Название: Die Toten am Kleistgrab
Автор: Harro Pischon
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783737502290
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„Am besten fahren wir ins Präsidium, ich kann Sie gerne mitnehmen.“ Beate führte sie zu ihrem alten Golf.
„Im Fernsehen fahren Kommissare immer die neuesten Modelle. Ist das Ihr Dienstwagen?“, fragte die Mattwey-Dehmel maliziös.
„Ah, Sie vergessen den Kieler Tatort, da fährt der Kommissar einen alten Passat privat wie im Dienst – so wie ich“, konterte Beate. „Haben Sie kein Auto?“
„Doch, aber im Stadtverkehr ist es mir zu mühselig. Da nehme ich lieber ein Taxi. Oder lasse mich von der Polizei fahren.“
Beate registrierte wohl, wie Melanie Mattwey-Dehmel versuchte, herablassend zu sein. Entweder kompensiert sie den Schock der Konfrontation mit ihrem toten Gatten oder sie hält mich für unbedarft, dachte sie.
Am Fehrbelliner Platz angekommen, wo auch die Mordkommission 115 im LKA beheimatet war, gingen sie in das Büro von Beate.
„Möchten Sie etwas trinken?“, fragte Beate.
„Nur wenn der Kaffee besser ist als in Fernsehkrimis“, spielte die Mattwey-Dehmel weiter.
Beate spielte mit. „Die Automaten mit dem Spülwasser gibt es wirklich nur in mäßigen Krimis. Pads machen auch ordentlichen Kaffee.“ Sie füllte frisches Wasser ein und bereitete zwei Tassen zu.
„Was hat Ihr Mann mit dem Kleistgrab zu tun?“, fragte sie.
„Nun, er ist Literaturwissenschaftler an der FU Berlin und stellvertretender Vorsitzender der KGB.“
„Der was?“
„Der Kleist-Gesellschaft-Berlin. Richards Spezialgebiet war Kleist, insbesondere die Dramen. Ich nehme an, Sie kennen wenigstens den „Zerbrochenen Krug.“
Beate sagte zu dieser Unverschämtheit nichts, neigte nur den Kopf. „Und Frau Czerny? In welchem Verhältnis stand sie zu Ihrem Mann?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie haben sich in letzter Zeit wohl öfter getroffen. Was sich dabei abgespielt hat, weiß ich nicht.“
„Nun, sie war eine junge, sehr hübsche Person.“
„Wenn Sie glauben, ich sei eifersüchtig gewesen, dann irren Sie gewaltig. Richard und ich wussten, was wir aneinander hatten. Das kann eine kleine Schauspielerin nicht ändern.“
„Und doch wurden beide als Liebespaar im gemeinsamen Tod dargestellt.“
„Ich habe dafür keine Erklärung.“
„Frau Mattwey-Dehmel, unter diesen Umständen könnte man Sie für verdächtig halten.“
„Sie irren auch hier. Ihr Verdacht steht Ihnen doch auf die Stirn geschrieben. Meinen Sie etwa, ich falle auf Ihre aufgesetzte Freundlichkeit herein?“
„Was haben Sie gestern Abend und in der Nacht gemacht?“
„Sie dürfen mich auf Ihre Fall-Tafel schreiben. Ich war zu Hause – allein. Mich nach einem Film zu fragen ist sinnlos. Ich habe Musik gehört und habe gelesen. Gegen Mitternacht bin ich zu Bett gegangen.“
„Vielen Dank für das Gespräch, Frau Mattwey-Dehmel. Bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung.“ Beate begleitete sie zur Tür und sah ihr nach, wie sie aufrecht den Gang hinunterschritt. Warum zeigt sie kein Gefühl?, dachte sie. Verbirgt sie ihren Hass, ihre Eifersucht und ihre Kränkung, um sich nicht zu verraten? Oder muss sie dominieren? Sie wird uns noch beschäftigen.
4
Das Taxi fuhr weiter und sie ging in ihr Haus nahe der Krummen Lanke. Melanies Wut war verraucht. An ihre Stelle trat eine tiefe Erschöpfung. Wie hatte sie gekämpft um diesen Mann. Seit Wochen, ach was, seit Monaten, war er nicht mehr ansprechbar gewesen, nicht mehr da gewesen, auf Dienstreisen – angeblich, und immer in der Nähe dieser kleinen Schauspielernutte. Anfangs hatte sie ihn noch zur Rede gestellt: „Was hast du mit dieser jungen Schnepfe? Bin ich dir nicht mehr gut genug?“ Er hatte immer abgewiegelt, war ausgewichen: „ Mach dir keine Sorgen. Es geht nicht um eine Affäre. Es geht um mehr. Ich bin an einer Sache dran, größer als alles, was ich in meinem Leben geschafft habe. Sei geduldig!“
Ausreden. Die alte Leier. Er konnte das Älterwerden nicht ertragen. Seine sexuelle Unbeholfenheit wollte er immer aufs Neue bei einer Liebschaft überwinden. Nun war es zu Ende. Und doch wusste sie, dass die Wut nicht vorbei war, dass sie die Kränkung nicht überwunden hatte, dass die Erschöpfung wieder diesem Brennen weichen musste.
Sie setzte sich an den Flügel und schlug die Eingangsakkorde an, atmete tief und mit der Kraft einer alten Sehnsucht sang sie die Arie der Susanna aus „Le nozze di Figaro“:
Deh, vieni, non tardar, oh gioia bella,
vieni ove amore per goder t'appella...
Noch war ihre Stimme biegsam und kraftvoll, noch war ihr Körper ansehnlich. Sie würde es allen noch zeigen.
5 Montagnachmittag
Um 14 Uhr fand die Lage statt. Beate Lehndorf und Menzel informierten ihre Gruppe über den Erkenntnisstand, der nur aus der Identität der Opfer bestand und einigen Hinweisen auf ihre Tätigkeit. Das Hauptproblem im Augenblick war das offensichtliche Arrangement am Fundort, dem Kleistgrab. Wer hatte ein Interesse und warum, nicht nur die beiden zu töten, sondern sie derartig auszustellen? Für eine Irreführung - einem vorgeblichen verabredeten Selbstmord - war das Vorgehen doch zu durchsichtig. Am naheliegendsten war eine Eifersuchtstat, da der Literaturwissenschaftler mit der Schauspielerin ermordet wurde. Hier kam als erste die Ehefrau in Frage, aber auch einen Liebhaber der Schauspielerin könnte die Beziehung der beiden verletzt haben.
„Als erstes müssen wir die Opfer kennenlernen, ihre Beziehungen, ihre Kollegen, ihre Arbeit. Ich selbst werde mich um Dehmels Umfeld kümmern, du Wolfgang erkundest den Hintergrund der Schauspielerin. Außerdem müssen die Anwohner in der Bismarckstraße befragt werden, ob sie etwas wahrgenommen haben. Ihr kennt den vollen Namen von Andi..“ „An die Arbeit“, ertönte die gewohnte Antwort im Chor.
Menzel ging zu Beate. „Und ich sage dir, es war die Ehefrau. Ein Lebensgefährte der Czerny würde keine Kleistinszenierung veranstalten. Der würde höchstens den alten Knacker aus dem Weg räumen. Diese Ausstellung am Tatort zeigt doch, dass sich seine Frau geärgert hat.“
Beate schluckte den Ärger über Menzels selbstgefällige Gewissheit hinunter. „Du magst ja Recht haben, aber erstens brauchen wir Fakten und Beweise und zweitens ist mir die Erklärung doch zu vordergründig. Die Frau ist intelligent, sie würde es uns nicht so einfach machen.“
„Eifersüchtige Frauen sind nicht intelligent“, versetzte Menzel.
„Finde etwas über die Czerny heraus, wir müssen mehr wissen.“
„Es ist Zeitverschwendung, aber du hast das Sagen“, meinte Menzel. „Wenn ich Recht behalte, kostet es dich ein Essen bei „Wegner“ in der Dahlmannstraße.“
„Und СКАЧАТЬ