Die Toten am Kleistgrab. Harro Pischon
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Название: Die Toten am Kleistgrab

Автор: Harro Pischon

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783737502290

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СКАЧАТЬ nein. Ich bin Psychiater. Es dauert noch etwas, bis die Schmerzen wieder erträglich sind und ich voll arbeiten kann. Kleist interessiert mich seit meiner Jugend.“

      Beate hatte sich in den benachbarten Sessel gesetzt, ohne an die Privatheit dieser Geste zu denken. „Und gibt es etwas, womit Sie sich im Augenblick besonders beschäftigen?“

      „Doch, ja. Wissen Sie, Kleist war Anfang des 19. Jahrhunderts zweimal in der Schweiz – in Thun. Das erste Mal wollte er am liebsten in der Schweiz bleiben und Bauer werden: Ein Haus bauen, einen Baum pflanzen, ein Kind zeugen. Er war in allen drei Dingen recht unbegabt. Aber es war eine interessante Zeit. Er wohnte auf einer Insel in der Aare am Ende des Thuner Sees. Ich bin sicher, er hat damals angefangen, sich mit Robert Guiskard zu beschäftigen.“

      „Ach, Sie wissen, dass das der Schwerpunkt von Richard Dehmel war?“

      „Natürlich, das weiß jeder. Er ist doch überall hingefahren und hat recherchiert. Wo immer Kleist auch sich mit Guiskard beschäftigt hat: Thun, Weimar, Dresden, Paris.“

      „In Dresden auch?“

      „Ja, Sie kommen aus Dresden?“

      „Hört man das immer noch?“

      „Ein bisschen, aber es könnte auch Leipzig sein oder Halle.“

      „Wie gut kannten Sie Richard Dehmel?“

      „Zurück zum Dienst, Frau Hauptkommissarin. In Ordnung.“ René setzte sich aufrecht.

      Beate errötete.

      „Also, ich kannte ihn nicht privat. Bis auf unser gemeinsames Interesse für Kleist leben wir in verschiedenen Welten. Ich habe ihn ein paarmal im Theater gesehen, zuletzt auch mit der Czerny. Es schien, als laufe da etwas. Ansonsten fand ich ihn sehr ehrgeizig und vor allem in maßloser Konkurrenz zu Wolters, den Sie gerade noch gesehen haben.“

      „Konkurrenz?“

      Er beugte sich vor und sagte in verschwörerischem Ton: „Ich halte Wolters für einen Neidhammel erster Güte. Ich kann mir gut vorstellen, dass er Dehmel das entstehende Buch über Kleists „Guiskard“ nicht gönnte, dass er es selbst hätte schreiben wollen. Er ist der typische Brutus.“

      „Der mit dem Dolch im Gewande.“

      „Ja, obwohl diese Formulierung aus der „Bürgschaft“ von Schiller ist.“

      „Aber das reicht noch nicht aus, um einen Mord zu begehen, oder?“

      „Für Mordmotive sind Sie die Spezialistin, angeblich werden ja Menschen aus geringfügigen Anlässen ins Jenseits befördert. Aber ich verstehe vor allem die Inszenierung am Kleistgrab nicht, wenn Neid und Konkurrenz die Motive sein sollten. Da winkt jemand mit dem Zaunpfahl der Eifersucht. Ich beneide Sie nicht um Ihre Aufgabe.“

      Beate mühte sich aus dem Sessel.

      „Gut, dass Sie mich daran erinnern. Ich habe einen Arbeitsplatz.“

      Sie zog eine Visitenkarte aus der Tasche und bevor Sie noch etwas sagen konnte, lachte René: „Und jetzt kommt der Klassiker: 'Sie können mich gerne anrufen, wenn Ihnen noch etwas einfällt.'“

      Beate lachte mit und sagte beim Gehen: „Aber noch nicht jederzeit. Vielen Dank für das Gespräch. Ich habe einiges erfahren.“

      „Auf Wiedersehen, Frau Lehndorf“, sagte René ernst.

      Auf dem Weg zum Bahnhof dachte Beate, dass sie sich lange nicht mehr in einem Gespräch so wohl gefühlt hatte.

      8 Mittwoch

      Menzel fuhr auf der Greifswalder Straße nach Weißensee. In der Wohnung der Czerny war auch ein Bruno Weninger gemeldet, offenbar ein Freund oder Lebensgefährte des Opfers. Telefonisch hatte Menzel einen Termin vereinbart, an dem er den Mann in der Wohnung antreffen konnte.

      Es passte ihm gar nicht, dass er sich um den Umkreis der Czerny kümmern musste, hatte ihn doch der Charme der Schauspielerin auch nicht gleichgültig gelassen. In ihrem Privatleben herumzustöbern erschien ihm fast anstößig. Und Beate mit ihrem leicht proletarischen Auftreten konnte sich mit den Herren der Kleistgesellschaft amüsieren, wo er doch viel besser hinpasste.

      Menzel parkte den Dienstwagen, er hatte den neuen A 4 ergattert, vor dem Haus an der Ecke Bizet- und Mahlerstraße. Die Eckbalkone erinnerten ihn an den Film „Sommer vorm Balkon“.

      Die Wohnung lag im dritten Stock. Nachdem er geklingelt hatte, dauerte es eine Weile, bis sich die Tür öffnete. Vor Menzel stand ein knapp fünfzigjähriger Mann, gekleidet mit betont lässiger Eleganz und mit einem Seidenschal um den Hals. „Weninger – und Se san der Herr Kommissär“, sagte der Mann in der Tür und streckte die Hand zum Gruß aus. „Menzel“, sagte der Kommissar und stöhnte innerlich. Er konnte die gedehnte, verschleppte und vernuschelte Sprechweise der Wiener nicht ausstehen.

      „Darf ich hereinkommen?“

      „Aber natürlich, entschuldigen'S, dass ich Sie so lang stehen lass, bittschön!“ Weninger führte Menzel in die Wohnung, die karg, aber sehr geschmackvoll eingerichtet war. Menzel sah sich anerkennend um. „Sie sind Innenarchitekt?“

      „Danke für das Kompliment, aber nein. Ich bin Kunsthändler und Galerist. Das wollten Sie doch wissen. Setzen Sie sich doch, darf ich Ihnen was zu trinken anbieten? Kaffee? Oder gehören Sie zur Grünteefraktion?“ Weninger steuerte auf einen Eichenholztisch zu, Menzel bat um ein Mineralwasser.

      „Schrecklich, die G'schicht mit Kathi. Ich kann's immer noch nicht fassen. Wissen Sie denn schon etwas?“

      Menzel verneinte und bezähmte seinen Unmut über den ungeliebten Dialekt.

      „Sie haben mit Frau Czerny hier zusammengelebt?“

      „Ja, eh. Im letzten Jahr hab ich für uns diese Wohnung gekauft und eingerichtet.“

      „Hatte Frau Czerny hier ein eigenes Zimmer?“

      „No, des derfens glaub'n. Ohne ihren eigenen Bereich hätt ich sie nie hierher locken können. Sie brauchte ihre Rückzugsmöglichkeit zum Telefonieren, Mails schreiben, auch zum Rollenstudium.“

      „Kann ich das Zimmer mal sehen?“

      Weninger schmunzelte. „Müsst ich jetzt nicht die Frage stellen, ob Sie einen Durchsuchungsbeschluß haben, oder?“

      Menzel reagierte unwirsch: „In einem schlechten Roman vielleicht. Es handelt sich aber um das Zimmer eines Opfers. Ich will ja nicht Ihr Zimmer sehen, falls Sie hier eins haben.“

      Weninger antwortete nicht, öffnete eine Tür, die in das Balkonzimmer führte und ließ Menzel alleine. Dem war etwas unwohl, als überschritte er eine Grenze, die er in der Phantasie gerne verletzt hätte, aber nun stand er wirklich in ihrem Zimmer. Er hatte erwartet, dass eine Schauspielerin ihre Porträts und Rollenfotos an die Wand hängt. Es gab zwar viele Fotos, aber keine, die auf Eitelkeit schließen ließen. Allenfalls ließ sich aus den Bildern ihre Entwicklung als Schauspielerin erschließen. So gab es Fotos mit als Vögel maskierten Jugendlichen – offensichtlich eine frühe Schulaufführung, außerdem fotografierte СКАЧАТЬ