Sichelland. Christine Boy
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Название: Sichelland

Автор: Christine Boy

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844242553

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СКАЧАТЬ die Reizbarkeit der Cycala. Gerade jetzt hätten sie dies nur allzu gern an einigen Hantua oder zumindest an manatarischen Soldaten ausgelassen. Dazu kam, dass sie mit ihren Wasservorräten sparsam umgehen mussten, denn die Tümpel um sie herum waren so schlammig, dass noch nicht einmal die Mondpferde daraus tranken.

      Ein jeder fluchte mehr oder weniger lautstark vor sich hin, wenn eine Morastgrube den Weg versperrte, er sich durch die Sonne geblendet fühlte oder sich der Rüssel eines gierigen Insekts in seine Haut bohrte.

      Nur Lennys blieb stumm. Sie hatte es aufgegeben, sich gegen die Erinnerungen aufzulehnen, die sich gerade hier wieder entschieden in ihr Bewusstsein drängten.

      Es war die Nacht gewesen, in der sich ihr Weg von dem Akoshs getrennt hatte. Der letzte Gefährte, der sie noch begleitet hatte, während alle anderen mehr oder minder schwer verletzt nun unter Menrirs Fürsorge wieder zu Kräften zu kommen ersuchten, um dann nach Hause zurückzukehren. Viele hatten sie angefleht, zu bleiben, vor allem, weil sie ihr nicht mehr zutrauten, allein besonders lang zu überleben. Aus diesem Grunde und weil er erwog, vorerst noch im Mittelland zu bleiben, hatte sich Akosh, der damalige Cas, entschlossen, mit ihr zu gehen. Zumindest bis hierher. Er wäre ihr sicher noch weiter gefolgt, doch das hatte sie nicht gestattet. Sie brauchte keinen Aufpasser. Sie wollte allein sein.

      Jeder Schritt hatte damals geschmerzt. Die vielen Kämpfe, die kurze aber umso schreckensreichere Gefangenschaft im Drei-Morgen-Wald und vor allem die Schlacht in der Festung von Orio hatten Spuren hinterlassen. Cycala können Schmerz bis zu einem gewissen Grad ignorieren und hinnehmen, aber sie können ihn nicht erlöschen lassen. Manchmal hatte es in diesen Tagen in den Sümpfen Momente gegeben, das sie versucht war, sich einfach hinzulegen und zu sterben. Es wäre so leicht gewesen. Und heute, viele Jahre später, war sie sich sicher, dass es nicht ihr eigener Wille gewesen war, der sie davon abgehalten hatte. Sie war nicht den gleichen Weg gegangen wie jetzt, aber die Singenden Sümpfe boten überall das gleiche Bild. Eine schilfüberwuchterte Anhöhe, ähnlich der, an der sie gerade erst vorbeigeritten war, war ihr vor über zwölf Jahren fast zum Grab geworden. Aber irgendetwas hatte sie wieder aufstehen und wie von fremder Hand einen Fuß vor den anderen setzen lassen. Ihr eigenes Blut auf ihrer Kleidung blieb feucht wie die Luft ringsum und haftete auf ihren Lippen, wenn sie sich mit dem Arm über das Gesicht wischte. Bitter und kalt war es, das Blut. Und ringsum hatte, so wie jetzt, der Wind geheult und gejammert. Am liebsten hätte sie ihn angeschrien, aber noch nicht einmal dafür hatte ihre Kraft noch gereicht.

      Irgendwann war es besser geworden. Vielleicht in dem Moment, in dem sie zum ersten Mal die Schatten Valahirs am Horizont erblickte. Ab diesem Augenblick befand sie sich in einem zermalmenden Auf und Ab. Mal euphorisch und wie trunken, dann wieder hoffnungslos und voller Zweifel.

      Wenn sie so zurückdachte, fiel es ihr schwer, sich vorzustellen, wie lange diese qualvolle Reise gedauert hatte. Es waren Tage, eher Wochen gewesen, in denen zwar ihre Wunden allmählich geheilt waren, ihr Geist aber immer mehr zu verenden schien. Immer häufiger und länger waren die Stunden geworden, in denen sie gar nichts mehr dachte, sondern nur noch wie willenlos Schritt für Schritt weitergegangen war. Diese Sümpfe hatten sie gelehrt, zu vergessen.

      Und doch empfand sie dafür keine Dankbarkeit. Denn diesen Ort selbst hatte sie nicht vergessen können. Ihm jetzt wieder zu begegnen, war wie die Rückkehr zu dem alten Ich, das sie hier abgelegt hatte. Das alte Ich, das kurz zuvor schon den Tod gefunden hatte und das sie hier ebenso begraben hatte, wie es die alten Mittelländer mit ihren Ahnen getan hatten.

      „Wir reiten die Nacht durch.“ sagte sie wie von selbst. Sie wollte keinen Augenblick länger als nötig hierbleiben.

      Erleichtert trieben die Cas ihre Pferde an.

      Yos brach in schallendes Gelächter aus. „Ne, is' nich' wahr, oder? Nee nee. Sie hat's dir nich' gesagt?“

      „Warum hätte sie das auch tun sollen? Ich war die Dienerin einer Botschafterin, das schien ihr zu genügen.“

      „Na, am Anfang. Aber soviel Humor hätt ich ihr nich' zugetraut. Schleift dich wochenlang mit, durch halb Sacua und sagt dir nich' mal, mit wem du es zu tun hast. Wann hast es denn erfahren?“

      „Als wir Vas-Zarac erreichten. Ich hatte vorher schon ein seltsames Gefühl. Schon bei unserer Ankunft in Askaryan.“

      „Wieso 'n das?“

      „Die Tore gingen auf, wie von selbst und die Menschen auf den Straßen haben sich verneigt. Und dann... Wir waren bei Talmir und ich habe mich gewundert, dass sie so einfach zu einem Herrscher durchgelassen wurde und… ihm nicht gerade besondere Ehrerbietung entgegenbrachte.“

      „Na, das hat sie ja wohl nich' nötig, ne? Ja, so isse. Hier dachten alle, sie wär' verschwunden oder noch schlimmer. Da ham doch wirklich Leute erzählt, sie wär' vielleicht sogar tot. Und zur selben Zeit macht sie sich nen Spaß und verheimlicht dir, dass sie die Shaj der Krieger is'.“ Noch immer grinste Yos. Er machte keinen Hehl daraus, dass er Lennys die Bewahrung dieses Geheimnisses über einen so langen Zeitraum hoch anrechnete.

      Seit Stunden schon verlief seine und Saras Fahrt entlang der cycalanischen Westküste ereignislos. Der Wind füllte ihr Segel, der Himmel war klar und wolkenlos und die steilen Felsklippen, an denen sie sich gut orientieren konnten, vermittelten die Illusion eines unüberwindbaren Schutzwalls, der Feinde und neugierige Beobachter fernhielt. Yos ließ Sara immer wieder das Steuer übernehmen, so dass sie recht schnell an Übung gewann, auch wenn ihr das Segeln nicht so leicht von der Hand ging, wie der Umgang mit dem Säbel. Von diesem konnte Yos allerdings seinen Blick nicht mehr abwenden, kaum, dass er ihn unter ihrem Umhang hatte hervorblitzen sehen und schließlich hatte er seine Neugier nicht mehr bezähmen können und fragte, woher sie denn eine so herrliche Waffe habe. Und wie sie überhaupt ins Sichelland gekommen war.

      Sara war froh, dass Yos ein wenig Interesse zeigte. Nicht, weil sie gern von sich erzählte, sondern weil sie das Gefühl hatte, wenn sie sich nur ein wenig besser kennenlernten, würde der Fährjunge auch bald nicht mehr so verbissen darauf beharren, diese Reise sei eine einzige Dummheit, die er zutiefst bereue.

      „Manchmal...“ gab Sara zu, „... Also ich hatte einmal den Eindruck, dass sie glaubte, den richtigen Zeitpunkt verpasst zu haben, es mir zu sagen. Nein, das ist nicht ganz richtig. Aber als wir damals vor Vas-Zaracs Toren standen und sie mir sagte, wer sie wirklich ist, … Ah, ich kann es nicht erklären. Es kam mir einfach so vor, als hätte sie in diesem Moment bedauert, es nicht früher gesagt zu haben.“

      Entgegen ihrer Erwartung lachte Yos nicht. Sein Mund wurde schmal.

      „Weißte, es heißt immer, wir einfachen Leute würden nichts mitkriegen. Die sagen immer, wir wüssten nichts von der Burg und so, ne? Nee, wir sind ja nich blind. Hast ganz schön für Aufsehen gesorgt.“

      „Ich?“

      „Na klar. Bist ja die erste Fremdländerin da oben. Ich mein' jetz', die da auch wohnt. Nich' nur 'n Gast wie der Heiler. Gehörst ja schon fast dazu. Die Leute reden halt. Fragen sich alle, warum sie dich so an sich 'ran lässt. Weil du ja auch 'ne Heilerin bist. Denken halt viele, sie wär' krank oder so. Und wenn du das jetzt so sagst, dass es ihr vielleicht leid getan hat... Weißte, das passt nich' zu ihr. So jemand isse nich'. Vielleicht isse ja doch krank, ne? Aber das wirste mir kaum sagen...“

      Sara seufzte.

      „Sie ist nicht krank. Oder wahnsinnig oder verrückt oder was die Leute sonst so sagen. Wenn du das meinst.“

      „Naja, so ungefähr schon. Stimmt ja auch, haste ja schon selber mitgekriegt, richtige Heiler ham wir hier nich'. Is' ja kein Wunder, dass man da sowas denkt. Wenn du da plötzlich auftauchst. СКАЧАТЬ