Schnee von gestern ...und vorgestern. Günther Klößinger
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Название: Schnee von gestern ...und vorgestern

Автор: Günther Klößinger

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783737520829

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СКАЧАТЬ Die Luft wurde knapp, ihr Herz pochte wild. Bass und Schlagzeug droschen auf ihre Wut, ihren Ekel, ihre Angst ein. Die letzten Reste von Hoffnung, die sie noch in sich trug, wurden unablässig von den heavy Sounds verprügelt, die Bilder der Erinnerung aus ihren Rahmen gefetzt. Alles bewegte sich auf einen einzigen letzten Ton zu, einen unermesslich hohen, schreienden, klagenden Laut. Gleichzeitig mit dem finalen Break der Band spielte Yasemin das höchste „G“, das ihre Saz hergab.

      Johlender Beifall wäre das Mindeste gewesen, was der Intensität dieses Solos gerecht hätte werden können, doch bleiern legte sich Schweigen über die Szenerie. Die Musiker starrten das Mädchen fassungslos an, das zitternd und tränenüberströmt in ihrer Mitte stand. Wie ein kleines Kind seine Puppe, presste sich Yasemin ihre Saz an die Brust.

      „Ich geh kurz hoch und mach mich frisch! Bestell mir doch bitte ein Wasser!“, flötete Ilka und war bereits in der Pension verschwunden. Prancock musterte nochmals skeptisch den Himmel: Solange kein Schamane die Wolken über dem „Joli Bois“ zum Abregnen bringen würde, wären die Chancen für eine gemütliche „Tea Time“ im Freien nicht mal so übel. Nur sehr vereinzelt saßen Gäste an den Gartentischen, tranken „Café au“ oder auch „sans Lait“, bearbeiteten verführerisch aussehende Kuchen und Tortenstücke mit edlen Gabeln oder schienen darauf zu warten, dass die Frühsommersonne ihr Aqua minerale verdampfte. Prancock suchte einen etwas abgelegenen Zweiertisch unweit einer friedlich dahinmodernden Gartenlaube. Er zog die Stühle hervor und setzte sich. Einige Sonnenstrahlen kitzelten ihn am Arm, ein schwaches Lüftchen regte sich, was man vom Personal allerdings nicht behaupten konnte. Musste man etwa an der Rezeption bestellen?

      „Monsieur?“ Wie aus dem Nichts ertönte eine Stimme hinter Prancock. Dieser fuhr erschrocken hoch und sah sich um: Da stand ein Ober, der direkt aus der Gartenlaube herausgetreten war, die wohl auch als Lager diente. Der Kommissar hatte nur den Haupteingang des „Joli Bois“ observiert. Nach dem Schreck schnaufte er erst mal durch.

      „Ein Wasser und einen schwarzen Tee, s’il vous plait!“, murmelte Fox verlegen.

      „Kuchen?“, hakte der Kellner nach.

      „Haben Sie eine Karte?“

      „Na klar!“ Der Ober wandte sich zum Gehen, blickte in Richtung Rezeptionseingang, machte wieder kehrt und trat dicht an Prancocks Tisch.

      „Monsieur?“, fragte er noch einmal, und bemühte sich dabei um Unauffälligkeit.

      „Ja, was denn noch?“, fragte der Kommissar zurück. Er hatte die Wartezeit für ein Minutennickerchen nutzen wollen. Erst jetzt sah er dem Kellner ins Gesicht und erkannte ihn wieder: Es war der Servierer vom Vorabend, der sich so bedeckt gehalten hatte, was Ilkas flirtintensive Nachfrage betraf.

      „Monsieur, gestern konnte ich nicht ganz frei sprechen, Sie wissen schon ...“ – er wies mit einer Handbewegung schnell in Richtung Eingang – „unser Chef wacht wie ein Höllenhund und Diskretion ist seine Bibel!“

      „Wären ,Die satanischen Verse’ bei einem Zerberus nicht angebrachter?“, schweiften Fox’ Gedanken ab, aber seine Neugier erwachte. Er fokussierte seine Aufmerksamkeit sogleich wieder auf den jungen Mann.

      „Sie haben nach diesem Engländer gefragt. Er fiel mir sofort auf, weil er einen deutschen Namen hatte, nicht etwa Smith oder Wesson ...“

      „... sondern ,Finkenwald‘!“, ergänzte Fox die Ausführungen des Mannes prosaisch.

      „Sie wissen?“, fragte der Ober. Er zog eine Schnute, als hätte ihn die Millionenfrage in einem Fernsehquiz völlig kalt erwischt

      „Nur den Namen“, winkte Prancock schnell ab, „sonst nichts. Warum ist er Ihnen noch aufgefallen?“

      „Nun“, sammelte sich der Servierer. Er starrte auf seine Finger, die versuchten, einen Knoten in die nächstbeste Serviette zu falten, „ich glaube, er hatte Angst.“

      „Angst? Wovor denn? Vor dem Höllenhund?“

      „Keine Scherze, Monsieur! Dieser Finkenwald hatte Angst. Wovor, weiß ich auch nicht, aber eines war auffällig!“

      „Und was?“ Fox wurde ungeduldig und senkte die Stimme. Er sah, wie sich feine feuchte Perlen auf der Stirn des jungen Franzosen bildeten. Scheu sah der Kellner sich um und beugte sich noch weiter zu Fox hinunter. Dieser konnte nun sogar das dezente Aftershave des Obers riechen.

      „Am Abend, bevor Finkenwald abreiste, war Monsieur Nocturne hier angereist ...“

      „Welch düsterer Name!“, witzelte Prancock, aber der Ober legte den Zeigefinger an die Lippen. Dann ging er wiederum näher an Fox heran und flüsterte: „Monsieur Nocturne sitzt zwei Tische weiter!“

      Prancocks Blick presste sich durch seine Augenwinkel und streifte einen Mann von drahtiger, sportlicher Figur, in einen eleganten Designeranzug gehüllt. Er war scheinbar in die Lektüre der „France Soir“ vertieft.

      „Okay, Nocturne checkt ein – und was war dann?“

      „Ich habe gesehen, wie Finkenwald beim Abendessen Nocturne einige Tische neben sich sitzen sah. Er erbleichte richtiggehend und gab die Speisekarte zurück. Schließlich bestellte er nur ein Wasser, das er dann mit auf sein Zimmer nahm. Er erschien nicht beim Frühstück. Zum Mittagessen kam er so spät, dass wir ihm fast nichts mehr serviert hätten – er hatte gewartet, bis Nocturne nicht mehr im Speisesaal war. Dann sah er Sie und Ihre Freundin und voilà – räumte er sein Zimmer!“

      „Merkwürdig“, sinnierte Fox, „ich habe nie zuvor von ihm gehört. Meinen Sie, er hat mich irgendwie ... erkannt?“

      „Ich denke schon! Vielleicht war es ja auch nur Ihr englischer Akzent oder Ihre bezaubernde ... äh, Verlobte! Wenn ich es recht bedenke, glaube ich, er hat Sie erkannt, ja!“

      Beide schwiegen. Es war klar, dass sie das Gespräch langsam beenden mussten, wenn sie nicht auffallen wollten.

      „Eine Frage noch“, wagte Fox einen letzten Vorstoß, „war sonst noch etwas auffällig an Finkenwald?“

      „Oui“, die Sprache des Obers nahm nun einen höchst unheilschwangeren Ton an, „er erkundigte sich immer nach der alten Violon-Mühle.“

      „Violon-was?“, wollte Prancock noch wissen, aber er erkannte das gehetzte „Game over“ im Blick des jungen Kellners.

      Vom Nebentisch ertönte, wie ein Schlussgong, der Ruf „Garçon!“.

      „Gut“, intervenierte Prancock laut und leutselig, „zweimal Kirschtorte ,Foret Noir‘ bitte!“, und klatschte auffordernd in die Hände wie ein Sklaventreiber aus der Kolonialzeit. Das brachte ihm umgehend peinlich berührte Blicke weiterer Gartengäste ein.

      Geraume Zeit später kamen Getränke und Kuchen, noch etwas später erschien Ilka. Sie erblickte die Torte und setzte sich, die Augen rollend, zu Fox.

      „Gut“, sagte sie mit einer Mischung aus Walrossschnauben und ,Frau Antje‘-Lächeln, „jetzt sind wir quitt!“

      „Warum?“, fragte Fox mit seiner berühmten Unschuldsmiene. Sie war ein echtes Paradestück, wegen dem man ihn ohne Intervention von „Amnesty International“ selbst beim jüngsten Gericht einfach durchwinken würde.

      „Du hasst Hummer, ich kann Schwarzwälder Kirsch nicht ausstehen!“

      „Kein СКАЧАТЬ