Block 4.2. Eric Scherer
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Название: Block 4.2

Автор: Eric Scherer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783746780184

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СКАЧАТЬ den Wald, und keinen, wo sich länger und leichter überleben ließ.

      Nicht umsonst hat auch Atze, als er uffem Betze noch das Zepter schwang, einmal die Worte gesprochen: „Wenn es uns schlecht geht, müssen wir in den Wald, um unsere Wunden zu lecken. Und wenn es uns dann wieder gut geht, kommen wir raus und hauen den Großen auf den Kopf.“

      So sind wir Waldmenschen, genau so. Wie Robin Hood. Der Wald macht uns keine Angst, selbst in seiner tiefsten Dunkelheit nicht. Da mögen andere ihm noch so viel Unheimlichkeit angedichtet haben, wohlgemerkt: angedichtet. Die ganzen Geschichten um Elfen, Trolle und zahnlose Hexen, die im Wald hausen. Alles Blödsinn, nichts als Hirngespinste. Herausgehört aus dem Rauschen der Baumwipfel oder Fehlwahrnehmungen in trügerischem Licht, wenn die Sonne nur in ungeordneten Strahlenbündeln in den Wald hineinleuchtet. Ganz zu schweigen vom Nebel, in dem alle möglichen Schemen ausgemacht werden, wenn er durch den Wald wabert, vor allem in der Dämmerung. Hexenweiber, Fabelwesen oder Wiedergänger, manchmal sind sie kaum zum Aushalten, die Gruselmärchen, die vor solcher Kulisse schon gesponnen worden sind. Und gefräßiges Getier, vor dem sich der Mensch fürchten muss, haust im Wald schon lange nicht mehr. Es gibt überhaupt kein Getier mehr, vor dem der Mensch sich fürchten muss, eher umgekehrt.

      Da kann der Wald in der Nacht also noch so tiefschwarz sein und bedrohlich wirken, fürchten müssen sie ihn nicht.

      Albin blickt erneut auf sein iPhone. „Google Maps“ heißt diese Navigations-App. Auf der ist ein blauer Ball, der sich über eine Landkarte bewegt. Auf der sind nicht nur Straßen, sondern auch Wanderwege eingezeichnet. Und die führen wesentlich gradliniger durch den Wald.

      Albin setzt seinen Standort ins Startkästchen und tippt als Ziel den Betze ein.

      Tatsächlich: Mit dem Auto sind es fast sechzig Kilometer, zu Fuß durch den Wald weniger als vierzig. Und sie haben immer noch vierzehn Stunden Zeit. Das sind weniger als drei Kilometer pro Stunde. Die ersten sechs, sieben Kilometer bewegen sie sich auf asphaltierten Wegen, da schaffen sie locker vier Kilometer. Theoretisch können sie sich also sogar die ein oder andere Pause gönnen. Theoretisch ...

      Wenn die Wege zu schlammig werden für Antons Rollstuhl, klappen sie ihn einfach zusammen, einer trägt den Rollstuhl, der ist wirklich nicht schwer, und der andere Anton huckepack, das schaffen sie schon, Anton wiegt nicht mehr viel, Albin ist von Natur aus kräftig und der Champ immer noch gut durchtrainiert. Albin hat zwei ordentliche Handlampen im Auto, die hat er sich vor Jahren mal zugelegt, weil sie dann und wann nachts in den Wald fahren, um sich Brennholz zu besorgen. Sicherheitshalber können sie ja an der nächsten Tanke noch mal ein paar Batterien nachkaufen, damit ihnen nicht mitten im Wald der Saft ausgeht.

      Und im Gepäck haben sie jetzt noch zwei Andurln, ein Pfälzer Zwiebelbrot und zweiundzwanzig Dosen Parkbräu. Einundzwanzig, denn eine hat Albin ja mittlerweile seinem Schwiegervater gereicht, und dem Champ drückt er am besten auch gleich eine in die Hand. Hat er sich schließlich verdient. Das macht noch zwanzig für unterwegs. Verhungern werden sie also nicht, verdursten erst recht nicht.

      Je länger Albin drüber nachdenkt, desto überzeugter ist er: Es könnte funktionieren. Vielleicht würde er diesen Plan sogar für einen guten halten, wenn er nüchtern wäre.

      „Champ?“, wendet Albin sich an den Freund.

      Der schaut ihn nur wortlos an. Der Champ ist eben alles andere als ein Schwätzer.

      „Was hältst du davon, wenn wir laufen?“

      „Wohin?“, fragt der Champ.

      „Uff de Betze.“

      Der Champ zuckt nur mit den Achseln.

      Dann ist es also entschieden. Albin schluckt. Hat nicht vielleicht ein Teil von ihm gehofft, der Champ würde Widerstand leisten, würde sagen, wie bitte, du bist verrückt, das kannst du doch nicht im Ernst meinen?

      Egal. Sie werden laufen. Und es wird hart werden. Vor allem für Albin mit seinen einhundertzehn Kilo. Die unbarmherzig auf seine Knie drücken werden, auf die viel zu kleinen, bereits überlasteten Knorpel, die die Unterschenkelknochen abfedern sollen, die viel zu schief im Kniegelenk stecken, und auf seine platten, schrägen Füße, auf denen sich sein Gewicht völlig ungleichmäßig verteilt, das hat ihm ein Orthopäde mal bestätigt. Die Bänder und Sehnen werden sich dehnen, bis hoch zum Arsch, seine Füße und Gelenke werden schmerzen, mit jedem Schritt mehr, vor allem, wenn es bergauf geht, und er wird zu schwitzen beginnen und die Luft wird ihm wegbleiben. Und es wird oft bergauf gehen, da täuscht die Landkarte mit dem blauen Ball auf seinem iPhone, darüber ist Albin sich im Klaren, denn auf diesem Bildschirm sieht alles nur flach aus.

      Aber er wird durchhalten. Weil er durchhalten muss. Sie werden morgen, vierzehn Uhr, im Block 4.2 sitzen. Und de Betze wird gewinnen, nicht absteigen und weiterbestehen. Weil er Anton mitgebracht hat. Das ist seine Mission, und die wird er erfüllen.

      Und dieser Stern, der da überm Betze strahlt, ist keine Einbildung.

      Man kann mal schlecht spielen, aber nie schlecht kämpfen. Hat Kalli immer gesagt. Also wirst du kämpfen. Und gewinnen. Den Schinken vom Giebel holen. Auch das hat Kalli immer gesagt.

      Als sie sich auf den Weg machen, zeigt sich der Mond in seiner vollen Pracht und taucht ihre kleine Welt in ein tiefes Blau, vor dem sich ihre Silhouetten wie Scherenschnitte abzeichnen. Die füllige Statur des breitschultrigen Albin, die schmale, asketische und hochgewachsene des Champ, und, zwischen beiden, die kugelige Erscheinung des gebeugten Anton in seinem Rollstuhl.

      Unter dessen Sitz verstaut ist eine Sporttasche mit zwei Andurln, einem Pfälzer Zwiebelbrot und zwanzig Dosen Parkbräu. Das heißt: Neunzehn, denn der Champ hat mittlerweile eine weitere geöffnet und trinkt von ihr, während er marschiert.

      Außerdem hat Albin noch den Verbandskasten aus dem Libero genommen und unter dem Rollstuhlsitz verstaut. Eine spontane Eingebung, die er kurz vorm Aufbruch noch hatte. Zur Sicherheit. Eine Option für den Fall, dass es am Ende vielleicht doch ganz hart kommt, falls sich seine Idee als doch nicht so gut erweist, vielleicht sogar als gefährlich für ihn und seine Gefährten, insbesondere Anton. Weil sie sich vielleicht als Ausgeburt des Dämons Alkohol herausstellt, als Schnapsidee halt, die ihm da wieder einmal in den Kopf gefahren ist. Wie die vielen anderen, die er schon hatte. Wer sie alle aufgezählt haben möchte, braucht nur Heidrun zu fragen, die tut das mit Begeisterung.

      Der Stern leuchtet immer noch überm Betze. Und, doch, er ist deutlich zu sehen, das ist kein Hirngespinst, das ist kein Streich, den ihm sein angetrunkener Kopf spielt. Da ist Albin sich absolut sicher. Im Moment jedenfalls. So einigermaßen.

      Recht und Pizza

      Lea wird diesen Dialekt nie verstehen. Was auch ein Schlaglicht auf ihre eigene große Lebenslüge wirft. Dass sie deswegen Uniform trägt, weil sie näher bei den Menschen sein will, ein echter Freund und Helfer eben. Als Kripo-Beamtin dagegen, was sie dank Abitur und Jurastudium ebenfalls sein könnte, wäre sie ja doch nur dazu da, die Menschen ihren Strafen zuzuführen, denn der Kripo-Beamte tritt immer erst auf den Plan, wenn die schlimmen Taten bereits begangen sind. Der Schupo dagegen, der hat manchmal wenigstens die Chance einzugreifen, wenn noch nicht alles entschieden ist, der kann noch dazwischengehen, zureden, einwirken, das Schlimmste verhindern, vielleicht.

      Hat sie diesen Blödsinn tatsächlich irgendwann einmal geglaubt? Dann sollte sie sich spätestens jetzt davon verabschieden. Sie ist über vierzig, leitet eine Polizeiinspektion im tiefsten, schwarzen Wald und versteht die Sprache der Waldbewohner nicht.

      Oder kaum.

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