. Es würde der Tag kommen, an dem dies ein Ende hatte. Einer von ihnen beiden würde diese Welt für immer verlassen und Rahor wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er der erste war. Er konnte sich ein Cycalas ohne Lenyca Ac-Sarr nicht vorstellen und er wollte es auch nicht. Seine Bestimmung war es, die Shaj mit seinem Leben zu schützen und dies war auch das, was er als sein stärkstes Begehren empfand. Er sehnte sich nicht nach dem Tod, aber er hoffte, dass der Tag, an dem er selbst sein Leben gab, auch einer war, an dem dieses Sterben mit Sinn erfüllt war. Und nichts würde seinem Tod mehr Sinn geben, als dadurch ihr Leben zu erhalten.

      Natürlich dachte nicht er allein so. Allen Kriegern und insbesondere den neun Cas war dieses höchste Bestreben gemein. In der Vergangenheit hatte es Generationen gegeben, in denen der Shaj nicht so wie heute aus seinen engsten Gefolgsleuten herausstach. Schwach war er nie gewesen, aber es hatte ihm an dem Glanz gefehlt, den die Ac-Sarr-Linie ausstrahlte. Saton war nicht der erste Nachkomme dieses uralten Geschlechts gewesen, der über die Nacht herrschte, aber die Zeit, da seine Ahnen an der Macht gewesen waren, lag lange zurück. Sie hatten sich zurückgezogen, hinauf nach Yto Te Vel und dort vielfach von sich reden gemacht, oft auch als Cas, zumindest aber als vielbeachtete Krieger. Nicht jedem von ihnen lag es, zu befehlen und viele widmeten ihr Leben eher den alten Kulten und Ritualen, die bis heute überlebt hatten. Mit Saton waren die Ac-Sarrs aber wieder auf den Thron zurückgekehrt. Damals war Rahor noch nicht geboren gewesen, aber wie oft hatte sein Vater von jenen Tagen erzählt, da der große Krieger aus dem Norden gekommen war und in Semon-Sey Einzug gehalten hatte. Wie schnell hatte er bewiesen, dass niemand ihm im Zweikampf das Wasser reichen konnte, wie deutlich war der Zuspruch gewesen, den er nicht nur von den Batí, sondern auch von allen anderen Sichelländern erhalten hatte. Und als dann die Wahl des neuen Shajs anstand, gab es schon im Vorfeld keinerlei Zweifel daran, dass er als der Erwählte daraus hervorgehen würde.

      Umso tiefer war aber auch der Abgrund gewesen, in den das Land bei seinem Tode gestürzt war. Selbst die Tatsache, dass seine Tochter die Linie weiterführen konnte, tröstete nicht über diesen Verlust hinweg, aber sie gab doch Anlass zur Hoffnung. Zu recht, wie sich bald herausstellte. Die Verehrung, derer Saton sich rühmen konnte, war auch Lennys zuteil geworden, auch wenn sie ihrem Vater längst nicht in allen Bereichen ähnelte. Aber das tat ihrer Beliebtheit und dem Respekt, den man ihr gegenüber empfand, nicht den geringsten Abbruch. Vielleicht strahlte sie sogar noch ein wenig heller.

      Wie lange noch? Und vor allem: Was kam dann? Fast jeder verschloss sich diesem Gedanken. Die Wahrheit war bitter und nicht zu leugnen. Lennys hatte keine Kinder. Und allein die Vorstellung, sie könne je einen Nachkommen zur Welt bringen, war absurd. Mit ihr würde eine Linie sterben, die das Sichelland beherrscht hatte wie keine andere. Nicht wenige Cycala waren der Meinung, dass Lenyca Ac-Sarrs Tod – wann auch immer er kommen würde – nicht nur das Ende einer uralten Dynastie war, sondern dass er ein neues Zeitalter bedingen würde. Ein Zeitalter, dass sich wiederum niemand vorstellen mochte.

      Was viele nur fürchteten, war für Rahor zur Gewissheit geworden. Das Geheimnis, das Lennys umgab, das Geheimnis der Ac-Sarrs, würde verloren gehen. Es gab kaum etwas, was ihm Angst machte, doch dieser Gedanke erfüllte ihn mit grenzenlosem Schrecken. Dazu kam die Aussichtslosigkeit, es zu verhindern. Menschen starben. Der Tod war ein Teil des Lebens, für jeden unausweichlich. Wie lächerlich erschien doch in Anbetracht dieser Aussichten ein Krieg wie dieser, in dem es nur darum ging, sich an einem unwürdigen Volk zu rächen. Oder war es doch mehr? Hatte nicht die Tatsache, dass ein Verräter ihres eigenen Landes den großen Saton getötet hatte, diese Aussichtslosigkeit erst ausgelöst?

      Wäre Saton noch am Leben, wäre vielleicht auch die große Veränderung ausgeblieben, die in Lennys stattgefunden hatte. Und vielleicht hätte sie dann doch die Linie weitergeführt. Vielleicht.

      Rahor wischte den Gedanken weg. Er war nicht der Mann, der sich über Dinge den Kopf zerbrach, die nicht zu ändern waren. Schon früh hatte er gelernt, sie hinzunehmen und immer wieder war er darin bestätigt worden, dass es besser war, seine Energien dort aufzuwenden, wo sie Sinn machten und sie nicht zu verschwenden in aussichtslosen Träumereien.

      Er kehrte zurück ins Hier und Jetzt. Das Bild seines Landes, an das er so voll Sehnsucht gedacht hatte, verschwand und die nebelverhangenen Sümpfe traten wieder in den Vordergrund. Hin und wieder glaubte er, dass die Hufe seines Pferdes nun etwas härter aufschlugen, als würde sich der Untergrund langsam wandeln und der Morast mehr und mehr schwinden, doch möglicherweise spielten ihm seine Sinne einen Streich, gerade weil er es sich so wünschte. Auch die anderen Cas ließen sich nicht anmerken, ob sie ähnlich empfanden. Ein kurzer Blick nach Osten verriet, dass der Morgen noch auf sich warten ließ, auch wenn sich der Himmel dort schon leicht aufhellte. Bis zum eigentlichen Sonnenaufgang war es noch lange hin.

      Müde blinzelte Yos zur Steilküste hinüber. Seine Augen tränten im Wind, aber das störte ihn nicht. Es war wichtiger, rasch voranzukommen und ebendieser Wind war derzeit ihr stärkster Verbündeter.

      Am Heck СКАЧАТЬ