Der Meerkönig. Balduin Möllhausen
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Meerkönig - Balduin Möllhausen страница 26

Название: Der Meerkönig

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754176504

isbn:

СКАЧАТЬ Sie lieben die Gräfin Clotilde nicht sehr ...«

      »Nein, wahrhaftig nicht!« rief der Doctor aus, indem er sich in Bewegung setzte und mit eiligen Schritten und seinen Stock fest auf die den Schall dämpfenden Teppiche aufstoßend das Gemach zu durchmessen begann.

      »Nun, wenn Sie die Gräfin auch nicht lieben, so darf das für mich doch kein Grund sein, mir eine Unhöflichkeit zu Schulden kommen zu lassen.«

      »Gewiß nicht, mein liebes Kind,« pflichtete der Doctor mürrisch bei.

      »Uebrigens thun Sie der Gräfin sowohl als auch ihrem Bruder großes Unrecht, denn Beide haben mir mehr als einmal die untrüglichsten Beweise ihrer wahrhaft freundschaftlichen Gesinnungen und Anhänglichkeit gegeben.«

      »Wir wissen auch, warum,« grollte der Doctor, seinen Stock während des Gehens heftiger aufstoßend. »Eine reiche Erbin findet man nicht alle Tage - Tausend Welt! - und ein so schönes Mädchen dazu. Denke aber, mit dabei zu sein. Hm, ja, es ist niederträchtig!«

      Die Gräfin achtete nicht auf die halblaut gesprochenen Worte; sie hatte zu schreiben begonnen. Sobald Sie den kurzen Brief beendigt und zugesiegelt hatte, drückte sie mit dem Zeigefinger auf eine vor ihr stehende Glocke, auf deren silberreinen Klang sogleich ein Diener erschien.

      »Tragen Sie den Brief zu der Gräfin Clotilde,« sagte sie mehr bittend als befehlend. »Verstehen Sie mich auch recht; geben Sie den Brief ab, ohne auf Antwort zu harren. Bestellen Sie im Vorbeigehen, daß der Wagen vorfahre, und lassen Sie noch einen zweiten Fußsack hineinlegen.«

      »Sehr gut, mein liebes Kind,« bemerkte der Doctor, sobald die Thür sich hinter dem Diener geschlossen hatte. »Aber legen Sie festes Schuhzeug an, wir werden wohl eine Strecke zu Fuß gehen müssen.«

      »Zu Fuße?« fragte die Gräfin befremdet.

      »Ja, zu Fuße,« entgegnete der Doctor entschieden. »Seien Sie indessen unbesorgt; erstens bin ich bei Ihnen, und dann ist die frische Nachtluft Ihnen auch nur gesund.«

      »Muß ich etwas Geld mitnehmen?« fragte die Gräfin mit bezauberndem, kindlich-folgsamem Wesen zurück.

      »Ein paar Thaler können nicht schaden, denn das meinige habe ich bis auf den letzten Pfennig ausgegeben. Besser ist aber noch etwas Wäsche, und vor allen Dingen eine oder zwei wollene Decken.«

      Die Gräfin verschwand in ein Nebengemach; der Doctor dagegen begann von Neuem mit vergrößerter Hast auf und ab zu schreiten, mit verstärkter Heftigkeit seinen Stock auf den weichen Teppich zu stoßen oder flötenartig an seine Lippen zu bringen und, wie um das Versäumte nachzuholen, häufiger seiner Tabaksdose zuzusprechen.

      Aber auch sein Geist schien noch reger geworden zu sein, denn in schnellerer Folge entwanden sich die in laute Worte gekleideten Gedanken seinen Lippen.

      »Hm, ein prächtiges Mädchen,« sprach er vor sich hin, und seine Blicke streiften gleichgültig die reiche und geschmackvolle Einrichtung des Gemaches. »Gerade wie ihre Mutter - habe die gute Frau in meinen jungen Jahren mehr geliebt, wie meine Alte vielleicht gutgeheißen hätte - schadet aber nicht, sie verdiente auch Liebe, und ihr einziges Kind verdient sie auch - Tausend Welt, das Mädchen ist mir an's Herz gewachsen! Hm, und so brav und edel, so vertrauensvoll - thut Alles, was ich sage - sie kann's aber auch, denn lieber ließ ich mir den Kopf amputiren, ehe ich ihr einen schlechten Rath ertheilte! Huh, diese Gräfin Clotilde und ihr sauberer Bruder! Wollen mir das Kind umstricken - aber ich passe auf - Tausend Welt noch einmal! Im Gutesthun veredelt sich das Gemüth, und an Gelegenheit lasse ich es ihr nicht fehlen.«

      Dieser Art war das Selbstgespräch, welches der Doctor führte, und so weit war er auch ungefähr mit seinen Betrachtungen gekommen, als die Gräfin vollständig reisefertig in der Thüre erschien. Ihr auf dem Fuße folgte mit einem umfangreichen Bündel eine ältere Dienerin, die den Auftrag erhielt, ihre Last sogleich in den Wagen zu legen.

      Der Doctor zögerte darauf nicht länger. Nachdem er noch einen zufriedenen, fast zärtlichen Blick auf Renate geworfen, in deren lebhaften Augen die hohe Theilnahme glühte, welche sie schon jetzt für eine ihr noch vollständig unbekannte Sache hegte, schritt er ihr voraus der Thüre zu.

      Ein Diener, auf dem Arme den Ueberrock des Doctors, schloß sich ihnen auf der Treppe an, doch bequemte der alte Herr sich erst unten auf der Hausflur dazu, den Rock, und zwar, nach Zurückweisung jeder Hülfe, anzuziehen, und einige Secunden später saß er neben der Gräfin im Wagen. Er bezeichnete sodann noch die Stelle, auf welcher der Wagen halten solle, und in raschem Trabe eilten die Pferde durch die erleuchteten Straßen dem in nur spärlich durch trübe Laternen unterbrochenem Dunkel daliegenden verrufensten Stadttheile zu.

      7. In der Höhle des Elends.

      In jeder großen oder auch nur größeren Stadt, gleichviel, in welchem Lande und welchen Namens, befinden sich Straßen, die vorzugsweise dem Geschäftsverkehr eingeräumt sind, und andere, in denen der Scheinglanz irdischer Größe und des Reichthums seine dauernde Wohnung aufgeschlagen hat. Wieder andere und durch ihr zum Theil rußiges Aeußere weniger einladende Stadttheile erweisen sich als die Asyle der im Kleinen schaffenden Gewerke, in welchen die Nähnadel geschwungen, der Schusterpfriemen gehandhabt und vor winzigen Essen rothglühendes Drahteisen in kurze und lange, kopflose und dickköpfige Nägel verwandelt wird.

      Noch andere Gassen und Gäßchen zeichnen sich dadurch aus, daß in ihnen Haus bei Haus die Thüren mitgetragenen und funkelnagelneuen Kleidungsstücken so dicht verhangen sind, daß sie kaum noch einen Durchgang gewähren, während die trüben Schaufenster ganze Arsenale von verrosteten Säbeln, verbogenen Czako's, vergilbten und grün angelaufenen Tressen, Knöpfen und Epaulettes und verblichenen Uniformstücken zeigen.

      Endlich aber auch stößt man auf zusammengedrängte Häuserreihen, in welchen Elend und Verbrechen heimisch sind und wohin die wärmenden und belebenden Sonnenstrahlen wie ermuthigender Trost und liebreiche Ermahnungen nur spärlich, sehr spärlich ihren Weg finden.

      Was sollten auch wohl die Sonnenstrahlen in den engen Gassen und Höfen, wo ihre Wärme dazu dienen würde, den feuchten Kehrichthaufen giftige Miasmen zu entlocken? Was sollen Trost und Ermahnungen in branntweinduftenden Höhlen oder am Lager der Hungernden und Kranken, die nur in der erstarrenden Hand des Todes ihren letzten Trost erblicken und sich durch das Ersinnen und Ausführen von Verbrechen gleichsam an der gefühllosen Welt zu rächen suchen? Wer aber unter solchen, die von einem freundlichen Geschicke dazu berufen, vor festlich geschmückten und strahlenden Zuhörern und andächtig erhobenen Augen weise Betrachtungen über den barmherzigen Samariter anzustellen, möchte die mit Wohlgerüchen angefüllte Atmosphäre mit der dicken Luft in jenen scheußlichen Baracken, wenn auch nur auf Stunden, vertauschen, um mit der Erklärung des kindlichen Spruches: »Es ist leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in das Himmelreich komme,« die Zeit zu vergeuden?

      Wie Glanz und Reichthum ihre Privilegien besitzen, so sind auch dem Elende und dem Verbrechen ihre Vorrechte stillschweigend von der Gesellschaft zuerkannt worden, nämlich die Vorrechte, daß Seufzer und Klagen ungehört verhallen dürfen, die Augen der wachsamen Polizei gleich kalt über unverschuldete wie verschuldete Leiden hinwegschweifen und, außer der strengen Hand der Gerichtsbarkeit, sich Niemand in ihre inneren Angelegenheiten mischt.

      Es ist daher auch überflüssig, die Wege, die nach jenen verrufenen Stadtwinkeln führen, genauer zu beschreiben. Derjenige, dessen Endziel in jenen finsteren Regionen liegt, wird sie früh genug und ohne weitere Anweisungen erreichen, und Andere, die höchstens von Neugierde beseelt sind, brauchen nur dem täglich in unabänderlicher Weise einherwogenden СКАЧАТЬ