Der Meerkönig. Balduin Möllhausen
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Читать онлайн книгу Der Meerkönig - Balduin Möllhausen страница 12

Название: Der Meerkönig

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754176504

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СКАЧАТЬ Vater im Hause der alten Gräfin erschien, bestürmte diese ihn, ihr in ihrem hohen Alter die Freude zu gönnen, Jemanden um sich zu wissen, von dessen Dankbarkeit und uneigennütziger Treue sie überzeugt sein dürfe. Solchen Vorstellungen vermochte mein Vater denn auch nicht lange zu widerstehen. Meine Schwester hatte noch nicht ihr siebentes Jahr vollendet, da fuhr mein Vater sie, nachdem sie herzlichen Abschied von mir genommen, zur Stadt, um sie nicht wieder mit herauszubringen.

      »In der ersten Zeit ihrer Abwesenheit kam unser Haus uns recht vereinsamt vor. Das heitere, lebensfrische Kind fehlte uns überall, und Niemandem mehr, als meinem Vater, der gewöhnlich die stillen Abendstunden mit ihm verplaudert hatte. Allmählich gewöhnten wir uns indessen daran, um so mehr, da mein Vater allwöchentlich unsere Marie besuchte, und die Gräfin, um das Heimweh fern von ihr zu halten, sie häufig zum Besuche zu uns herausschickte.

      »Diesen Besuchen ist es wohl am meisten zuzuschreiben, daß wir Geschwister nicht Einer dem Andern entfremdet wurden; denn ich entsinne mich noch, als ich meine Schwester zum ersten Male nach unserer Trennung in den schönen Kleidern wiedersah, glaubte ich kaum, daß sie noch meine Schwester sei. Dabei erschien sie mir mit dem merkwürdig gelockten Haar so wunderbar schön, daß ich sie immerwährend hätte ansehen mögen und sogar Nachts von ihr träumte. Das war ein Leben, wie es nicht schöner gedacht werden kann; denn wenn Marie uns besuchte, wiederholte die Gräfin ihr häufig, daß sie nicht besser sei, als ich oder die anderen Dorfkinder, und daß es eben so ehrenwerth sei, den Dreschflegel und den Pflug zu führen, als sich in fremden Sprachen, Musik und feinen Handarbeiten zu üben.

      »Ich war damals alt genug, um Alles verstehen und überlegen zu können, was mein Vater mit mir sprach, und ich weiß noch wie heute, daß es mir, als ich einst meinen Vater bat, mich ebenfalls so viel lernen zu lassen wie meine Schwester, eine große Beruhigung und Freude gewährte, der Gräfin Ermahnungen zu hören. »Es ist leicht, aus bescheidenen Verhältnissen in glänzendere überzutreten und sich an solche zu gewöhnen,« hatte die gute Gräfin zu meinem Vater gesagt, »schwer dagegen, dem Glanze wieder zu entsagen; sorgen wir daher dafür, daß uns Beides gleich geläufig bleibe, damit wir nie in die Lage kommen, uns über das Geschick zu beklagen und uns unglücklich zu fühlen.« Ja, das sagte sie Wort für Wort, und mein Vater theilte mir Alles getreulich mit; ich aber lernte die schönen Sprüche auswendig, und bis auf den heutigen Tag habe ich sie nicht vergessen.

      »Wie recht die Gräfin hatte, können wir heute noch sehen, denn hätte Marie die guten Lehren nicht beherzigt, dann würde sie schwerlich so schnell wieder in unserem Hause heimisch geworden sein, schwerlich so wohlgemuth das seidene Kleid mit dem wollenen Rocke vertauscht haben. Freilich war Marie von ihrer ersten Kindheit an immer ein herzensgutes Mädchen, und wenn es nicht in ihr gelegen hätte, sollte die gute Gräfin - Gott habe sie selig - ihr Erziehen und Belehren wohl gelassen haben.

      »Unsere Marie lernte also mit einer wunderbaren Leichtigkeit nicht nur Schreiben und Lesen, sondern auch Musik, Sticken, Kochen und wer weiß was Alles. Mit jedem Tage wurde sie auch schöner und freundlicher, und dabei sprach sie so vornehm, als ob sie wirklich vornehmer Leute Kind gewesen wäre.

      »So ging die Zeit dahin; Marie fühlte sich im Hause unserer Wohlthäterin überglücklich, und diese wieder hatte sich so sehr an meine Schwester gewöhnt, daß sie wohl hundertmal versicherte, nicht ohne ihre Marie, wie sie dieselbe nannte, leben zu können.

      »Das Einzige, was meiner Schwester, namentlich als sie groß geworden, im Hause der Gräfin Kummer verursachte, waren deren Verwandte. Diesen war sie ein Dorn im Auge, weil sie glaubten, daß meine Schwester sie benachtheilige. Je herzlicher die alte, kränkelnde Dame sich an Marie anschloß, um so bitterer waren die Vorwürfe, mit welchen man sie hinter dem Rücken ihrer Wohlthäterin überschüttete. Nur die treue Anhänglichkeit an die alte Dame, deren Kräfte schon bedeutend abgenommen hatten, in Folge dessen sie mehr auf die Hülfe anderer Menschen angewiesen war, hielt Marie ab, in's väterliche Haus zurückzukehren. Vielleicht wäre Manches besser geworden, hätte sie sich, wie ich ihr häufig rieth, über das Benehmen der Anverwandten bei der Gräfin beschwert; doch sie wollte dieser keinen Aerger verursachen und ertrug lieber Alles mit einer himmlischen Geduld.

      »Unter denjenigen, die mit einer gewissen Angst das Abscheiden der reichen Gräfin herbeiwünschten und denen meine Schwester stets im Wege war, weil sie sich in ihrer Gegenwart nicht getrauten, andere, abwesende Verwandte zu verleumden, zeichneten sich namentlich ein junger Officier und dessen um zwei Jahre ältere Schwester aus. Dieselben hatten nämlich anfänglich versucht, Marie durch freundliches Entgegenkommen und dann durch Bestechungen zu gewinnen, damit sie ihnen bei der alten Dame das Wort rede. Als diese aber sich standhaft weigerte, auf ihre unredlichen Wünsche und Ansinnen einzugehen, und die schmachvollen Vorschläge mit Entrüstung zurückwies, wurden sie ihr spinnefeind. Wo sich nur immer die Gelegenheit bot, das arme Mädchen, sei es nun durch Worte oder verächtliche Mienen, zu martern, da ließen sie dieselbe gewiß nicht unbenutzt vorübergehen. Sie versuchten sogar Alles, sie aus dem Hause der Gräfin zu verdrängen, doch ließ Marie sich dadurch nicht in der Ausübung ihrer Pflichten gegen ihre Wohlthäterin beirren; und hatte sie dann wieder einmal eine recht herbe Kränkung erfahren, so gewährte es ihr den besten Trost, wenn sie bald darauf bei der Gräfin saß, diese mit der größten Aufmerksamkeit pflegte und dafür aufrichtig und wohlwollend »meine liebe Tochter« genannt wurde.

      »Da trat plötzlich ein Fall ein, der uns weit auseinander riß, so daß ich meine Schwester ganz aus den Augen verloren hätte, wenn mir nicht hin und wieder ein Brief von ihr zugegangen wäre.

      »Sie hatte nämlich eben ihr siebenzehntes Jahr zurückgelegt, und ich war gerade volljährig geworden, da legte sich mein Vater, und acht Tage darauf schloß er die Augen auf ewig.

      »Wir Männer sind aus festerem Stoffe gebildet, als die Weiber, und ertragen daher weit leichter unersetzliche Verluste, namentlich aber, wenn dieselben sich nicht zur ungewöhnlichen Zeit einstellen. Mein Vater hatte nämlich beinahe sein siebenzigstes Jahr erreicht, also seine irdische Laufbahn vollendet; ich sagte mir daher, daß die Welt ihren ruhigen Gang weitergehe, und dankte Gott, daß mein Vater bis in sein hohes Alter hinein von jeder schmerzhaften Krankheit verschont geblieben war.

      »Anders verhielt es sich indessen mit Marie. Das Mädchen war untröstlich, und mit ihr litt in fast gleichem Grade die gute, liebevolle Gräfin, welche keinen fremden Kummer sehen konnte, ohne auf's tiefste mit ergriffen zu werden.

      »Die Trauer meiner Schwester, vielleicht auch mit der Wunsch, den ihr immer lästiger werdenden erbschleichenden Verwandten aus dem Wege zu gehen, veranlaßten die Gräfin endlich, ganz fortzuziehen. Ehe sie aber diesen Entschluß zur Ausführung brachte, fragte sie Marie, ob sie mit ihr ziehen wolle. Als diese bereitwillig zusagte, wurde sogleich, zum größten Verdrusse der enttäuschten Verwandten, und den Vorkehrungen zum baldigen Aufbruche begonnen, wobei die alte Dame sich wieder von einer ganz besonderen Rührigkeit zeigte.

      »Ich glaube, noch keine zwei Monate waren verstrichen, seitdem die Entscheidung getroffen würde, da verließ die Gräfin mit ihrem ganzen Hausstande die Wohnung, in welcher sie länger als ein Vierteljahrhundert gelebt hatte, um in einer süddeutschen Stadt für den Rest ihres Lebens ihren Wohnsitz aufzuschlagm. Du erinnerst Dich vielleicht noch, es geschah dies in demselben Jahre, in welchem wir uns verheiratheten.

      »Was ich bis jetzt erzählte,« schaltete Reichart nach einer längeren Pause ein, »war sehr genau, weil ich bis zu diesem Zeitpunkte meine Schwester fast wöchentlich sah, also Alles gewissermaßen mit erlebte. Was nun folgt, ist dagegen eben nur das, was Marie nach ihrer Heimkehr mir flüchtig mittheilte, denn in den Briefen, die ich gelegentlich von ihr erhielt, berührte sie den Kummer ihres Lebens kaum.

      »Für Marie hatte der Wechsel ihres Wohnsitzes manches Angenehme, indem sie fortan von den Verfolgungen des ihr feindlich gesinnten Geschwisterpaares verschont blieb. Aber auch die alte Gräfin wurde geselliger, seit sie, statt mit den auf ihren Tod harrenden Verwandten, mit СКАЧАТЬ