Название: Ein Herz zu viel
Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leo Schwartz
isbn: 9783738044577
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„Dort hinten im Gebüsch ist jemand,“ sagte Hans zu Leo, als sie die Kirche verließen. Die Spurensicherung war bereits unterwegs, Viktoria und Werner waren vor einer halben Stunde gegangen. Hans hatte die beiden weggeschickt. Auch, weil er einen Streit zwischen Viktoria und Fuchs vermeiden wollte; er hatte keine Lust auf den Mist.
„Du hast Recht. Auf drei. Eins, zwei, drei!“ Hans und Leo rannten los, woraufhin zwei Jungs aus dem Gebüsch auftauchten und versuchten, zu verschwinden. Die Polizisten waren schneller und bekamen sie nach wenigen Minuten zu fassen.
„Was macht ihr hier?“
„Die Frage kannst du dir sparen Leo. Meiner riecht nach frischem Zigarettenrauch und Bier. Schnupper mal an deinem,“ sagte Hans.
„Ihr habt hier geraucht und Bier getrunken? Wie alt seid ihr? Und warum seid ihr nicht in der Schule?“
Als beide Namen, Geburtsdaten und Adressen angaben, begann der, den Leo festhielt, zu weinen.
„So harte Jungs seid ihr also,“ sagte Leo und lockerte den Griff. Sie hatten den beiden einen gehörigen Schreck eingejagt.
„Wie lange seid ihr schon hier?“
„Seit halb 8,“ flüsterte der, den Hans festhielt. Leo und Hans erkannten sofort ihre Chance.
„Machen wir einen Deal. Ihr erzählt uns, was ihr gesehen habt. Dafür versprecht ihr uns, dass ihr nicht mehr raucht und keinen Alkohol mehr trinkt, bis ihr 16 seid. Die Schule nicht mehr zu schwänzen versteht sich von selbst. Und wenn wir mit den Informationen zufrieden sind, werden wir euch nicht an eure Eltern ausliefern. Deal?“
Die beiden Jungs sahen sich an und konnten ihr Glück kaum fassen.
„Deal,“ sagten sie beide. „Ich habe nicht viel gesehen. Hier ist morgens nicht viel los, deshalb kommen wir hierher. Ich schwöre, dass wir nur selten hier sind. Heute kam uns von der Kirche eine Nonne entgegen.“
„Das stimmt, ich habe sie auch gesehen.“
„Wie sah sie aus? Könnt ihr sie beschreiben?“
„Wie Nonnen halt so aussehen. Schwarz von oben bis unten. Um den Hals hatte sie eine Kette mit einem großen Holzkreuz. Wir haben sie gegrüßt, aber sie hat den Kopf weggedreht.“
„Wie alt war sie?“
„Keine Ahnung. Bestimmt alt, junge Frauen werden heute doch nicht mehr freiwillig Nonnen.“
„Die ganz hässlichen vielleicht,“ sagte der andere und beide lachten.
„Nicht frech werden Jungs. Noch was?“ Die beiden hörten sofort auf zu lachen und schüttelten die Köpfe. „Gut, ich will euch mal glauben. Denkt an euer Versprechen, wir behalten euch im Auge!“ Leo und Hans ließen die beiden laufen und sahen ihnen lachend hinterher. Auch sie waren in ihrer Kindheit und Jugend keine Engel gewesen.
„Schon wieder ein Herzfund in einer Kirche?“ Rudolf Krohmer war erschrocken, als ihn seine Beamten über den neuesten Fund informierten.
„Bezüglich des Herzens sind wir uns sicher. Fuchs ist damit in München und informiert uns, sobald er wieder zurück ist. Diesmal haben wir es nicht mit einem konservierten Herz zu tun, das Herz war definitiv frisch, wodurch wir den Todeszeitpunkt des Besitzers eingrenzen können. Wir haben große Chancen, den zugehörigen Leichnam zu finden.“
„Und das Behältnis?“
„Wieder eine silberfarbene Schatulle, allerdings diesmal eckig und nicht rund.“ Leo legte Krohmer die Fotos vor.
„Stimmt, diese Dosen gab es in verschiedenen Formen und Größen. Wollen wir hoffen, dass Fuchs diesmal irgendeine Spur findet, die uns zu dem Irren führt, der diese Herzen in Kirchen verteilt.“
„Sie gehen von einer Person aus?“
„Sicher! Denken Sie wirklich, dass zwei voneinander unabhängige Personen denselben irren Gedanken haben? Niemand von uns hat geplaudert und nichts ist an die Öffentlichkeit durchgedrungen, das hätte ich mitbekommen. Nein, wir haben es ganz sicher mit einer Person zu tun, die meines Erachtens nach sehr gläubig ist.“
„Auf jeden Fall katholisch. Dazu würde die Nonne passen, die zwei Zeugen gesehen haben wollen. Eine Beschreibung haben wir nicht.“
„Nonnen sind in unserer Gegend nichts Besonderes, vor allem nicht in der Nähe einer katholischen Kirche. Ich möchte nicht daran glauben, dass eine Nonne die Herzen deponiert.“
„Es muss ja keine echte Nonne sein, vielleicht nur eine Tarnung?“
„Mag sein. Trotzdem glaube ich an einen sehr gläubigen, katholischen Menschen, der aus irgendeinem Grund Herzen in Kirchen deponiert.“ Werner hatte sich nach dem Herzfund in der Altöttinger Gnadenkapelle umfassend über Herzbestattungen informiert.
„Wegen der Herzbestattung? Das können Sie vergessen Herr Grössert. Die getrennte Bestattung von Herz, auch den anderen Innereien und dem Leichnam gibt es schon seit der Antike und ist keine Erfindung der Katholiken.“
„Aber seit dem Mittelalter bis in die heutige Zeit werden vor allem Päpste, Bischöfe, gekrönte Häupter und hohe Adlige auf diese Weise bestattet. Und die sind seit dem Mittelalter allesamt katholisch. Außerdem wurden die Herzen in katholischen Kirchen platziert.“ Werner Grössert beharrte auf dieser Tatsache. Was in der Antike Usus war, interessierte ihn nicht. Für ihn zählten die jüngere Vergangenheit und die Gegenwart. Werner trug auch heute bei der höllischen Hitze einen Anzug, Hemd und Krawatte. Während alle wegen der hohen Temperaturen stöhnten, schien er sie überhaupt nicht zu bemerken. Diese Herzbestattungen faszinierten ihn. Er interessierte sich für Traditionen der Bestattungsarten. Überhaupt hatten ihn der Tod und die damit verbundenen Gepflogenheiten schon seit der frühesten Kindheit fasziniert. Vor allem alte Grabkreuze fand er wunderschön und würde sich am liebsten welche zur Dekoration in den Garten stellen, aber seine Frau war dagegen. Sie fand sein Interesse an antiken, vor allem schmiedeeisernen Grabkreuzen abartig und gruselte sich davor. Was Werner nun wiederum überhaupt nicht verstand. In diesen Grabkreuzen vereinten sich Kunst, Tradition und Geschichte.
„Irgendwelche Kameraaufzeichnungen in der Umgebung beider Kirchen?“
„Negativ. Wir haben zwar eine Kamera in der Nähe der Kirche, aber die vielen Personen auszuwerten würde Monate dauern. Trotzdem werden wir die Aufzeichnungen sichten, vielleicht kann man die vermeintliche Nonne darauf besser sehen.“
„Zu dem Thema Kamera möchte ich kurz anmerken, dass ich mit dem Guardian der Kapuziner, Bruder Paul, vorhin gesprochen habe. Ich habe dringend angeraten, eine Kamera im Inneren der Gnadenkapelle Altötting anzubringen. Die zuständigen Herren haben das abgelehnt. Sie wollen die Ruhe und die Gebete der Gläubigen nicht stören. Obwohl ich die Argumente durchaus verstehen kann, könnte man durch eine Überwachungskamera eine weitere, private Herzbestattung sofort aufdecken und wir könnten den Übeltäter schnellstmöglich dingfest machen.“
„Dann ist den Herren auch nicht zu helfen. Wir gehen also davon aus, dass es sich bei demjenigen, der die Herzen in beiden Kirchen deponiert hat, um einen Katholiken handelt? Ist das alles von Ihrer Seite?“
„Wir müssen auf Fuchs warten, СКАЧАТЬ