Tödlicher Nordwestwind. Lene Levi
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Название: Tödlicher Nordwestwind

Автор: Lene Levi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738071719

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СКАЧАТЬ nur einen Fuß vor den anderen setzen zu müssen. Auch das gehörte mit zur Gediegenheit des Oldenburger Stadtlebens.

      ***

      Der Wolkenbruch des gestrigen Abends brachte am Montagmorgen nicht die erhoffte Abkühlung. Es war noch immer heiß und schwül. Die Luft in dem Plattenbau, in dem die Polizeiinspektion untergebracht war, wirkte abgestanden und stickig. Robert wollte nur kurzzeitig sein Büro aufsuchen, um etwas Schreibkram und ein paar Anrufe zu erledigen. Er war noch immer ziemlich sauer auf seinen Chef. Da aber Heribert de Boer noch nicht zum Dienst erschienen war, entschied er sich dafür, die neue Woche möglichst ruhig anzugehen. Nach einer Stunde hielt er es in der Dienststelle nicht mehr aus. Er schwang sich auf sein Fahrrad und radelte in Richtung Innenstadt.

      Kurze Zeit später schlürfte er an einem Glas Latte macchiato in einem der Straßencafés und beobachtete gelangweilt die Leute, als plötzlich sein junger Mitarbeiter auftauchte. Kriminalmeister Jan Onken, mit dem er sich seit einem halben Jahr das kleine Dienstzimmer und sogar den einzigen Schreibtisch darin teilte, legte Robert von hinten seine Hand auf die Schulter.

      „Hab ich´s mir doch gleich gedacht, dass Sie sich hier vor der Arbeit drücken.“

      „Im Gegenteil, Onken, im Gegenteil. Ich behalte die Szene der Kleinkriminalität im Auge. Immerhin werden pro Tag etwa acht Drahtesel hier in der Stadt geklaut. Da muss das Auge des Gesetzes stets wachsam sein. Sogar während der Mittagspause.“

      Robert streute genüsslich braunen Rohrzucker in sein Getränk und beobachtete dabei das verblüffte Gesicht seines jungen Kollegen.

      „Ah, verstehe. Mittagspause um 10 Uhr 30.“

      Er ging auf diese ironische Bemerkung nicht ein. Jan legte das aufklappbare Kästchen mit dem Backgammonspiel auf den Bistrotisch und setzte sich zu Robert.

      „Hat sich inzwischen das Betrugsdezernat gemeldet?“, erkundigte sich Robert.

      „Nein, aber die Gerichtsmedizin hat vor etwa einer halben Stunde angerufen. Sie sollen zurückrufen, sobald Sie wieder im Büro sind.“

      Jan war Ende Zwanzig und erst vor einigen Monaten von der Polizeiakademie Niedersachen direkt ins Oldenburger Kommissariat versetzt worden. Seine Gesichtszüge und sein ganzes Äußeres ähnelten auf merkwürdige Weise dem des englischen Prinzen William. Er kleidete sich überaus korrekt und bevorzugte dabei dunkle Strellson-Anzüge. Sein Haupthaar war für sein Alter bereits sehr dünn, auch darin ähnelte er dem englischen Thronfolger. Dadurch wirkte er viel reifer und gesetzter. Jan hätte sicher auch als smarter Banker eine gute Figur abgegeben. Ansonsten war er ein schlanker, sportlicher Typ, im Gegensatz zu Robert. Der Kommissar und sein junger Kriminalmeister waren schon deshalb rein optisch ein vollkommen ungleiches Paar. Robert wäre es am Beginn seiner eigenen Polizeilaufbahn wahrscheinlich niemals in den Sinn gekommen, mit Schlips und gebügeltem Hemd, geschweige mit einem teuren Anzug, zum Dienst zu erscheinen. Das war damals noch nicht üblich, aber so ändern sich die Zeiten. Ansonsten kam er mit Jan sehr gut zurecht und das war die Hauptsache. Beide hatten es von Anbeginn ihrer Zusammenarbeit geschickt verstanden, die gravierenden Generationsunterschiede und abweichenden Lebenserfahrungen mit allen damit einhergehenden hierarchischen Kompetenzproblemen, die leicht zu Konflikten führen können, in den Hintergrund zu stellen. Für Robert war vor allem eins wichtig: alle beruflichen Probleme effizient und gemeinsam zu lösen. Dienstränge oder Hackordnungen jeglicher Art spielten für ihn nur eine untergeordnete Rolle. Er fühlte sich während seiner Arbeit an keinerlei Konventionen gebunden und Dienstvorschriften interessierten ihn schon gar nicht. Es reichte ihm aus, dass sie auf dem Papier standen. Der Alte konnte von dem Jungen ebenso viel lernen, wie umgekehrt. Robert hasste vor allem die anfallenden administrativen Tätigkeiten, die nur mit dem PC zu erledigen waren. Diese Arbeit wiederum empfand Jan als sehr notwendig. Datenbanken zu füttern, aufzubauen und zu pflegen, das gehörte zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Er war ja quasi mit dem modernen technischen Krimskrams aufgewachsen. Jan profitierte dagegen reichlich von Roberts kriminalistischem Spürsinn und seinen manchmal unorthodoxen Ermittlungsmethoden. Einen besseren Vorgesetzten hätte er sich eigentlich nicht wünschen können. Allerdings gehörten Fahrraddiebstähle nicht unbedingt zu den übermäßig verantwortungsvollen Aufgaben, die sie gern gemeinsam aufklären wollten, aber sie arbeiteten dennoch sehr erfolgreich in diesem Bereich. Das Team Rieken/Onken hatte es immerhin binnen weniger Monate geschafft, die Aufklärungsquote dieser Delikte schlagartig nach oben schnellen zu lassen. Sechs von acht Fahrraddiebstählen schafften sie, innerhalb weniger Wochen nach begangener Tat aufzuklären. Dazu gesellten sich neuerdings ganz gewöhnliche Wohnungseinbrüche und Autodiebstähle. Dagegen kamen Mord oder Totschlag in Oldenburg relativ selten vor. Und genau das war einer der Gründe, weshalb Robert seine Versetzung in diese Stadt angestrebt hatte.

      Nachdem sie gemeinsam noch einige Partien Backgammon speilten, die allesamt Robert verlor, verließen sie das Café und kehrten ins Polizeirevier zurück.

      Im Büro bekam Robert plötzlich Kopfschmerzen. Er trat an den Wasserkocher, um sich eine frische Tasse Tee aufzubrühen. Dann öffnete er beide Fenster, um einen Luftdurchzug zu ermöglichen. Aber es schien aussichtslos zu sein. Draußen bewegte sich kein einziges Blatt an den Bäumen. Jan saß an seinem PC und hackte auf der Tastatur herum. Von einem der beiden Bürofenster aus blickte Robert ins Grüne eines gegenüberliegenden alten Friedhofs, als plötzlich das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Frau Dr. Lin Quan, die Gerichtsmedizinerin, meldete sich. Robert nahm ab:

      „Moin Lin. Du hast wahrscheinlich so einiges über die Wasserleiche herausgefunden. Stimmt’s?“

      „Eines ist zumindest sicher, da hast du mir einen interessanten Fall auf den Seziertisch gelegt. Wann kannst du rüberkommen?“

      Wer Lin Quan nicht kannte, hätte leichtfertig an einen ungewöhnlichen Fall von transnationaler Seelenwanderung glauben können. Sie war zwar Chinesin, aber gebürtige Oldenburgerin. Ihre Eltern waren Kanton-Chinesen und vor über drei Jahrzehnten nach Niedersachsen übergesiedelt. Sie betrieben seither einen Schnellimbiss im Stadtteil Nadorst, in dem Robert schon während seiner Ausbildungszeit häufig verkehrte, da das Essen dort gut und sehr preiswert war. Lin war ihm schon damals im Imbiss über den Weg gelaufen. Jetzt aber war aus dem kleinen chinesischen Mädchen eine attraktive und hochgewachsene Frau geworden. Für Robert war es immer wieder sehr reizvoll, eine Chinesin zwar zu betrachten, aber gleichzeitig eine typische Oldenburgerin zu hören, die alle sprachlichen und mentalen Eigenheiten ihres Geburtsortes bereits quasi mit der Muttermilch in sich aufgenommen hatte und so sprach, wie ihr der Schnabel gewachsen war. Ihre Physionomie und ihr Idiom passten irgendwie in der Vorstellungskraft der meisten Menschen noch nicht ganz zusammen. Und genau darin lag dieser sonderbare Reiz. Robert hatte im Laufe seines Lebens einmal einen Japaner kennengelernt, der lupenreinen bayerischen Dialekt sprach, weil er in Oberbayern aufgewachsen war. Auch war ihm schon mal ein Schwarzafrikaner über den Weg gelaufen, der einen derart stark ausgeprägten sächsischen Dialekt zu sprechen pflegte, dass selbst die eingefleischtesten Sachsen seine Aussprache nur schwer ertragen konnten. Nun war ihm in der »Zukunftsstadt« Oldenburg eine Chinesin begegnet, die kaum mehr norddeutscher sein konnte. Vielleicht lag darin tatsächlich der erste Schritt für eine nahe Zukunft, in der alle Grenzen und Herkunftsbarrieren keine Rolle mehr spielen würde.

      Dr. Lin Quan und Robert waren sich zum ersten Mal seit seiner Rückkehr während einer Theateraufführung im Oldenburgischen Staatstheater begegnet. Sie besaßen beide ein Abonnement und beanspruchten zufälligerweise zwei nebeneinanderliegende Sitzplätze im Parkett 3. Reihe, ziemlich in der Mitte. Gezeigt wurde Charleys Tante, eine Komödie in drei Akten von Brandon Thomas. Eine langweilige Inszenierung. Während der Pause waren sie ins Gespräch gekommen und fanden bald heraus, dass sie auch beruflich für die gleiche Behörde arbeiteten. Bereits kurz nach ihrer ersten Begegnung begannen sie Freunde zu werden und verabredeten sich seither ab und an. Jetzt aber trafen sie eine rein dienstliche Verabredung.

      „Wie СКАЧАТЬ