Der Meerkönig. Balduin Möllhausen
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Читать онлайн книгу Der Meerkönig - Balduin Möllhausen страница 8

Название: Der Meerkönig

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754176504

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СКАЧАТЬ ängstigst und nicht einschlafen kannst, so will ich Dir Gesellschaft leisten und mit Dir plaudern. Aber sage vor allen Dingen, hast Du keine Schmerzen?«

      »Schmerzen habe ich nicht, nur durstig bin ich sehr,« antwortete das Kind, indem es Mariens Hand mit seinen Fingerchen so fest umspannte, als habe es dieselbe nie wieder von sich lassen wollen.

      Die Bauerfrau holte aus der Ofenröhre ein Gefäß mit warmer Milch, und nachdem das Kind getrunken, nahm Marie die Unterhaltung mit demselben wieder auf.

      »Ich heiße Marie, der Mann dort heißt Vater, und die Frau magst Du Mutter nennen; wir sind es so gewohnt,« begann sie, und um der Kleinen näher zu sein, setzte sie sich auf den Rand des Bettes. »Nun theile aber auch Du uns Deinen Namen mit, damit wir Dich rufen können.«

      »Lieschen heiße ich ...«

      »Lieschen?!« rief die Bauerfrau mit einem unbeschreiblich rührenden Erstaunen aus, während Reichart, als habe er das Vernommene nicht begreifen können, die Hände faltete und das Kind mit erhöhter Theilnahme betrachtete.

      »Lieschen oder auch Elisabeth,« lautete die schüchterne Antwort; »ich höre aber lieber, wenn man mich Lieschen nennt.«

      »Lieschen, Lieschen,« wiederholte die Bauerfrau, heftig schluchzend, indem sie sich an die Seite des Bettes drängte und sich so über dasselbe hinneigte, daß ihr Gesicht das ihres Pfleglings fast berührte; »Lieschen heißt Du - wirklich Lieschen? Ach, auch ich hatte ein Lieschen, ein schönes, gutes Kind, bis gestern Mittag noch, und da hat es der liebe Gott zu sich genommen, und morgen kommen sie, um es abzuholen und in die kalte Erde zu legen! Und Du heißt Lieschen, wie mein todtes Kind, und darum lasse ich Dich auch nicht wieder von mir; mir gehörst Du, mir und meinem Manne, denn uns verdankst Du das Leben. Und nun lege Deine Aermchen um meinen Hals und drücke mich an Dich und sage Mutter zu mir; ich denke dann, mein eigenes Lieschen war einer der Engel, die Dir im Traume erschienen und uns zu Dir führten.«

      »Mutter!« lispelte das Kind, welches nicht wußte, wie ihm geschah, dabei aber der Wirkung der mütterlichen Zärtlichkeit unterworfen war und halb ängstlich, halb liebkosend die weinende Frau an sich drückte.

      »So, mein Kind, so ist's recht,« fuhr die Mutter heiterer fort, sich sanft emporrichtend; »nun sprich weiter, wenn Du willst, aber nicht zu viel, denn morgen ist auch noch ein Tag, und gewiß würde der Doctor anordnen, Du solltest Dich nicht zu sehr aufregen. Nun sage mir auch, wie alt Du bist.«

      »Elf Jahre bin ich in diesem Herbste geworden.«

      »Elf Jahre - also ein Jahr älter, als mein eigenes armes Lieschen. Und wer sind Deine Eltern?«

      »Eltern habe ich nicht, sie sind lange todt; ich weiß auch nicht, wie sie ausgesehen haben.«

      »Armes, armes Wesen!« sagte Marie leise vor sich hin, mit innerer Befriedigung die wachsende und zugleich trostreiche Theilnahme ihrer Schwägerin beobachtend.

      »Und wo hast Du so lange gewohnt?« fragte diese nach einer kurzen Pause, während welcher sie einen Blick des Einverständnisses mit ihrem Gatten austauschte, weiter.

      »In der Vorstadt im Waisenhause,« antwortete Lieschen mit einem Schauder.

      »Wo der gute Herr Seim Vorsteher ist?«

      Lieschen blickte entsetzt bald auf die Bäuerin, bald auf Reichart, bald auf Marie.

      »Ich meine den lieben, frommen Herrn mit dem weißen Halstuche, der allen Menschen so freundlich und gut begegnet,« wiederholte die Frau in der Meinung, daß sie nicht verstanden worden sei; »ich kenne ihn schon so lange, wie ich Eier und Butter an ihn und seine Tochter verkaufe, und die Waisenkinder nennt er nie anders, als seine liebe, ihm von Gott anvertraute Heerde. Nicht wahr, mein Kind, dessen Haus meinst Du doch?«

      »Ja, das meine ich,« antwortete Lieschen kaum vernehmbar und mit aller Kraft gegen einen neuen Ausbruch ihrer Furcht kämpfend.

      »Wo aber haben sie Dich geschlagen und Dich eingesperrt, wenn Du doch im Hause des guten Herrn Seim erzogen wurdest?«

      »Im Waisenhause.«

      »Und Herr Seim, der liebe, fromme Herr, war nicht da, um es zu verbieten?«

      »Ach, Herr Seim war so böse, er sagte, ich sei schlecht und verdiene harte Strafe, ich verführe alle Kinder und man müsse mich sehr streng behandeln.«

      Bei diesen Worten sahen Marie und die beiden Ehegatten sich gegenseitig verwundert an. Sie kannten den Vorsteher der Anstalt schon lange von der besten Seite, und unerklärlich erschien es ihnen, daß ein so schwächliches kleines Mädchen, selbst wenn es sich zu kindischem Unfug habe hinreißen lassen, mit Herrn Seim's Wissen und Willen habe mißhandelt werden können. Die beiden Gatten waren daher geneigt, des Kindes Ausspruch für verzeihliche Uebertreibung zu halten, oder für eine Folge der krankhaften Aufregung oder gar für eine Lüge. Marie hingegen sträubte sich gegen einen solchen Verdacht, und indem sie ihre Blicke tief in die Augen der flehentlich zu ihr aufschauenden Waise senkte, glaubte sie in denselben nur die lautere, heilige Wahrheit zu lesen.

      »Armes Kind,« sagte sie endlich schmeichelnd, um die durch das kurze Schweigen in dem Kinde hervorgerufene Furcht wieder zu verscheuchen, »wie bist Du denn in diesem furchtbaren Wetter in den Wald gekommen?«

      »Verzeihe mir, gute Frau,« antwortete das Mädchen bebend, indem es abermals seine hageren Aermchen emporhob und die zarten Finger verzweiflungsvoll in einander rang; »ich will ja Alles eingestehen, nur stoße mich nicht wieder von Dir!«

      »Aengstige Dich nicht unnöthig, mein Herzchen,« tröstete Marie auf's tiefste gerührt; »sprich offen und ohne Furcht, und willst Du nicht gern sprechen, so behalte Dein Geheimniß immerhin für Dich; wir haben Dich deshalb nicht weniger lieb.«

      Lieschen unterdrückte ihr krampfhaftes Schluchzen, und vertrauensvoll zu Marien emporblickend, begann sie: »Ich bin entlaufen, ich konnte es nicht länger aushalten; ich wollte lieber sterben, als mich noch länger quälen lassen. Denn wäre ich geblieben, hätten sie mich in den Keller gesperrt, damit ich verhungere. Sie hielten mich für einen Dieb, denn sie hatten wiederholt, wenn sie des Morgens meine Kleider durchsuchten, Sachen von anderen Kindern in meiner Tasche gefunden. Dann schlugen sie mich jedesmal so sehr, weil ich versicherte, ich sei unschuldig, und sie sperrten mich in den Keller, bis ich vor Angst sagte, ich hätte gestohlen, worauf sie mich hervorholten und mich einen ganzen Tag hindurch mit einer Tafel am Halse, auf welcher ›Dieb‹ geschrieben war, in dem großen Schulsaale stehen ließen. Aber glaube mir nur, liebe, gute Frau, nie in meinem Leben habe ich gestohlen, denn ich weiß, es ist eine große Sünde.

      »Heute Morgen, es war noch ganz dunkel, wachte ich auf; ich war so hungrig und konnte nicht wieder einschlafen. Da sah ich Herrn Seim, wie er leise durch den Schlafsaal ging und gerade auf mein Bett zukam. Ich glaubte, er wolle mich schlagen, weil ich wach sei, und schloß schnell die Augen; aber ein klein wenig sah ich noch, denn in dem Schlafsaale brennt des Nachts eine Lampe. Vor meinem Bette blieb Herr Seim stehen, und ich zitterte vor Angst, als er mich eine Weile betrachtete. Er that mir indessen nichts zu Leide, dagegen betastete er die Tasche meines Kleides, und dann ging er wieder leise hinaus. Als ich seine Schritte nicht mehr hörte, zog ich mein Kleid zu mir in's Bett hinein, um zu sehen, ob vielleicht wieder fremdes Brod in der Tasche gewesen sei. Anfangs fand ich nichts; als ich die Tasche aber umkehrte, fiel mir ein großer Thaler in die Hand. Zuerst wollte ich das Geld, welches mir Jemand heimlich zugesteckt hatte, damit ich wieder eingesperrt werde, fortwerfen; zur rechten Zeit bedachte ich aber, daß Herr Seim den Thaler gefunden haben müsse und ich die Strafe dadurch nur verschlimmere. Ich betete zum СКАЧАТЬ