Tödlicher Nordwestwind. Lene Levi
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Название: Tödlicher Nordwestwind

Автор: Lene Levi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738071719

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СКАЧАТЬ war's! Und dann hat Enno über Funk sofort die Küstenwache alarmiert!“, sagte Hauke und ließ das Segeltuch wieder fallen.

      „Was übrigens sehr umsichtig und richtig von Ihnen beiden war.“

      Robert schoss ein paar Fotos von der vorläufigen Lagerstätte der Leiche und fotografierte auch das Deck des Kutters: „Haben Sie zufällig auch die genauen Koordinaten der Fundstelle festgehalten?“

      Enno hatte sich unterdessen an der verbogenen Seilwinde zu schaffen gemacht, bevor er antwortete: „Natürlich, ist ja nicht meine erste Wasserleiche. Als erfahrener Seemann weiß man ja wohl, was in solch einer Situation zu tun ist. Ich habe die Koordinaten hier elektronisch im Logbuch gespeichert.“

      „Herr Kommissar“, warf Hauke ein, „wir sind übrigens der Meinung, dass es sich bei dem da vielleicht um einen dieser Hamburger Schnösel handeln könnte, die gern mal eine Party auf Papas Yacht veranstalten und dann besoffen ein unfreiwilliges Bad in der Nordsee nehmen.“

      „Wieso kommen Sie ausgerechnet auf Hamburg? Der Mann könnte doch genauso gut aus Groningen oder sonst woher stammen. Ist Ihnen sonst irgendwas Verdächtiges aufgefallen? Herumtreibende Wrackteile vielleicht oder ein gekentertes Beiboot?“

      Hauke zog ein dümmliches Gesicht und zuckte mit den Schultern: „Nein. Nicht, dass ich wüsste.“

      Aber Robert bohrte weiter und wendete sich nun gezielt an Enno, da ihm dieser Mann als der wesentlich Intelligentere erschien. Aber auch Enno zuckte nur mit den Schultern; ein leichtes Unbehagen war ihm dennoch anzumerken.

      „Mir fällt da auch nichts ein. Außer, dass es heute ein beschissener Tag auf See war.“

      Dabei lenkte er seinen Blick hinüber zur Kaimauer, wo sich neben dem Liegeplatz des kleinen Ausflugdampfers Etta von Dangast erneut eine Menschenmenge angesammelt hatte, um von dieser günstigen Position aus die Vorgänge an Bord des Kutters genau beobachteten zu können. Einige der Leute hielten sogar Handys und Kameras hoch über ihre Köpfe und begannen zu fotografieren. Enno reagierte wütend: „Herr Kommissar. Wir sollten zunächst dafür sorgen, dass diese saublöden Typen da endgültig vom Hafengelände verschwinden. Was meinen Sie? Ich jedenfalls habe nicht das geringste Interesse, mein Bild morgen in einem dieser Wurstblätter wiederzufinden.“

      Robert schritt eilig über das Deck, kletterte den Laufsteg hinüber und stellte sich erneut direkt vor die Gaffer auf die Kaimauer. Noch bevor jemand eine Frage an ihn richten konnte, blaffte er die Leute an. Diesmal zeigten seine verbalen Ausfälle offenbar eine spürbare Wirkung, da er auch seinen Dienstausweis hochhielt. Nachdem sich die Neugierigen wieder verstreuten, telefonierte Robert mit seiner Dienststelle und blickte dabei von oben herab auf das durch die Ebbe immer tiefer absinkende Schiffsdeck, auf dem die beiden Fischer noch immer standen und warteten. Dann informierte er die beiden Männer von der Kaimauer aus:

      „Ich habe die zuständige Polizeidienststelle informiert. Die Leute von der Spurensicherung und die Rechtsmedizin müssten bald hier eintreffen.“ Er verspürte ein leichtes Unbehagen, doch er wandte sich nochmals an Hauke: „Würden Sie bitte die Freundlichkeit besitzen mir die Leiche noch einmal zu zeigen? Ich möchte nur von hier oben aus kurz ein paar Aufnahmen machen.“

      „Wie bitte?!“, stotterte Hauke Schortens. „Hat der Kommissar eben was von Spurensicherung gesagt?“

      Er warf einen verstohlenen und zugleich vorwurfsvollen Blick auf Enno. „Hab ich´s dir nicht gleich gesagt? Der Kerl wird uns nur `ne Menge Ärger machen!“

      Enno reagierte nicht auf Haukes Geschwafel, sondern schob ihn unsanft beiseite, um das Segeltuch über der Leiche vollständig zu entfernen. Nachdem Robert seine Fotos geschossen hatte, kletterte er wieder hinüber auf das Deck.

      „Die Leiche wird noch heute zur Obduktion in die Gerichtsmedizin nach Oldenburg überführt. Dorthin kommen sie übrigens alle, egal ob Selbstmord oder Badeunfall.“ Dann streifte er sich Latexhandschuhe über die Hände und betrachte die Leiche aus geringer Distanz. Der Tote war fast vollständig bekleidet. An seinem rechten Fuß trug er einen Sneakers aus feinem Leder. Der linke Schuh fehlte. Und er wies am Hinterkopf eine große Platzwunde auf. Am rechten Handgelenk trug er eine Armbanduhr. Robert kannte zufällig diese Marke, da er schon einmal bei einem Mordfall in seiner Berliner Zeit mit solch einer Uhr zu tun gehabt hatte. Weitere Besonderheiten konnte er jedoch nicht auf den ersten Blick feststellen. Aber das war auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht so wichtig, denn am nächsten Tag würde sich ohnehin die Gerichtsmedizin ausführlicher mit dem Toten aus dem Meer beschäftigen.

      Als er wenig später in sein Auto stieg, brach fast im gleichen Augenblick der erwartete Wolkenbruch los und ein heftiges Hitzegewitter verwandelte den kleinen Nordseehafen in eine gespenstische Theaterszenerie aus zuckenden Blitzen und Donnergrollen. Die bis zuletzt ausharrenden Gaffer waren eilig in ihre Wohnwagen auf dem Campingplatz geflüchtet und Robert beobachtete durch die Windschutzscheibe seines Wagens das einzigartige Naturschauspiel zwischen Himmel und Erde. Dicke Regentropfen prasselten wie ein ausgeschütteter Sack Erbsen auf das Dach seines Wagens. Der Kommissar fühlte sich seltsamerweise in diesem Moment wie nach einer langen Reise endlich zu Hause angekommen. Dieser Enno, so kam es ihm plötzlich in den Sinn, könnte vermutlich der Sohn seines alten Schulfreundes Jülf Fedder aus Varel sein, mit dem er zusammen die achte Klasse wiederholen durfte. Er erinnerte sich plötzlich ganz genau daran. Diese Ehrenrunde aus ihrer gemeinsamen Schulzeit hatte sie einst zu Freunde werden lassen. Zusammen verbrachten sie damals so manches Wochenende hier an dem kleinen Sandstrand zwischen Hafen und dem Alten Kurhaus. Es waren kurzzeitig auftauchende Gedankensplitter, die ihm jetzt plötzlich wieder einfielen; Erinnerungen an ausgiebige Schlickschlachten, an kleine improvisierte Partys mit Dosenbier, Musik von Led Zeppelin und Lagerfeuer am nächtlichen Strand. Und natürlich an die hübschesten Mädchen aus der Gegend, die immer mit dabei waren. Irgendwann verloren sie sich aus den Augen. Jülf half damals im Geschäft seiner Eltern aus, als Robert beschloss, die Polizeischule zu besuchen. Sein Freund und er trugen zu dieser Zeit so lange Haare, dass sie ihnen fast bis zum Hintern reichten. Er erinnerte sich an den typischen Wattgeruch, der selbst durch ausgiebiges Schrubben nicht aus den Hautporen auszuwaschen war, und an die verrückt gekleideten Freaks, die hier auf dem Deich ihre selbstgebauten Riesendrachen steigen ließen. Bei jedem kräftigen Windstoß hoben sie damit ab und landeten irgendwo da draußen im Matsch. Er musste auch an seine Großmutter Lina denken, die früher hier in der Nähe noch eine kleine Gastwirtschaft betrieben und die ein streng gehütetes Familiengeheimnis für ihre Nachwelt hinterlassen hatte.

      Dieser alte und inzwischen fast wieder vergessene Badeort und seine Umgebung, das bedeutete Robert damals sehr viel. Was es genau war, ließ sich nur sehr schwer in Worte fassen. Es war vielleicht sowas, wie sein ganz privates Woodstock des Nordens. Hier veranstalteten sie in den 70ern sogar kleine Open-Air-Konzerte. Es war ein magischer Ort der Erinnerungen und einer der letzten Privatstrände an der Nordsee, der bis zum heutigen Tag gebührenfrei allen Besuchern offenstand. Robert fiel nur ein Wort ein: Freiheit. Ein seltsamer Begriff, der sich im Laufe seines Lebens unzählige Male umdefinierte. Hier aber hatte er für Robert seine Allgemeingültigkeit erhalten.

      Er lächelte. Das alles lag nun schon Jahrzehnte zurück. Er konnte sich bei diesem Gedanken ein leicht verschmitztes Grinsen nicht verkneifen. Was ist bloß aus diesen alten Träumen geworden? Ob Jülf überhaupt noch lebte?

      Der Wolkenbruch hörte so plötzlich auf, wie er begonnen hatte, aber das Gewitter tobte noch immer ziemlich heftig. Robert stellte den Scheibenwischer seines Wagens aus und sah hinüber bis zur Horizontlinie, die sich als farbig abgehobener Strich zwischen Himmel und Wasser in der schmalen Öffnung des Jadebusens hin zum offenen Meer deutlich erkennbar abzeichnete. Und was ist heute aus diesem einst so verwunschenen Ort geworden? Einzig und allein stand da noch das Alte Kurhaus, fast wie ein einsamer und stoischer СКАЧАТЬ