Das dritte Kostüm. Irene Dorfner
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das dritte Kostüm - Irene Dorfner страница 7

Название: Das dritte Kostüm

Автор: Irene Dorfner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Leo Schwartz

isbn: 9783738018509

isbn:

СКАЧАТЬ wieder tauchte die Tote vor seinen Augen auf. Er öffnete eine Flasche Bier und rief seine Freundin an, die ihm geduldig zuhörte und an den richtigen Stellen die richtigen Fragen stellte. Nach einer halben Stunde ging es ihm besser und er konnte zu Bett gehen. Vor dem Gespräch mit seiner Freundin hätte er bestimmt keinen Schlaf gefunden.

      Am nächsten Tag machten sich die drei umgehend an die Arbeit. Sie sprachen mit Meldebehörden in Altötting und Mühldorf, was sich in beiden Fällen als sehr kompliziert herausstellte, denn heute war Samstag und sie erreichten jeweils nur die Notbesetzung. Sie erfuhren, dass Meldebehörden grundsätzlich telefonisch keine Auskunft gaben. Sie hatten großes Glück, dass sich am heutigen Samstag jemand bereiterklärte, im Büro zu erscheinen und Auskunft zu geben – Hans hatte besonders bei der Dame in Mühldorf seinen ganzen Charme einsetzen müssen.

      Daneben hatten sie aus dem Internet die Adresse eines russischen Vereines in Altötting und einem ukrainischen in Mühldorf ermittelt, aber auch hier wollte niemand am Telefon Auskunft geben. Es ging nicht anders, sie mussten persönlich vorstellig werden.

      Viktoria Untermaier übernahm die Meldebehörden in Altötting und Mühldorf alleine, da sie jetzt nur zu dritt waren und sie sowieso nur auf einen Mitarbeiter traf. Den anderen passte das zwar nicht, aber es ging nun mal nicht anders. Krohmer hatte in der kurzen Zeit noch keinen Ersatz für Grössert gefunden, was auch so schnell nicht möglich war, denn solche Anträge dauerten oft mehrere Wochen. Er ließ seine Kontakte spielen, aber trotzdem war Hilfe noch in weiter Ferne. Bei den Meldebehörden musste Viktoria ihre ganze Überzeugungskraft einsetzen, um Auskünfte zu bekommen, denn die Mitarbeiter in beiden Behörden ließen sich ganz schön bitten. Erst, als sie ausführlich berichtete, um was es ging und diese Ausführungen mit Fotos der Toten untermauerte, wurde ihr sofort und unkompliziert geholfen. Vollkommen kaputt und genervt, aber mit 4 Namen und den dazugehörigen Adressen fuhr sie zurück ins Präsidium.

      Leo und Hans übernahmen derweil die russischen und ukrainischen Vereine. Zuerst fuhren sie zum Mühldorfer Stadtplatz, wo der ukrainische Verein vor drei Jahren ein altes, leer stehendes Gebäude gemietet hatte. Sie hatten sich telefonisch beim Leiter Bohdan Makarenko angemeldet, der vor der Tür stand und auf sie wartete. Makarenko begrüßte die beiden überschwänglich und bat sie herein, er hatte sogar frischen Tee zubereitet und reichte dazu Gebäck, das hervorragend schmeckte. Hans konnte nicht anders und langte kräftig zu; er hatte nicht nur für Frauen eine Schwäche, sondern auch für Süßigkeiten.

      „Wir haben eine weibliche Leiche, die nach vorläufigen pathologischen Untersuchungen aus der Ukraine oder aus Russland stammt. Sehen Sie sich die Fotos in Ruhe an. Kommt Ihnen die Frau bekannt vor?“

      „Es tut mir leid, die bedauernswerte Frau gehört nicht zu unserem Verein und ist mir persönlich auch nicht bekannt. Nicht alle Ukrainer sind bei uns Mitglied, was wir natürlich sehr bedauern. Gerade hier in der Fremde ist die Eingewöhnungsphase viel einfacher, wenn man Hilfe von Menschen aus der Heimat bekommt. Aber bei dieser Frau muss ich leider passen. Wir haben morgen Abend das nächste Treffen, wir treffen uns jeden Sonntagabend. Wenn Sie es erlauben, würde ich die Fotos gerne herumreichen, vielleicht ist die Frau einem unserer Freunde bekannt.“

      „Sehr gerne,“ sagte Leo, der einen zweiten Satz Fotos dabei hatte.

      „Warum sprechen Sie so gut unsere Sprache? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich nie darauf kommen, dass Sie aus der Ukraine kommen.“ Leo war beeindruckt, denn er verstand diesen Mann sehr viel besser als viele Bayern.

      „Ich bin seit 7 Jahren in Deutschland. Als ich herkam, habe ich kein Wort gesprochen oder gar verstanden. Es war für mich selbstverständlich, dass ich zuerst die Sprache des Landes lernen muss, um hier zu leben und zu arbeiten. Vor allem aber ist die Sprache ein wichtiges Fundament, um in der Gesellschaft integriert und darin anerkannt zu werden.“

      Die beiden Beamten waren sehr beeindruckt, nicht viele dachten und handelten wie Makarenko.

      „Was genau macht Ihr Verein? Wie muss ich mir Ihre Arbeit vorstellen?“

      „In erster Linie sind wir eine Anlaufstelle für Menschen aus unserer Heimat, die hier vollkommen fremd sind. Sie können sich nicht vorstellen, welchem Kulturschock man ausgesetzt ist, wenn man plötzlich hier in Bayern landet.“ Hans und Leo konnten sich das sehr gut vorstellen, selbst für Leo war die Umstellung von Ulm nach Mühldorf ganz schön krass. „Wie gesagt, helfen wir Ukrainern bei den Formalitäten. Wir bieten Sprachkurse an, organisieren Kindergartenplätze, helfen bei der Schulwahl, vor allem bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Darüber hinaus wollen wir der Bevölkerung unsere Kultur und unsere Mentalität näher bringen, das ist uns sehr wichtig, denn nichts wirkt angsteinflößender als das Fremde. Deshalb veranstalten wir regelmäßig Konzerte, Informationsabende, Straßenfeste und so weiter. Als der Krieg noch nicht in der Ukraine angekommen ist, haben wir gerne Reisen für unsere Freunde und Interessierte organisiert, aber das haben wir aufgrund der politisch schwierigen Lage vorerst zurückgestellt. Es macht uns traurig, dass sich unsere Heimat im Kriegszustand befindet.“

      2.

      Leo und Hans fuhren nach Altötting. Sie waren sich darüber einig, dass Makarenko ein sehr intelligenter und angenehmer Mensch ist. Beide nahmen sich fest vor, bei einer der nächsten Veranstaltungen teilzunehmen, die sie aus den Unterlagen lasen, die ihnen Makarenko bei der Verabschiedung in die Hand gedrückt hatte. Der hätte es nämlich sehr gerne gesehen, wenn sich die örtliche Polizei persönlich für ihren Verein interessierte. Dass Makarenko bereits eine Veranstaltung für seine Mitglieder gemeinsam mit den Mitarbeitern der Polizei im Hinterkopf hatte, ahnten die beiden nicht.

      Ihre nächste Anlaufstelle befand sich in Altötting in der Neuöttinger Straße, die nicht weit vom Kapellplatz entfernt war. Leo parkte den Wagen wie früher auch in der Nähe des Kapellplatzes, was Hans nicht verstand.

      „Warum fährst du nicht bis zur Neuöttinger Straße? Wir finden dort bestimmt in der Nähe des Hauses einen geeigneten Parkplatz, auch wenn heute Samstag und um die Uhrzeit bestimmt die Hölle los ist. Wir müssten nicht ewig weit laufen.“

      „Beschwer‘ dich nicht mein Freund, etwas Bewegung wird dir guttun,“ lachte Leo, der in Wahrheit nur aus Gewohnheit hierher gefahren war. Beide kannten sich auch aufgrund des letzten Falles hier gut aus und besonders Leo hatte ein sehr mulmiges Gefühl im Magen, als er die Magdalenenkirche passierte. Er hielt kurz vor dem Kapuzinerkloster, an das er keine guten Erinnerungen hatte. Das Gesicht von Bruder Benedikt tauchte für einen Moment vor seinem Gesicht auf und er wurde traurig, denn dieser Bruder starb nach einem entbehrungs- und arbeitsreichen Leben, kurz nachdem Leo mit ihm gesprochen hatte.

      „Trödel nicht rum,“ trieb Hans ihn an, der keinen weiteren Gedanken an die letzten Fälle verschwendete. Für ihn waren diese Fälle gelöst und längst vergessen, er hatte mit den Jahren gelernt, nur noch nach vorn zu schauen. Hans war grundsätzlich ganz anders als Leo. Er machte sich über andere Menschen kaum Gedanken, hing Vergangenem nicht hinterher – für ihn gab es nur das Jetzt und die Zukunft. Und die bestand darin, dass er sein Leben so lebte, wie er es für richtig hielt, ohne dabei andere zu verletzen. Nach dem gewaltsamen Tod seiner Doris vor über einem Jahr fiel er in ein tiefes Loch, aus dem er aber auch durch seine Einstellung unbeschadet wieder herauskam. Zum Glück, denn sonst wäre er für Lucrezia nicht offen gewesen, seine freche, vorlaute italienische Freundin, die er vor einigen Monaten während eines kniffligen Falles in Florenz kennen- und lieben gelernt hatte. Er hielt seine Beziehung vor seinen Freunden und Kollegen noch geheim, da er sich die Sprüche und Bemerkungen lebhaft vorstellen konnte, denen er dadurch ausgesetzt wäre. Lucrezia war seiner Meinung und ihre italienischen Kollegen vermuteten zwar, dass sie einen Freund hatte, aber sie genoss es, sie im Trüben fischen zu lassen. Beide hatten mehrere Beziehungen hinter sich und waren keine Teenager mehr, aber durch СКАЧАТЬ