Название: Tödlicher Nordwestwind
Автор: Lene Levi
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738071719
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„Nein, nein, nichts weiter. Ich wollte Ihnen nur noch sagen, dass Sie die Angelegenheit schon schaukeln werden, Rieken. Machen Sie mir Meldung, wenn Sie herausgefunden haben, was an der Sache dran ist.“ Dann legte er auf.
Robert entnahm aus dem Kescher die gefangene Forelle und schenkte ihr die Freiheit zurück. Dieser Fang war für seinen Geschmack ohnehin etwas zu schnell und viel zu leicht an den Haken gegangen. Ja, es kam ihm jetzt sogar so vor, als hätte der Fisch auf Bestellung angebissen, als wäre er darauf trainiert, so kompromisslos wie möglich seinen Lebensfunken auszuhauchen. Was für ein merkwürdiger Gedanke. Robert schüttelte den Kopf, packte den Anglerkram zusammen und ging zurück zu seinem Wagen. Hinter ihm schimpften einige Angler am Seeufer, denen wahrscheinlich gerade die eigene Work-Life-Balance aus dem Gleichgewicht geraten war.
Kapitel 3
Als Robert mit seinem alten, roten Volvo Kombi 740 direkt am Dangaster Sielhafen eintraf, entdeckte er sofort die beiden Fischer, die gerade damit beschäftigt waren, eine Menge neugieriger Touristen und schaulustiger Wochenendbesucher von ihrem Krabbenkutter fernzuhalten. Denn es hatte sich bereits auf dem angrenzenden Campingplatz und damit auch in Windeseile bis zum nahegelegenen Alten Kurhaus herumgesprochen, dass die beiden einheimischen Fischer diesmal keinen fangfrischen Granat in den Hafen mitbrachten, sondern einen mysteriösen Fund, der nicht für die Augen der Öffentlichkeit, geschweige denn für die Bratpfannen der Camper, bestimmt war. Genaueres aber wusste keiner, deshalb zog es viele sensationsgierige Menschen hin zum Anlegerkai. Der Kommissar stieg aus seinem Wagen und ging auf einen der beiden Männer zu:
„Sind Sie es, der die Leiche gefunden hat?“
Robert hielt ihnen seinen Dienstausweis unter die Nase.
„Nicht direkt, Herr Wachtmeister“, antwortete Hauke Schortens.
„Ich bin Kriminalhauptkommissar Rieken. Und wie heißen Sie?“
Hauke Schortens war körperlich ein eher schmächtiger Typ mit blauer Bommelmütze und runzliger Gesichtshaut. Wie ein Seebär sah er nicht gerade aus, eher wie eine Figur aus einem dieser Walter-Moers-Comics. Hauke blickte etwas hilflos in Richtung des Campingplatzes und gab Enno Fedder ein Handzeichen.
„Ich heiße Schortens. Hauke Schortens. Ich bin hier sozusagen der Maat auf diesem Krabbenkutter. Maat deshalb, weil ich früher als solcher bei der Marine gedient habe.“
Enno Fedder nahm man dagegen auf dem ersten Blick den sturmerprobten Seemann ab. Er war wie aus reinstem friesischen Schrot und Korn gemacht. Ein hemdsärmeliger Kerl, der aber mit weicher Stimme sprach. Enno versuchte sich gerade eine Zigarette anzustecken, aber der Wind blies ihm immer wieder die Flamme seines Feuerzeugs aus. Er kam herüber und warf einen flüchtigen Blick auf den Ausweis.
„Und das hier ist mein Chef. Ihm gehört der Kutter“, stellte Hauke Enno vor.
Der Kommissar hielt Enno sein brennendes Feuerzeug vor die Zigarette: „Rieken, Kripo Oldenburg.“
„Kripo Oldenburg? Gibt´s denn keinen Polizisten hier aus Varel, den sie herschicken konnten?“ Enno nahm seine Mütze ab und wischte sich damit den Schweiß von der Stirn. Er zwinkerte hinter seinen Brillengläsern und sagte dann: „Frage, Herr Kommissar: Warum gibt es in Ostfriesland keine Hämorrhoiden? - Antwort: Weil die ganzen Arschlöcher in Oldenburg sitzen.“
Robert sah ihn einen Augenblick lang verständnislos an, sammelte sich dann wieder und sagte: „Ich weiß schon, ihr haltet ja Oldenburg immer noch für feindliches Ausland. Aber es ist nun mal nicht ganz einfach, einen Polizisten hier bei euch aufzutreiben, der telefonieren und gleichzeitig auch schreiben und lesen kann. Deshalb müsst ihr schon mit mir vorlieb nehmen.“ Dann sah sich Robert etwas genervt um. „Ziemlicher Menschenauflauf hier.“
Enno wusste nun, dass er mit seinem Humor bei Robert keinen großen Eindruck machen konnte:
„Wir haben schon versucht die Leute auf Abstand zu halten, Herr Kommissar. Aber Sie wissen ja, wie die heutzutage so drauf sind.“
„Ja, gut. Ich übernehme das fürs Erste“, sagte Robert.
Er stellte sich vor die Menschenansammlung und gab den Leuten eindeutig zu verstehen, dass sie sich gefälligst vom Hafengelände fernzuhalten hätten. Die Gaffer traten daraufhin wenige Meter zurück, lösten sich aber nicht auf, wie es Robert eigentlich erhofft hatte. Dann ging er zurück und stellte sich zwischen die beiden Fischer mit dem Rücken zur Kaimauer, so dass er die Menschenansammlung weiterhin im Blick behalten konnte. Enno begann zu berichten: „Naja, die Sache war so, Herr Kommissar. Wir sind heute gegen 4 Uhr rausgefahren, wie wir es fast jeden Tag tun, wenn die Tide es erlaubt. Aber heute schien nicht unser Tag zu sein. Wir haben's zuerst westlich von Alte Mellum versucht, aber da war nichts. Dann sind wir etwas weiter hinaus auf See in Richtung Minsener Oog. Aber auch da war nichts zu holen.“ Er warf jetzt seine Zigarettenkippe auf den Betonboden und trat sie aus. „Sie müssen wissen, die Fanggründe sind in dieser Jahreszeit äußerst unergiebig. Hinzu kommt noch der Umstand, dass die ständigen Verlandungen in diesem Gebiet durch wandernde Sandbänke die Krabbenfischerei nicht gerade leichter macht.“
Robert warf nun einen Blick hinüber zum Kutter.
„Sie sind der Eigentümer des Schiffs?“
„Ja. Ich habe mir den Kutter aber erst vor zwei Jahren gekauft. Hätte ich damals geahnt, welche Schwierigkeiten auf mich zukommen, glauben Sie mir, hätte ich´s gelassen.“
Hauke Schortens nickte Enno zu. Er rieb sich gereizt die Stirn: „Genau. Wenn das so weitergeht, können wir unseren Job bald hinschmeißen, Herr Kommissar.“
Enno wirkte nachdenklich: „Hauke hat nicht ganz unrecht. Unsere alten und angestammten Fangplätze werden außerdem von anderen Kollegen, wenn man diese Leute überhaupt so nennen mag, regelrecht ausgeplündert. Sie fangen sogar die Fischbrut weg, wenn Sie wissen, was ich damit sagen will. Und gesetzlich geregelte Fangquoten existieren ja für uns Krabbenfischer nicht.“
Robert sah verzweifelt auf seine Uhr. „Sie haben sicher recht, Herr Fedder. Nur leider hat das wenig mit Ihrem - wie soll ich sagen - heutigen Beifang zu tun. Erzählen Sie mir doch bitte, wo und wie Sie den Toten genau herausgefischt haben.“
Enno machte eine Handbewegung, die andeuten sollte, ihm zu folgen. Robert warf nochmals einen Blick auf die Gaffer, die aber keinen Schritt nähergekommen waren. Dann gingen die drei Männer in Richtung Kaimauer und betraten den schmalen hölzernen Laufsteg, der von der Mauer direkt hinüber zum Kutter führte. Auf Deck gab Enno dem Kommissar das Feuerzeug zurück. Der Fischer spürte instinktiv, dass der Kripomann in Gummistiefeln nicht einer der üblichen Beamten war, die eigentlich keine blasse Ahnung vom Fischfang haben, aber dennoch überall mitreden wollten. Enno schritt zur Mitte des Decks und blieb dann vor einem abgedeckten Haufen stehen.
„Wie gesagt, wir wollten schon aufgeben, haben es dann aber doch nochmal, etwa zwei bis drei Meilen vor Wangerooge versucht – und plötzlich hing der da in unserem Netz.“
Enno deutete mit einer knappen Handbewegung auf den abgedeckten Haufen. Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, hob Hauke auf der Backbordseite des Kutters einen Zipfel des zerschlissenen Segeltuchs auf, mit dem die Wasserleiche bereits auf See notdürftig abgedeckt wurde. Ein ekelhafter Gestank von angegammeltem Fisch, Schlamm und Maschinenöl breitete sich schlagartig auf Deck aus. Die beiden Fischer schienen daran СКАЧАТЬ