Название: Tödlicher Nordwestwind
Автор: Lene Levi
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738071719
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Jetzt die richtigen Worte zu finden, fiel Robert schwer: „Es gibt da ein paar Hinweise von der Rechtsmedizin. Sie haben zum Beispiel an der Kleidung und auf der Haut des Toten einige Spuren entdeckt, die auf ein Seil hindeuten, an dem der Ertrunkene möglicherweise festgebunden war. Ich frage mich nun schon die ganze Zeit, ob nicht doch noch was anderes mit im Fangnetz hochgehievt wurde. Vielleicht irgendein Ballastgegenstand, ein Stein an einem Seil oder ähnliches.“
Enno gab sich plötzlich überrascht. Robert nickte ihm zu und fuhr fort: „Wissen Sie. Als ich die Leiche auf dem Kutterdeck besichtigt habe, ist mir jedenfalls nichts aufgefallen. Auch auf meinen Fotos konnte ich nichts dergleichen entdecken. Und jetzt kann ich mir darauf keinen rechten Reim machen.“
Enno, der bisher geschwiegen hatte, wirkte nachdenklich: „Also, wenn Sie mich so genau danach fragen, Kommissar, fällt es mir wieder ein. Ja, da war auch ein kleiner Anker mit dabei. Der war mit einem Kunststoffseil an dem Bein des Toten festgezurrt.“
Robert nickte wieder, diesmal lebhafter. Er stellte seine Frage eher behutsam:
„Aber warum haben Sie mir bisher nichts von dem Anker und dem Seil erzählt?“
„Wollte ich ja zunächst auch. Aber dann war ich so verärgert darüber, weil mir dieser tote Kerl den ganzen Fang versaut hatte. Ich konnte ja die ganze Tagesausbeute nur noch ins Meer zurückwerfen. Da gibt es sogar eine Vorschrift, von wegen der Hygiene und so. Würden Sie meinen Granat kaufen, wenn Sie wüssten, dass er zusammen mit einer Wasserleiche aus dem Meer herausgezogen wurde?“
Robert zuckte bei dem bitteren Ton in seiner Stimme zusammen, konnte ihm aber seine Feindseligkeit nicht verdenken.
„Gibt es denn bei einem solchen besonderen Härtefall keine finanzielle Entschädigung für euch?“
„Wo denken Sie hin, Herr Kommissar? Von wegen Entschädigung! Wir sind ganz auf uns allein gestellt.“
„Verstehe. Aber was haben Sie mit dem Anker gemacht?“
„Er hatte mein Netz stark beschädigt. Wir mussten es flicken. Hauke ist dann auf den Gedanken gekommen, das Ding zu verhökern, um wenigstens einen finanziellen Ausgleich für unseren Verlust einzuholen.“
„Ach du liebe Scheiße!“ Roberts Gesichtszüge entglitten zusehends und auf seiner Stirn bildeten sich Falten. Er wusste nicht sofort, wie er darauf reagieren sollte. Enno sprach schnell weiter: „Dieser Rocna-Anker sollte mindestens 3.000 Euro wert sein. Hauke kennt sich da aus, jedenfalls behauptet er das. Ein Verkauf würde zumindest das Schlimmste verhindern. Sie müssen wissen, als Vertragsfischer bin ich gezwungen, eine Fangmenge von mindestens 300 Kilo pro Tag abzuliefern. Unter diesem Limit lohnt es sich nicht mehr rauszufahren und ich könnte meinen Kutter bald in den Wind schreiben.“
Robert war sprachlos, begann aber langsam, zu verstehen.
„Wissen Sie da eigentlich, was Sie sich mit dieser Aktion eingebrockt haben? Sowas nennt man bei der Justiz Unterschlagung von Beweismitteln. Darauf steht eine hohe Geldstrafe, vielleicht sogar Knast, da es nach dem Gesetz als Diebstahl angesehen wird oder als Unterschlagung, schlimmstenfalls sogar als Strafvereitelung. Vom Tatbestand der Hehlerei mal ganz abgesehen. Ich sehe da eine Menge Ärger auf Sie zukommen.“
„Sie werfen da mit Begriffen um sich, Herr Kommissar, da wird mir ganz flau im Magen. Ich hätte vielleicht doch auf Hauke hören sollen. Er wollte unbedingt die Wasserleiche einfach ins Meer zurückwerfen. Wäre es nur so geschehen, dann hätte ich jetzt nicht diesen Ärger am Hals.“
„Sie haben mir immer noch nicht meine Frage beantwortet. Also: Wo befindet sich der Anker jetzt?“
Ennos Unbehagen war sichtbar, und obwohl Robert ihm keinen Vorwurf zu machen schien, waren die nächsten Minuten sehr angespannt. Der Kommissar ließ nicht locker.
„Sie sollten sich jetzt ganz genau überlegen, was Sie sagen. Sonst verstricken Sie sich ganz leicht in Widersprüche und ich kann Ihnen dann nicht mehr helfen.“
„Herr Kommissar, muss ich nun mit einer Strafanzeige rechnen?“
„Das kommt ganz darauf an, was Sie jetzt sagen. Also, wo ist das entwendete Beweisstück?“
„Hauke hat ihn nach Neuharlingersiel gebracht. Er kennt dort einen Sportboothändler, der ihn verkaufen soll. Der Rocna-Anker war ja noch so gut wie neu.“
„Sie können von Glück reden, wenn das Teil noch nicht verscherbelt ist.“
Robert eilte zu seinem Wagen und ließ über Enno seinem Assistenten ausrichten, dass er ihn sobald wie möglich am Hafen abholen würde. Eine Stunde später traf er in der kleinen Marina von Neuharlingersiel ein und fand auch sofort den Sportboothändler. Der Mann hatte zwar das Beweisstück aus hochwertigem Edelstahl inzwischen schön aufpoliert, aber noch nicht verkauft. Er glotzte ziemlich fassungslos aus der Wäsche, als der Kripo-Beamte ihm mitteilte, dass er in seinem Gebrauchtwarenangebot mutmaßliche Hehlerware entdeckt hätte, und er daraufhin mit einer Strafanzeige rechnen müsste. Aber der Geschäftsmann wusste tatsächlich nichts über die Vorgeschichte. Hauke Schortens hatte ihm nichts darüber erzählt. Robert konfiszierte den Anker und trug ihn auf seiner Schulter aus dem Geschäft.
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