Der Meerkönig. Balduin Möllhausen
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Читать онлайн книгу Der Meerkönig - Balduin Möllhausen страница 24

Название: Der Meerkönig

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754176504

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СКАЧАТЬ und zwar in so lautem Tone, daß die ihm Begegnenden, in der Meinung, von ihm angeredet zu sein, sich mehrfach nach ihm umschauten.

      Er kümmerte sich indessen um nichts weniger, als um die Vorübergehenden. Er hatte ein bestimmtes Ziel vor Augen, und offenbar ein recht bedeutsames, oder er hätte seine Schritte nicht so sehr beflügelt; denn seine kurzen Beine, die einem ziemlich wohlbeleibten, jedoch nicht unproportionirten Oberkörper als Stütze dienten, bewegten sich in einem so raschen Tacte an einander vorbei, daß man deren Bewegung bei dem unsteten Laternenlicht kaum mit den Augen zu verfolgen vermochte.

      Wäre er langsamer gegangen oder gar vor einer der flackernden Gasflammen ein Weilchen stehen geblieben, daß man ihn hätte genauer betrachten können, so würde man sich unstreitig an seinem Aeußeren ergötzt haben; doch nicht etwa, weil seine Gestalt um ein Erhebliches hinter der Mittelgröße zurückgeblieben war, oder weil die unstete Beleuchtung die merkwürdigsten Reflexe auf seine geröthete Nase warf, nein, keineswegs, denn das bemerkte man kaum; allein die freundlichen blauen Augen, die so klug und wohlwollend durch die ovalen Gläser seiner Brille rastlos umherschweiften, hätten dann wohl gefesselt, wie auch der Zutrauen erweckende, redliche Ausdruck, der auf dem ältlichen und nicht unschönen Gesichte, namentlich aber um die energisch zusammengekniffenen Lippen und die etwas über die Mittelgröße gerathene Nase schwebte.

      Ja, die Nase hatte einen lebhaften Anflug, und zwar nicht allein von der Kälte, denn in diesem Falle hätte sie sich in der warmen Stube stets wieder entfärben müssen, was sie aber absolut nicht that, offenbar, um zum Verräther an ihrem jovialen Besitzer zu werden und der Welt hinterlistig zu verkünden, daß er nicht nur stark schnupfe, sondern auch zu gelegener Zeit sein Glas Rothwein trinke, ohne indessen dadurch zum regelmäßigen Trinker zu werden. Jedenfalls paßte die Nase zu dem Gesicht so vortrefflich, daß unter den vielen Tausenden, die in ihrem Leben schon einen Blick auf dieselbe geworfen, nicht ein einziger an ihr oder ihrem Besitzer etwas zu tadeln gefunden hätte.

      »Hm, solche nichtswürdige Kälte, und dazu mitten im Winter, wo es den armen Leuten überhaupt schon der Theuerung wegen so kümmerlich geht!« grollte der kleine, alte Herr ärgerlich vor sich hin, als ob ihm fünfzehn Grad unter Null in den Hundstagen lieber gewesen wären.

      »Tausend - Welt, noch einmal! Da schaffe Einer eine warme Stube, wenn er kein Holz und auch kein Geld hat - abscheulich! Aber das muß anders werden!« fuhr er nach einer Pause fort, und wie um seine Versicherung zu bekräftigen, schob er sein spanisches Rohr unter den linken Arm, worauf er eine große, silberne Tabaksdose aus der Westentasche hervorsuchte und mit der linken Hand auf dieselbe klopfte.

      »Wahrhaftig zugefroren - tausend Welt, noch einmal!« sprach er laut, als der fast hermetisch schließende Deckel nicht sogleich vor seinen steif gefrorenen Fingern wich. »Aber warte, Halunke!« schalt er weiter, und nachdem er einige Male auf den Deckel gehaucht und demnächst mit dem Knopfe seines Rohrs gegen die Seite der Dose geklopft hatte, gelang es ihr leichter, Zugang zu dem köstlichen Inhalte zu finden.

      »Ah, es ist unverantwortlich, bis in die Taschen hinein zu frieren! Aber, tausend Welt, wo sind meine Handschuhe?« fuhr er plötzlich auf, indem er, nach Unterbringung der Dose, alle Taschen prüfend betastete, jedoch seine linke Hand zu untersuchen vergaß, in der er sonst ganz gewiß die in Kugelform zusammengerollten Handschuhe gefunden hätte.

      »Hm, meine theure Hälfte wird schönen Feuerlärm schlagen, wenn sie merkt, daß schon wieder ein Paar zum Teufel ist! Das sind schon die zweiten in dieser Woche. Wenn ich nur wüßte, wie sie ausgesehen haben! Kauf ich mir neue, so hilft's mir nicht, sie merkt's auf der Stelle, die gute Seele. O, terque quaterque, beati!« und dies mit einer unnachahmlichen komischen Herzlichkeit ausrufend und ohne die Eile seiner Schritte zu mäßigen, führte er sein spanisches Rohr mit kunstgerechter Bewegung, als sei es eine Flöte, an die Lippen, um einen lustigen Accord zu zischen - zum Pfeifen war es zu kalt - und mit den erstarrten Fingern die entsprechenden Griffe folgen zu lassen.

      »Ah, da sind sie ja!« rief er vergnügt aus, als ihm beim Ansetzen der Finger an die Stellen, wo er sich die Flötenklappen dachte, die Handschuhe beinahe entfallen wären. »Ein wahres Glück, tausend Welt! Da sieht man, wozu das Flötenblasen gelegentlich gut sein kann!« Und schnell streifte er die Handschuhe auf seine Finger.

      Eine lange Strecke legte er jetzt rüstigen Schrittes zurück, ohne wieder in sein behagliches Selbstgespräch zu verfallen. Erst als er in eine andere, hell erleuchtete Hauptstraße einbog, verlieh er seinen Gedanken und Betrachtungen auf's Neue halblaute Worte.

      »Soll mich wundern, ob ich sie zu Hause treffe,« begann er, nach der Richtung hinüberspähend, in welcher sein Ziel lag. »Vornehme Leute sind manchmal wunderlich, sie gehen in Gesellschaft, wenn andere Menschen das Bett aufsuchen. Hm, das ist das Einzige, was mir an meiner kleinen Renate nicht gefällt; schadet aber nicht, bleibt doch ein prächtiges Mädchen, und ihre Schuld ist es nicht, wenn ihr Vater verlangt, daß sie sein Haus repräsentiren soll. Armes Kind, keine Mutter, einen ganz braven Vater, der sich indessen nicht viel um sie kümmert - sich also ohne allen Schutz durch die verderbte Welt durchwinden zu müssen! Hm, hm, hm, habe sie sehr lieb, die kleine Gräfin. Besitzt sie doch ein Herz, wie Gold, und mehr Verstand, als hundert Andere aus ihren Kreisen zusammengenommen!«

      Unter solchen Bemerkungen, die sich nicht etwa eine unmittelbar an die andere anschlossen, sondern in längeren Pausen auf einander folgten, war der kleine Herr vor ein stattliches Haus gelangt, vor welchem zwei Laternen die Auffahrt hell beleuchteten und die Residenz eines vornehmen und reichen Mannes bezeichneten.

      Nachdem er sich durch einen Blick nach dem Theile des Gebäudes hinauf, in welchem diejenige wohnte, die er zu sprechen wünschte, überzeugt hatte, daß die Fenster erleuchtet waren, trat er mit entschiedenem Wesen an das Portal heran, und gleich darauf ertönte in der Wohnung des Portiers ein heftiges Klingeln.

      Die Thür wurde augenblicklich von unsichtbaren Händen geöffnet, und als der kleine Herr eintrat, eilte ihm auch schon ein Diener, der von dem energischen Klingeln auf sehr hohen Besuch gerechnet hatte, entgegen.

      »Es ist nur der Herr Doctor,« sagte der Diener enttäuscht, aber höflich, sobald er den Eintretenden erkannte.

      »Ja, ich bin der Doctor Bergmann, Freund, das lasse ich mir schon gefallen, allein das ›Nur‹ können Sie sich für jemand Anderes aufsparen - verstanden? Ich bin der Herr Doctor Bergmann und wünsche der Gräfin meine Aufwartung zu machen!«

      »Die gnädige Gräfin steht im Begriffe, auszufahren; es ist bereits angespannt und dürfte es daher für den Besuch des Herrn Doctors zu spät sein,« antwortete der Diener noch höflicher, als zuvor.

      »So, also ausfahren?« fragte der Doctor, die Arme über der Brust kreuzend und dem Diener herausfordernd in die Augen schauend. »Das können Sie allerdings wissen, lieber Mann; wer aber hat Ihnen gesagt, daß die Gräfin mich nicht vorher sehen will?«

      »Von dem Herrn Doctor hat die Gräfin gerade nicht gesprochen; es hieß nur im Allgemeinen, daß sie heute Abend ausfahre und deshalb nicht mehr zu sprechen sei.«

      »Gut, Freund, so gehen Sie nur hin und sagen Sie, der Doctor Bergmann sei da und habe ihr etwas dringend Nothwendiges mitzutheilen.«

      Der Diener verschwand ohne Säumen auf der Treppe, erschien aber schon nach einer Minute wieder, um dem Doctor zu verkünden, daß es der Gräfin sehr angenehm sein würde.

      Der Doctor nickte mit dem Kopfe, und nachdem er die Hülfe des Dieners zurückgewiesen, der ihm beim Ablegen seines Ueberziehers behülflich sein wollte, folgte er ihm langsam die mit dicken Teppichen belegte Treppe hinauf nach.

      Vor der Thür der Gräfin blieb der Diener stehen, um den Doctor herankommen zu lassen und auf ein Zeichen von ihm die СКАЧАТЬ