Ein Herz zu viel. Irene Dorfner
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Название: Ein Herz zu viel

Автор: Irene Dorfner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Leo Schwartz

isbn: 9783738044577

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СКАЧАТЬ abermals Block und Stift aus ihrer Jackentasche. Leo wollte protestieren, aber Viktoria hielt ihn zurück.

      „Lass sie, sie ist neu hier und übereifrig,“ flüsterte sie ihm zu. „Gib ihr eine Chance und sei fair.“

      „Beck mein Name. Ehemaliger Mitarbeiter der Firma Seifen-Ludwig. Wir haben gestern miteinander telefoniert?“, stellte sich der alte Mann vor.

      „Endlich! Wir wollten bereits eine Vermisstenanzeige aufgeben. Was ist passiert?“

      „Eine unvorhergesehene Autopanne, die sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat. Ich möchte mich in aller Form entschuldigen. Mich zu verspäten ist sonst nicht meine Art. Aber was hätte ich machen sollen? Ich besitze kein Handy, ich möchte mich nicht zum Sklaven der ständigen Erreichbarkeit machen. Zugegeben wäre ein Handy heute sehr von Vorteil gewesen. Vielleicht sollte ich meine Einstellung nochmals überdenken.“

      „Sie haben die Unterlagen dabei?“

      „Selbstverständlich, wie versprochen. Sie sind in meinem Kofferraum. Wenn Sie wollen, hole ich sie.“

      „Das übernehmen wir für Sie,“ sagte Werner und Matthias Beck gab ihm seinen Autoschlüssel.

      „Ich habe mir erlaubt, direkt vor dem Eingang zu parken. Sie können mein knallrotes Schätzchen nicht übersehen. Es ist weit und breit das schönste Fahrzeug.“

      Werner staunte nicht schlecht, als er vor dem Oldtimer stand, der tadellos in Schuss war. Er brauchte einen Moment, bis sich das alte Schloss des Kofferraumes öffnen ließ und nahm die beiden Kartons heraus, die randvoll mit Ordnern gefüllt waren. Er bat einen Kollegen um Hilfe und sie trugen die schweren Kartons nach oben.

      „Donnerwetter,“ staunte Hans. „Das sind ja locker zwanzig Ordner!“

      „Ich schwöre, dass das alle sind, die ich bei mir hatte. Ich konnte sie retten, bevor sie im Container gelandet sind. Das ist nicht nur ein Stück Firmengeschichte, sondern auch Teil meines Lebens. Es hätte mir im Herzen wehgetan, wenn das einfach alles im Müll gelandet wäre. Der damalige Geschäftsführer Dr. Bruhnke wollte alles so schnell wie möglich weghaben. Ich bin mir sicher, dass er die Firma damals mit Absicht an die Wand gefahren hat, die Geschäfte liefen hervorragend. Das war auch kein Kunststück, denn unsere Produkte waren von exzellenter Qualität. Vor dem Konkurs hat Dr. Bruhnke noch kräftig abgesahnt. Man munkelte, dass er mit dem Großteil seiner Verwandten mit Seifen-Ludwig reich geworden ist. Warum sonst wohnen die alle heute in chicen Wohngegenden mit riesigen Häusern? Aber Dr. Bruhnke hatte nicht lange Freude an seinen miesen Geschäften. Drei Jahre nach dem Konkurs ist er durch einen tragischen Bootsunfall im Mittelmeer ums Leben gekommen. Das ist zwar ein Tod in traumhafter Umgebung, aber was nützt das? Tot ist tot!“

      „Sie waren Vorabeiter in der Seifenfabrik?“

      „Ja, aber nur die letzten zwei Jahre bis zur Schließung der Fabrik. Das war einer der traurigsten Momente meines Lebens, als endgültig die Tore geschlossen wurden. Die Ludwigs waren immer Teil meines Lebens, schon mein Vater und dessen Vater haben dort gearbeitet.“ Beck trank einen Schluck Kaffee, während er immer wieder zu Frau Deichberg blickte. „Ich war bei der Schließung der Fabrik 38 Jahre alt. Ich habe zwar gleich wieder Arbeit gefunden, aber die war nicht vergleichbar mit der bei Ludwig. Alle Ludwig-Angestellten waren wie eine große Familie, jeder kannte jeden. Man hatte privaten Kontakt und regelmäßig fanden gemeinsame Freizeitaktivitäten statt, an denen auch immer die Familie Ludwig teilgenommen hat. Es gab sogar eine Ludwig-Band, in der ich Gitarre gespielt habe. Ja, das waren noch goldene Zeiten, so etwas gibt es heute kaum mehr! Alles war prima und die Welt bei den Ludwigs war in Ordnung. Bis zum 15. Januar 1968, da starb der letzte Nachkomme der Familie Ludwig durch eine heimtückische Krankheit mit nur 54 Jahren. Kurz darauf kam seine junge Frau und deren einziges Kind und Firmenerbe durch einen Verkehrsunfall ums Leben. So spielt das Leben! Die Fabrik hat eine entfernte Verwandte in Amerika geerbt, die keinen Bezug zu München und zur Fabrik hatte und sie daher verkaufte. Käufer waren Investoren, die diesen dämlichen Geschäftsführer Dr. Bruhnke eingesetzt haben. Abgesehen davon, dass von da ab alles gestrichen und verboten wurde, was auch nur annähernd mit gemeinsamen Aktionen zu tun hatte, ging es mit der Firma immer weiter bergab. Langgediente Mitarbeiter wurden entlassen, dafür wurden billige Leiharbeiter eingestellt, die mit großen Versprechungen gelockt und dann doch auch wieder entlassen wurden. Bei den wenigen Betriebsversammlungen wurde uns immer wieder mitgeteilt, dass es um die Firma sehr schlecht stehe und daher weitere Einsparungen unumgänglich seien. Zuerst hat man uns das Weihnachtsgeld und dann das Urlaubsgeld gestrichen. Auch die Pensionskasse, in die wir viele Jahre eingezahlt haben, wurde eingefroren. Man konnte zusehen, wie die Firma systematisch zugrunde gerichtet wurde. Schließlich war der Konkurs nicht mehr aufzuhalten. Noch bevor wir offiziell von Dr. Bruhnke davon unterrichtet wurden, war uns das allen klar. Eine Schande, sage ich Ihnen. Ich gab dem damaligen Konkursverwalter einen Tipp, aber der Trottel hat sich nicht dafür interessiert.“ Immer wieder sah Beck zu Frau Deichberg. „Was schreiben Sie da eigentlich die ganze Zeit? Sie machen mich wahnsinnig!“

      Charlotte Deichberg erschrak, denn sie wollte kein einziges Wort von dem, was der Mann von sich gab, verpassen.

      „Entschuldigen Sie bitte…“

      „Sie können dann auch gehen Frau Deichberg,“ sagte Leo, der die Frau immer noch nicht mochte. „Wir brauchen Sie nicht mehr.“

      Viktoria protestierte nicht, denn auch sie nervte das Geräusch des kratzigen Bleistifts. Beleidigt zog Frau Deichberg davon.

      „Jetzt möchte ich aber wissen, was sie an Seifen-Ludwig interessiert?“

      „In unserem aktuellen Fall konnten wir Rückstände von Kernseife feststellen, die eindeutig der Firma Ludwig zugeordnet werden konnten.,“

      „Das glaube ich gerne. Die Rezeptur der Kernseife war viele Jahre ein gutgehütetes Geheimnis und ist mit der Schließung der Firma in Vergessenheit geraten.“

      „Wir interessieren uns brennend für die Vertriebswege, sprich Kunden der Seifenfabrik.“

      „Ihren Job möchte ich nicht haben. In meiner Jugend nannte man das Schnitzeljagd, heute gibt es bestimmt einen englischen Begriff dafür.“ Beck lachte, denn für ihn waren diese englischen Begriffe nicht nachvollziehbar und er hatte es längst aufgegeben, sie zu verstehen. „Unsere Vertriebswege waren recht vielseitig. Wir belieferten Hotels und Gaststätten, unsere Hauptkunden waren aber Einzelhändler und Kircheneinrichtungen.“

      Besonders die kirchlichen Einrichtungen waren für die Polizisten sehr interessant. Sie machten sich sofort an die Arbeit. Sie verabschiedeten Matthias Beck und versprachen, die Unterlagen nach Ende des Falles wieder zurückzugeben. Der ehemalige Mitarbeiter von Seifen-Ludwig hing wirklich sehr an diesem Stück Zeit- und Lebensgeschichte.

      Die vier Kriminalbeamten sortierten nach verschiedenen Systemen. Wie sie es auch drehten und wendeten, die Listen waren immer ellenlang.

      „So kommen wir nicht weiter. Wir werden Fotos der Behältnisse veröffentlichen, vielleicht bekommen wir aus der Bevölkerung einen wertvollen Hinweis.“ Viktoria war am Ende. Auch heute war es wieder drückend heiß gewesen und sie sehnte sich nach einer Abkühlung. Dieser Sommer war für sie die Hölle!

      4.

      Die Reaktionen auf die veröffentlichten Fotos der drei Schatullen waren enorm, die Hinweise auf die Kernseife der Seifenfabrik Ludwig in München hielten sich in Grenzen. Viele erkannten die Schatullen aus ihrer Jugend oder hatten sie bei dem einen oder anderen gesehen. Viktoria stöhnte СКАЧАТЬ