Der Meerkönig. Balduin Möllhausen
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Читать онлайн книгу Der Meerkönig - Balduin Möllhausen страница 30

Название: Der Meerkönig

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754176504

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СКАЧАТЬ die Hände über der ihre Brust bedeckenden Lumpenhülle faltend.

      »Merkwürdig, sehr merkwürdig,« versetzte der Gauner, indem er seine Frau mißtrauisch von der Seite betrachtete, »um solche Kleinigkeiten so viel Aufhebens zu machen. Ich begreife überhaupt nicht, wie Du Dich deshalb auch nur einen Augenblick hast beunruhigen können.«

      »Du begreifst das nicht?« fragte die Frau, die großen, eingesunkenen Augen vorwurfsvoll auf ihren Mann richtend. »Du begreifst nicht, daß die Strafe dem Verbrechen auf dem Fuße nachfolgte, der Segen von mir wich und ich mit meinem Kinde dem gräßlichsten Elende anheimfiel, weil ich mit ruchloser Hand die Kirche bestahl? Freilich, in Deinen Augen mag die schändliche That gerechtfertigt erscheinen, denn Du hast keine Ahnung davon, was es heißt, sich täglich, ja, stündlich eingestehen zu müssen, daß man vielleicht fremde, unbekannte Menschen in's Unglück stürzte. Ich habe so lange darüber nachgedacht, bis mir endlich Alles klar geworden ist; es handelte sich um einen Betrug, um die Schändung eines ehrlichen Namens, und ich - ich bin als Werkzeug dazu benutzt worden, denn ohne meine Hülfe hätte dergleichen nie geschehen können.«

      »Narrheiten,« warf der Gauner gleichgültig ein; »Du hast gehandelt wie ein gescheidtes Mädchen. Diejenigen, die Dich bezahlten, haben die Folgen Deines Diebstahls zu verantworten, und nicht Du. Auch wenn Du Dich nicht zu dem Geschäft verstanden hättest, würden Hunger und Elend Dich zu finden gewußt haben. Du warst eben nicht praktisch, hattest ein zu zartes Gewissen, oder es wäre anders mit uns geworden. Aber noch immer begreife ich nicht, wie Du auf den verrückten Gedanken gekommen bist, einem fremden Menschen die ganze Geschichte zu erzählen. Denn bringt er Dich auch nicht vor Gericht - wie ein Spion sah er mir wenigstens nicht aus -, so hast Du doch auch keinen Vortheil davon.«

      »Ja, ich habe Vortheil davon,« antwortete die Frau hastig und mit sichtbarer Anstrengung; »ich habe den Vortheil des Bewußtseins, daß denjenigen, die ich durch meine ruchlose Handlung schädigte, ihre Rechte wieder eingeräumt werden und ich ruhig sterben kann, und ich fühle mich krank genug, um an's Sterben denken zu dürfen. Wenn ich aber todt bin, werden die Leute meines offenen Geständnisses wegen sich meines Kindes erbarmen und es nicht unter freiem Himmel vor Hunger und Kälte umkommen lassen. Du hast ja die langen Jahre hindurch bewiesen, daß Du nicht im Stande bist, für Dein Kind zu sorgen. Das ist mit der Grund, weshalb ich das Geheimniß nicht länger bei mir behalten will; es muß herunter von meiner Seele, denn kann ich selbst auch hungern und frieren, so ertrage ich doch nicht den Anblick der Leiden unseres Kindes.«

      »Deine Berechnungen sind nicht ganz sinnlos,« bemerkte der Gauner, der während des letzten Theiles der Rede seiner Frau grübelnd vor sich niedergeschaut hatte. »Es kommt nur darauf an, wer und was die Personen sind, die Dich einst zu dem Diebstahl verleiteten, um zu ermessen, ob sich nicht auf andere Weise größere Vortheile erschwingen ließen.«

      »Was meinst Du damit,« fragte die Frau, von einer bösen Ahnung ergriffen.

      »Nichts,« antwortete der Mann kurz; »ich wünsche nur die Namen der Leute zu erfahren, die Dich zu dem saubern Geschäfte benutzten.«

      »Die Namen? Die Namen habe ich vergessen, aber es waren sehr vornehme Leute,« entgegnete die Frau mit unsicherer Stimme.

      »So? Hm, das ist sehr zu bedauern. Vielleicht entsinnst Du Dich der Namen, die auf dem Blatte standen.«

      »Die habe ich ebenfalls vergessen; ich glaube, der eine war derselbe, wie diejenigen führten, die mich zu der ruchlosen That veranlaßten.«

      »Merkwürdig, wie Du Dein Gedächtniß verloren hast,« versetzte der Gauner mit höhnischer Theilnahme. »Es bleibt mir also nur noch ein letzter Weg übrig; höre mir daher aufmerksam zu. Du weißt, ich mache nicht viel Umstände, und wenn ich eine Drohung ausgesprochen habe, so führe ich sie auch aus. Sieh Dir unser Riekchen noch einmal an, wie schön es ihm schmeckt, und dann denke Dir das Schlimmste. Ich bin also zu dem Schlimmsten entschlossen, wenn Du mir den geringsten Widerstand entgegenstellst; eben so bin ich aber auch mit mir darüber einig, sehr viel für Dich und das Kind zu thun, wenn Du meine Fragen aufrichtig und ohne Umschweife beantwortest.«

      Hier schwieg er eine Weile und seine entschlossenen Blicke bohrten sich gleichsam in die Augen seiner besorgt lauschenden Frau ein. Als er dann endlich glaubte, den seinen Zwecken entsprechenden Eindruck auf die Unglückliche ausgeübt zu haben, fuhr er fort: »Wo ist das Blatt aus dem Kirchenbuche?«

      »Ich habe es verlegt und verloren, ich hätte es längst dem alten Prediger zurückgebracht, wenn er nicht, bald nachdem ich den Diebstahl beging, gestorben wäre!« ächzte die Frau, ihr Gesicht abwendend.

      »Weib, ich frage Dich zum letzten Male: wo ist der Beweis, den Du in des Doctors Hände niederzulegen wünschtest?«

      Die Frau schwieg, allein das Zucken und Zittern, der sie bedeckenden Lumpen verrieth die Verzweiflung, in welche die Frage sie gestürzt hatte.

      »Ich stehe jetzt auf, und wenn ich erst aufgestanden bin, dürfte es Dir nicht so leicht werden, mich wieder zu Dir zurückzubringen.«

      Die Kranke wendete dem Vagabunden ihr erdfahles Gesicht zu, welchem das Entsetzen jeden andern Ausdruck geraubt hatte, und zugleich deutete sie mit dem skelettartig abgemagerten Arme nach einer kleinen, halb offen stehenden Thüre hinüber, die in den einzigen Nebenraum der Wohnung führte.

      »Ah,« rief der Mann überrascht aus, »also deshalb konntest Du dem Doctor das Papier nicht einhändigen? Aber es schadet nicht! Sage mir nur genau, in welchem Winkel meines Schlafcabinets Du Deinen Schatz verborgen hast!«

      Die Frau zögerte einen Augenblick, dann aber rief sie unter ausbrechenden Thränen:

      »Es hilft mir ja Alles nicht, ich bin in Deiner Gewalt, und vor dem Zuchthause wird mich hoffentlich der Tod bewahren! Geh' in die Kammer hinein und taste mit der Hand über der Thür in die zwischen dem Mauerwerke und der Thüreinfassung befindliche Ritze, und Du wirst es finden! Aber wenn Du noch einer Probe von menschlicher Regung fähig bist, so gieb es mir zurück - gieb es mir zurück, und ich verzeihe Dir Alles, was ich durch Dich erduldet habe!«

      Die letzten Worte vernahm der Gauner nicht mehr. Er war bereits in die Kammer, einen dunklen, leeren Raum mit einer dürftigen Strohschütte, eingetreten, und schon in der nächsten Minute erschien er wieder mit einem sorfältig in einen unsauberen Zeugstreifen gewickelten Paketchen in der Hand.

      »Ist dies das rechte?« fragte er, indem er nach dem Feuerherde schritt.

      Die Frau nickte zustimmend und verfolgte mit ängstlichen Blicken die Bewegungen ihres Gatten.

      Dieser hatte sich unterdessen dem Feuer genähert und entfernte unter mancherlei Bemerkungen über die Sorgfalt, mit welcher seine Frau das wichtige Document gegen das Vermodern zu schützen gewußt habe, die sechsfache Hülle von dem Paketchen, bis er endlich nur noch ein altes, mit vergilbter Schrift bedecktes Papier in den Händen hielt.

      »Richtig, ein Blatt aus einem Kirchenbuche!« rief er frohlockend aus, nachdem er einen prüfenden Blick auf das auseinander gefaltete Folio-Blatt geworfen hatte, und dann begann er, die einzelnen auf demselben verzeichneten Namen für sich zu lesen.

      »Lauter Bauern,« sagte er nach einer Weile, als er die eine Seite zu Ende gelesen hatte, »davon ist's natürlich Keiner; doch halt, wen haben wir hier?« rief er plötzlich aus. Als er aber gewahrte, daß die Blicke seiner nunmehr gesättigten Tochter mit starrer Neugierde auf ihn gerichtet waren, ergriff er einen brennenden Holzspan, und sich zu seiner Frau niederneigend, deutete er auf einen Namen.

      »Nicht wahr, dieser hier ist's?« fragte er mit unterdrückter und vor innerlicher Freude СКАЧАТЬ