Название: Sichelland
Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844242553
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Yos knurrte verstimmt. Natürlich hatte Sara recht. Und natürlich hatte sie auch das Sagen, immerhin war es nicht nur ihre Reise, sondern auch die Barke selbst gehörte ihr. Nun, nicht direkt ihr, wie er glaubte, aus ihren Andeutungen herauszulesen, aber ihm noch sehr viel weniger.
„Ist es sehr schwer?“ fragte sie, als er sich zu keiner ausführlicheren Antwort herabließ.
Er zuckte die Schultern.
„Braucht schon Übung.“ sagte er dann knapp.
„Und vermutlich einen guten Lehrer?“
„Wirst dich schon mit mir begnügen müssen. Du hast es ja nich anders gewollt. Hab mich nich' drum gerissen.“
Sara stand auf. Das Schaukeln der Barke bereitete ihr erstaunlich wenig Probleme, auch fühlte sie nichts von der Angst vor dem Wasser, die man den Mittelländern nachsagte.
Sie legte ihre Hand auf Yos' Schulter.
„Sieh mich an.“
Zögernd drehte Yos sich halb um, beließ es aber bei einem Blick aus dem Augenwinkel.
„Nein, sieh mich richtig an.“
„Was willste denn?“ murmelte er ärgerlich, aber auch etwas verunsichert. Schließlich kam er ihrer Bitte aber dann nach.
„Ich weiß, dass du das hier nicht gerne tust. Aber du tust es. Du hast dich dazu bereiterklärt. Yos, ich brauche deine Hilfe. Und ich glaube, dass es für uns beide besser wäre, wenn wir versuchen, miteinander auszukommen. Ich habe nicht gelogen, als ich dir versprochen habe, dir jede Belohnung zu geben, die du dir wünschst, sofern sie in meiner Macht steht. Sobald das hier alles vorbei ist. Du tust das hier nicht für mich. Sondern für etwas sehr viel Größeres und Wichtigeres. Lass uns zusammenarbeiten. Dann wird diese Reise vielleicht nicht nur kürzer, sondern auch schöner. Du hast nichts davon, wenn du dich immer nur ärgerst.“
„Is nich' so, wie du sagst.“
„Was meinst du?“
„Ich mach's nich' wegen 'ner Belohnung oder so. Ich mach's, weil mein Onkel das erwartet. Er denkt, du hilfst ihm. Deshalb. Weil ihm sonst ja keiner hilft. Aber ich glaub nich', dass es klappt. Und ich mach's, weil du sagst, dass es wichtig für die Shaj is. Dann muss ich's ja tun, oder nich'? Aber ich mach's nich' gern. Will nich' weg aus'm Sichelland. Und nich' aufs Meer.“
„Ich habe dich nicht gezwungen. Du hast dich dazu bereiterklärt. Aber jetzt möchte ich mich auch darauf verlassen können. Und du kannst dich auf mich verlassen. Nur so schaffen wir es.“
Yos schaute ins Leere.
„Als ich heut' meine Sachen gepackt hab', da dachte ich: Vielleicht is' das meine Aufgabe. Vielleicht hat jeder eine. Aber vielleicht irr' ich mich auch. Weißte, ich halt nich' so viel von Fremden. Und du hast keine Ahnung von dem Ganzen hier. Ich kann nich' so tun, als wäre es anders. Aber meinetwegen. Versuchen wir's zusammen. Aber wenn wir merken, dass es keinen Sinn hat, dann kehren wir um!“
Sara nickte ernst.
„Versprochen. Aber erst, wenn es wirklich keinen Sinn mehr hat.“
Irgendetwas hatte die Spannung zwischen den beiden gelöst. Für Sara war es wichtig, dass Yos sich auch wirklich bemühte und vielleicht letztendlich auch das gleiche Ziel hatte wie sie, nämlich möglichst schnell unentdeckt ins Mittelland zu kommen. Und für Yos war es wichtig, dass er sich nicht als ein willenloser Diener fühlte, sondern dass man ihm das Gefühl gab, selbständig zu denken und zu handeln.
Nach einer Weile suchte Yos wieder das Gespräch.
„Is' aber eigentlich dumm, was du da machst.“
„Was meinst du damit? Was ist dumm?“
„Naja, das mit'm Boot. Ich denk, es soll schnell gehen?“
„Aber das ist es doch. Wir können in drei oder vier Tagen die Ruinen erreichen. Zu Fuß hätte ich wohl doppelt so lange gebraucht. Durch den Shanguin-Gürtel und über die Berge.“
„Na, schon. Aber ich soll dich doch zu diesen komischen Ruinen bringen, ne? Und dann? Was willst'n dann machen? Wo willste hin?“
Ein wenig verwirrt sah Sara ihn an.
„Nun ja, ich muss natürlich erst einmal herausfinden, wo sich die Shaj und die Cas aufhalten. Aber das kann wohl nicht so schwer sein. Sie fallen ja auf und man wird sicher überall von ihnen reden.“
Ungläubig riss Yos die Augen auf.
„Das is' alles? Das is' dein Plan?“
„Man kann nicht immer alle Schritte planen! Das ist das, was ich tun werde.“
„Und dann? Willste zur Shaj oder was? Warum? Denkste, sie bräuchte deine Hilfe beim Kämpfen?“
„Nein.“ Sara versteifte sich. Sie konnte und wollte Yos nicht einmal ansatzweise das sagen, was sie wirklich zu ihrem Entschluss bewegt hatte, noch wollte sie diesen näher erklären. Es wäre auch schwer gewesen, das, was in ihr vorging, in Worte zu fassen. Ihre Vermutung war vage, die Hoffnung schwach. Aber es war das einzige, woran sie sich festhalten konnte.
„Ich habe meine Gründe, Yos. Ich muss ins Mittelland und ich muss dort eure Shaj finden. Und zwar so schnell wie möglich. Es ist wichtig für sie und für euch alle.“
„Wie du meinst, dann sagste halt nichts. Aber trotzdem isses dumm. Bin ja auch nich' von gestern. Über die Berge wärste schneller gewesen.“
„Und weshalb?“
„Na, die Ruinen sind ganz im Westen. Aber im ganzen Sichelland gibt es nur zwei Wege nach Süden. Den Ost- und den Westbogen. Und durch den Westbogen sind se sicher nich' gegangen, das hätte dann ja jemand gesehen, so viel wie da jetzt los is. Ich kenn mich ja nich' aus im Süden, aber so viel weiß sogar ich. Du brauchst viele Tage, um von den Ruinen aus dorthin zu kommen, wo die Cas sind. Wenn du sie überhaupt findest.“
Noch während Yos sprach, erkannte Sara, dass er aus seiner Sicht natürlich recht hatte. Aber sie hatte sich längst überlegt, wie dieses Problem zu lösen war. Alles was sie dazu benötigte, war ein wenig Gold, das sie sich noch aufgehoben hatte und Glück.
„Da vorn.“ sagte der junge Mann plötzlich. Er deutete auf einen Punkt in der Ferne. „Hinter den Hügeln. Da ist die Küste. In einer Stunde sind wir auf dem Meer.“
Sie hatte das Gefühl, ihr Kopf und ihre Glieder seien aus Stein. So schwer und so unbeweglich. In ihrem Knie hämmerte ein Übelkeit erregender Schmerz.
Nur langsam und widerwillig richtete sie sich auf.
Der nächste Tag war angebrochen und sein Morgenlicht offenbarte aufs Neue die Geschehnisse der vergangenen Nacht.
Unter den Tannen grasten friedlich die Mondpferde, unbeirrt und unbeeindruckt von den toten Hantua, die sich auf der Erde türmten. Mehrere Dutzend. Sie lagen in ihrem getrockneten Blut, viele von ihnen verstümmelt – kopflos, mit aufgeschlitzten Bäuchen und herausgequollenen Eingeweiden, manchen fehlte auch ein Arm oder СКАЧАТЬ