Der Meerkönig. Balduin Möllhausen
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Название: Der Meerkönig

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754176504

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СКАЧАТЬ die Flocken, die sich melancholisch in der stillen Atmosphäre wiegten, leise, wie die Thränen, welche über die gebräunten Wangen des trauernden Elternpaares rannen.

      Heftiger schwankte der Wagen, häufiger stolperten die Pferde über gefrorene Maulwurfshügel, hervortretender wurden die Unebenheiten des Bodens, gegen welche die Räder stießen, und lustiger wackelte und tanzte der Sarg in seinem Stroh.

      Die beiden Reisenden achteten nicht auf die sich ihnen entgegenstellenden Hindernisse, sie waren zu bekümmert, zu traurig.

      Einige Hundert Schritte mochten sie in dieser Weise zurückgelegt haben, da blieben die Pferde plötzlich stehen.

      Der Bauersmann sah mechanisch empor, und kaum wußte er, wie ihm geschah, als er, statt der Fortsetzung der Landstraße, eine niedrige Schonung vor sich erblickte.

      »Die armen Thiere sind vom Wege abgewichen,« sagte er ruhig, indem er um sich spähte. »Es ist freilich, kein Wunder,« fügte er wie entschuldigend hinzu, »Alles verschneit, und dabei wird es so dunkel, daß ich Mühe haben werde, die Straße wiederzufinden.«

      »Laß nur,« entgegnete seine Gattin, ihre Augen kaum erhebend; »am liebsten legte ich mich in den Schnee, um zu sterben und mit unserem Lieschen begraben zu werden.«

      »Und ich?« fragte der Mann vorwurfsvoll zurück, während er sich bemühte, seinen Wagen, ohne in die Schonung einzudringen, umzuwenden. »Was sollte ich wohl ganz allein auf der Welt anfangen?«

      »Es ist wahr,« versetzte die Frau leise, »ich muß bei Dir bleiben, aber das Herz bricht mir, wenn ich an unser Lieschen denke. Lieber, lieber Gott, erst zehn Jahre alt, und schon sterben zu müssen! Das Kind war so gut und so schön!« fügte sie schluchzend hinzu.

      »Zu schön und zu gut für uns, oder der liebe Gott hätte es uns gelassen,« tröstete der Vater die trauernde Mutter.

      »Alle Menschen hatten ihre Freude an dem klugen Kinde,« fuhr diese darauf wieder schmerzbewegt fort, »und es lernte so leicht und schrieb so wunderbar schön.«

      »Du hast recht, Mutter; doch was helfen die Klagen? Unser Lieschen bringen sie nicht zurück. Liebte doch auch der Herr Pfarrer das Kind, und der mußte es gewiß kennen, denn er hatte es ja getauft; und der sagt: Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobt!«

      Die Mutter antwortete mit einem tiefen Seufzer. Die Aufmerksamkeit ihres Gatten dagegen wurde jetzt ausschließlich durch die Pferde in Anspruch genommen und durch den Wagen, welchen er nur mit genauer Noth zwischen den Bäumen hindurch zu lenken vermochte.

      Nach der Landstraße zu war Alles dunkel, die Schatten des Waldes fielen fast gänzlich mit der schneeerfüllten Atmosphäre zusammen; er zog es daher vor, sich in der Nähe der Schonung zu halten, die, wie er wußte, weiter unterhalb die Straße berührte.

      Langsamer noch, als bisher, verfolgten die Pferde ihren hindernißreichen Weg, und oft bedurfte es der Aufbietung aller ihrer Kräfte, den Wagen durch die bankähnlichen Schneeanhäufungen zu schleppen, die sich über den zerstreut stehenden Gruppen kleiner Tannenschößlinge gebildet hatten.

      Sie befanden sich nicht mehr weit von der Landstraße, als beim Hineinwaten in eine neue, jedoch hohle Schneebank die Pferde plötzlich erschreckt zur Seite prallten und durch heftiges Schnauben Unruhe verriethen.

      Der Bauer, in der Meinung, ein Baumstumpf oder eine Vertiefung habe die Besorgniß der klugen Thiere wachgerufen, versuchte, an dem verborgenen Gegenstande vorbeizulenken; da derselbe sich aber gerade zwischen den Pferden, unterhalb der Deichselstange befand, so erwies sich seine Mühe als vergeblich; er erreichte nur, daß die Thiere noch ungeduldiger und störrischer wurden.«

      Doch auch zurück vermochten die Pferde den Wagen, trotz der aufmunternden Worte und des milden Gebrauchs der Peitsche, nicht mehr zu schieben, indem tiefer Schnee und niedriges Strauchwerk die Räder hemmten, so daß der Bauer sich endlich genöthigt sah, abzusteigen, um sich von der Ursache des unwillkommenen Aufenthaltes zu überzeugen.

      Seine Frau nahm daher die Zügel, und immer noch freundlich zuredend, begab er sich nach der Spitze der Deichsel hin, wo er das Hinderniß vermuthete.

      Kaum aber hatte er den gewölbt liegenden Schnee mit den Füßen zurückgestoßen und demnächst mit den Händen auf der betreffenden Stelle zwischen dem Gestrüpp umhergetastet, da richtete er sich plötzlich wieder empor.

      »Guter Gott, ein Mensch!« rief er entsetzt aus; dann aber sich schnell ermannend, trat er zwischen die Pferde, um den Verunglückten gegen deren beschlagene Hufe zu schützen.

      Doch die Pferde, sobald sie ihren Herrn vor sich sahen, verhielten sich ruhig, und ohne weitere Scheu zu verrathen, duldeten sie, daß der erstarrte Körper zwischen ihnen hervorgezogen wurde.

      »Ach, Mutter, es ist ein Kind,« rief er gleich darauf aus, »aber todt, todt! Gräßlich, ein Kind, und im Schnee umkommen zu müssen!«

      »Ist es denn wirklich todt?« fragte die Bäuerin, deren Lebensgeister durch das tiefste Mitgefühl plötzlich wieder zur hellen Flamme angefacht worden waren.

      »Kalt und schlaff,« entgegnete der Mann, indem er versuchte, den kleinen, schmächtigen Körper in eine sitzende Stellung zu bringen.

      »Vater, es ist dennoch vielleicht Leben in ihm!« rief die Frau lebhaft, die sie verhüllende Decke zurückwerfend und sich erhebend. »Du weißt, unser Lieschen, als es gestorben war, wurde starr und steif, die kleinen Arme bogen sich nicht mehr, und nur mit Mühe gelang es mir, die Fingerchen zu falten! Schnell, Vater, schnell hebe es auf den Wagen! So lange die Glieder schlaff und beweglich sind, ist die letzte Hoffnung nicht verloren!«

      »Armer Wurm, so im Schnee und Eise verkommen zu müssen!« sprach der Bauer vor sich hin. »Und die Eltern, die Eltern, wo mögen sie sein, in welcher Lage mögen sie sich befinden, daß ihr Kind überhaupt verloren gehen konnte?« Dann aber hob er den anscheinend leblosen Körper empor, und an die Seite des Wagens hintretend, reichte er ihn seiner Gattin dar.

      Im nächsten Augenblicke befand er sich ebenfalls auf dem Wagen, die Handschuhe warf er zur Seite, die Zügel schnürte er an den Leiterbalken fest, und ohne Säumen traf er Anstalt, seine Gattin in den Wiederbelebungsversuchen zu unterstützen.

      Was kümmerten die guten Leute nun noch der fallende Schnee und die zunehmende Dunkelheit, was fragten sie danach, daß sie außerhalb der Straße auf unwegsamem Boden hielten und die Pferde, die ihnen einen großen Theil ihres täglichen Brodes verdienen halfen, um so länger dem bösen Wetter ausgesetzt blieben? Es galt, ein Menschenleben zu retten, das Leben eines Kindes, und zu genau wußten sie, was es heißt, den Liebling des Herzens dem Grabe überantworten zu müssen.

      Darum beeilten sie sich auch so sehr, das Halstuch und das leichte Kleidchen von der Brust des auf dem Sitzsacke liegenden kleinen Mädchens zu entfernen, und darum empfanden sie auch ein so inniges Entzücken, als sie entdeckten, daß das Herz noch nicht aufgehört hatte zu schlagen. Freilich wiederholten sich die kaum fühlbaren Schläge in langen, unregelmäßigen Pausen, allein sie bewiesen doch, daß wenigstens noch ein Funke von Leben vorhanden sei und ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt werden dürften.

      Mit weiteren Prüfungen hielten sie sich daher nicht auf, denn jeder Pulsschlag in dem zarten Körper konnte ja der letzte sein, jeder Augenblick über Leben und Tod entscheiden. Zwar hatten die guten Leute in der Schule keine große Gelehrsamkeit gesammelt, aber lesen hatten sie gelernt, und rechtzeitig erinnerte sich die Frau, in einem Bilderbuche von der Wiedererweckung im Schnee Erstarrter gelesen zu haben, СКАЧАТЬ