Название: Block 4.2
Автор: Eric Scherer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783746780184
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Ist irgendwie auch Scheiße.
Albin flucht.
Absichts- und gedankenlos tapst Albin auf die Kompass-App, malt eine Acht in die Luft, damit diese sich einnordet. Dann schaut er wehmütig in die Richtung, in die die virtuelle Nadel zeigt. De Betze liegt von ihnen aus auf einer fast geraden Linie Richtung Norden. Da drüben, hinter den sieben Bergen, erhebt sich de Betze, stolz und mächtig, schicksalsträchtig …
Luftlinie beträgt die Entfernung von ihrem aktuellen Standort grade mal vierzig Kilometer und ein paar Zerquetschte. Bis zum Spiel sind es noch fast vierzehn Stunden. Eine Ewigkeit, und dennoch scheint es keine Möglichkeit zu geben, diese lächerliche Distanz in dieser Zeit zu überbrücken.
Das darf doch nicht wahr sein.
Albins Blick heftet sich immer sehnsüchtiger an den Horizont. Bis seine Augen zu Glas werden.
Da!
Da blinkt was. Im Norden. Exakt überm Betze.
Ein Ami-Flugzeug, oder?
Aber es bewegt sich nicht. Das blinkende Licht bleibt einfach auf der Stelle stehen. Und es blinkt eigentlich auch gar nicht. Es ist einfach ein gelber Punkt am Firmament, der heller strahlt als alle anderen.
Ein Satellit vielleicht. Doch auch der würde blinken. Oder irgendwie anders leuchten.
Also doch ein Stern. Aber was für einer.
Albin bestätigt es sich mit einem weiteren Blick auf die Kompass-App. In der Tat: Der Stern leuchtet im Norden, exakt überm Betze. Kein Zweifel …
Komm, hör auf, Albin. Das bildest du dir ein. Du bist besoffen, vergiss das nicht.
Versuch lieber, den Libero doch irgendwie aufzustellen, und du wirst sehen, er wird anspringen und ihr könnt damit einfach wegfahren. Die simplen Lösungen erweisen sich am Ende doch immer als die besten.
+ + +
Es ist zum Verrücktwerden. Zum Mit-dem-Kopf-gegen-eine-Betonwand-Rennen. Zum Speien, zum „Scheiße“-Schreien.
Der Libero liegt leicht in der Schräge, seine Räder zeigen die Böschung hinauf. Ihn gegen die Neigung aufzurichten, ist mit zwei Mann unmöglich. Rollen sie ihn vom Hang weg, müssten Albin und der Champ ihn um die eigene Achse drehen, ihn erst aufs Dach stellen, dann auf die Seite klatschen lassen und erneut aufstellen. Selbst wenn sie das hinbekämen, würde er dabei wohl erst recht kaputtgehen. Sofern er das nicht bereits ist.
Hat sich denn alles gegen ihn verschworen?
Durchgeschüttelt von dieser Wut, die sich durchs Bauchfell frisst, weil sie nicht weiß, gegen wen sonst sie sich richten soll, blickt Albin abermals gen Norden. Der Stern leuchtet noch immer, immer noch über der gleichen Stelle, überm Betze … Doch, doch, so langsam kannst du es nicht mehr vor dir selbst verleugnen, die virtuelle Kompassnadel lügt nicht …
Anton haben sie eine von den Andurln in die Hand gedrückt, die sie bei Werner mitgenommen haben. Ein Stück Zwiebelbrot hat Albin ihm auch gereicht. Einfach abgebrochen vom frischen Laib.
Bekommst du längst nicht mehr überall, so eine Andurl und so ein Zwiebelbrot. Nur bei ausgesuchten Metzgern und Bäckern, Werner weiß natürlich bei welchen, irgendwo auf der Höhe besorgt er sie und vertickt sie unter der Hand an seine – ebenfalls ausgesuchten – Stammgäste. Zwiebelbrot und Andurln waren eigentlich als Wegzehrung für morgen gedacht, dazu haben sie bei Werner eine Palette Büchsenbier eingeladen, Parkbräu, kriegst du auch nicht immer überall, aber es muss nun einmal Büchsenbier sein, wenn es uff de Betze geht, Tradition ist Tradition. Vor allem, weil Anton nichts mehr so vertraut ist wie Tradition, die sich verputzen lässt. Albin weiß das. Das Hirn des Alten mag langsam zu Mus werden, aber sein Gaumen vermag immer noch zu unterscheiden, was gut ist und was nicht. Und diese Andurln sind gut, verdammt gut, und Zwiebelbrot und Parkbräu-Dosenbier ebenfalls. Obwohl das Dosenbier eher eine Referenz an den Champ ist. Womöglich interessiert ihn das sogar noch mehr als Fußball, aber egal. Albin weiß natürlich um die Probleme, die der Büchsenmüll verursacht, nicht, dass er Ökofreak ist, doch wo sich mit Sinn und Verstand was tun lässt gegen Umweltverschmutzung, da ist er schon dabei. Normalerweise. Doch der Champ steht auf Dosenbier, und der Champ ist sein Freund.
Anton beißt knackend ein Stück von seiner Andurl ab. Bald hat er sie auf. Schon klar, er frisst mehr aus Nervosität denn aus Appetit. Wahrscheinlich weiß das noch funktionierende Stück Resthirn in seinem Schädel immer noch nicht, was es von dieser Geschichte halten soll, die sich da gerade abspielt. Wahrscheinlich wird er sofort wieder quengelig, wenn er die Andurl vertilgt hat, da ist er wie ein kleines Kind, wenn es nichts mehr zu tun hat, wird es quengelig. Ihm noch eine Andurl in die Hand zu drücken, kommt aber nicht in Frage. Dann wären ja schon zwei weg, und wer weiß, wann Werner wieder mal welche besorgen kann. Und ein bisschen was will Albin ja auch davon abhaben, denn er liebt diese kräftige, dicke Wurst, auf die sich nur noch wenige Metzger verstehen, da das Rezept nach alter Tradition nur von den Lippen des Metzgervaters ans Ohr des Metzgerbuben weitergegeben wird. Rind-, Schweinefleisch und Speck sind jedenfalls drin, dazu Kesselbrühe, und dann ist die Wurst in Buchenholz geräuchert worden. Albins Magensäfte beginnen sich schon zu rühren, wenn er nur daran denkt. Dass er nun auch noch zusehen muss, wie Anton sich den letzten Zipfel der ersten Wurst einverleibt, macht die Sache nicht besser.
Mein Gott, wenn er auch sonst nichts mehr kann, fressen kann er noch, der Alte.
Albin entschließt sich, ihm nun eine Dose Bier in die Hand zu drücken. Die soll er saufen, Medikamente hin oder her, irgendwie muss er den Alten ruhighalten, denn wenn der jetzt auch noch nervt, dreht Albin vollends durch.
Verzweifelt schaut er ein weiteres Mal nach Norden. Der Stern leuchtet weiter, fast scheint es, noch ein Stück heller als zuvor ...
Kann es denn wirklich sein? Kann es wirklich sein, dass hier irgendjemand – sprechen wir es ruhig aus: eine höhere Macht – ihm sagen will: Trau dich! Tu es! Mach es!
Aber soll das gehen? Mit Anton im Gepäck?
Gut, es sind nur vierzig Kilometer. Und noch vierzehn Stunden Zeit. Doch dazwischen liegt nichts als Wald. Sehr viel Wald. Zu viel Wald. Tiefschwarzer Wald, durch den niemals durchzufinden ist, nicht mitten in der Nacht.
Obwohl: Da sind doch überall Schilder für Wanderer angebracht. Und es gibt Lampen im Libero. Und du hast so eine Navigations-App auf dem iPhone.
Vergiss es. Du bist besoffen. Oder zumindest angetrunken.
Andererseits: Sie sind Kinder dieses Waldes, mehr oder weniger. Er kann ihnen doch keine Angst machen, so schwarz und bedrohlich er sich auch zeigt in der Nacht, es ist der gleiche Wald wie am Tag. Der Wald, der ihnen und ihren Vorfahren immer Schutz gewährt hat, über Jahrhunderte hinweg. Der Wald, aus dem sie doch alle stammen, in dem sie gelebt haben, sich an Ästen vorwärts geschwungen haben wie die Affen, bis sie irgendwann aus ihm herausgekrochen sind, vor Abertausenden von Jahren, um in den Ebenen das aufrechte Gehen zu lernen, das Geschäftemachen und das Jemand-anders-als-die-eigene-Blutsverwandtschaft-Vögeln. Und auch als sie ihre Dörfer und Städte errichtet hatten, sind sie immer wieder in den Wald zurückgekehrt, um sich Wild zu schießen, Beeren zu pflücken und Holz zu schlagen. Und wenn Mördervolk durch die Lande zog, sind sie aus СКАЧАТЬ