Die Endzeitpropheten. Hermann Christen
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Название: Die Endzeitpropheten

Автор: Hermann Christen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742730626

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СКАЧАТЬ und spannend zugleich.

      'Ich hatte zulange mit Becker und Tino Kontakt', verscheuchte er den Gedanken.

      Doch beunruhigende Gedanken finden immer ein Hintertürchen, durch das sie ins Bewusstsein zurückdrängen. Mit beunruhigenden Gedanken war es wie mit Nasenpopel an den Fingern: egal was man anstellte, er klebte einfach woanders. Oder wie mit vielen der verruchten Gerüchte, die in der Kolonie hinter vorgehaltener Hand kursierten. Manchmal im Spaß geäußert, manchmal mit stirngerunzeltem Ernst zur Sprache gebracht. Gerüchte, wie das von der Metro, das Becker so nebenbei während eines Arbeitsmeetings erwähnt hatte.

      "Sie wissen doch, dass die Metrotunnels in großen Kreisen mehrfach um die Kuppeln führen."

      "Ich verstehe nicht…"

      Eben hatte Becker noch vom galoppierenden Zerfall der Kolonie gesprochen. Jetzt brabbelte er unvermittelt über die Metro.

      "Die Metro fährt zusätzliche Bögen und Kreise. Damit versuchen die Väter die Kolonie grösser erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich ist."

      "Professor. Was hätten sie davon?"

      Becker trat nahe an ihn heran und stach ihm seinen Zeigefinger mehrmals in die Brust. Eine Marotte, die Steve besonders hasste.

      "Ich glaube, Leute verschwinden", Becker hustete, "ich habe das Gefühl, dass in der Kolonie weniger Bewohner leben, als überall behauptet wird."

      "Liegt das nicht eher an der Einkind-Empfehlung der Väter? Eine Frau – ein Kind?"

      "Die ist aufgehoben. Schon eine ganze Weile", konterte Becker, "das kann nicht der Grund sein, warum immer weniger Leute in der Kolonie leben."

      "Trotzdem, wenn ich es mir überlege, Herr Professor, dann sind alle meine Kumpels Einzelkinder."

      "Aha! Und was schließen sie daraus?"

      "Dass es für die Frauen bequemer ist?"

      Becker schnaubte unwillig.

      "Falsch! Die Väter steuern es, damit in der Kolonie weniger Mäuler gestopft werden müssen."

      "Und warum sollten die Väter so etwas tun?"

      "Um uns zu täuschen. Um Fragen auszuweichen und nicht zugeben zu müssen, wie übel es um die Kolonie tatsächlich steht. Dass wir nicht mehr in der Lage sind, so viele Mäuler zu stopfen wie vor hundert Jahren."

      Steve grinste seinen Vorgesetzten frech an.

      "Tatsache ist, dass die Kolonie immer mehr von der Erde abhängig ist. Aber man spielt das herunter, verharmlost es, behauptet, dass es nur Ergänzungen der eigenen Produktion sind. Glauben sie mir, man täuscht uns, um nicht mit den Tatsachen herausrücken zu müssen. Zum Beispiel die, dass wir die Nahrungsmittelversorgung nicht mehr auf die Reihe kriegen. Man täuscht uns, damit wir nicht merken, dass wir wie ein Fötus am Nabel der Erde hängen."

      Becker überraschte ihn immer wieder mit phantasievollen Märchen und konnte Gegenargumente problemlos ignorieren. Er ließ keine Gelegenheit aus alles, was schief lief, den Vätern anzukreiden.

      Steve wunderte sich, dass Becker überhaupt unterrichten durfte. Was er manchmal von sich gab untergrub die Regeln der Kolonie und stellte Gesetze in Frage. Üblicherweise verstand die ÜKo in solchen Fällen keinen Spaß. Kaum eine Woche, wo im Telespeak nicht verkündet wurde, dass ein Querschläger verhaftet und zur Umerziehung eingewiesen wurde.

      Steve vermutete, dass die Väter und die ÜKo genug echte Probleme zu bewältigen hatten, um den über zwei Millionen Kolonisten und den heldenhaften Beamten, die auf der Erde ihren schweren Dienst taten, das Überleben zu sichern. Becker wurde wohl zu Recht als lächerlicher, harmloser Narr eingestuft.

      "Wenn sie mich fragen, wird die Kolonie bald aufgegeben, aber wenn es soweit ist, mein Freund, dann gehen die Probleme erst richtig los."

      "Dazu wird es nie kommen, Herr Professor."

      Becker überging den Einwand: "Schon heute könnte die Flotte nicht alle Kolonisten evakuieren – die meisten würden hier oben krepieren. Würde mich nicht wundern, wenn die Väter das mit einkalkulieren und sämtliche unangenehmen Elemente zurücklassen."

      Meistens gelang es Steve, Beckers Worte nicht ernst zu nehmen. Im Gegenteil: Beckers Geschichten waren auf eine gruselige Art ansteckend. Gerade richtig, um einer drögen Party Schwung einzuhauchen. Die Kunst dabei war, den angsteinflößenden Teil ins Groteske zu ziehen. Aber Becker und Tino, die meinten es ernst.

      Sicher, es war nicht alles perfekt. Stromausfälle, dicke Luft ab und an oder Lücken im Nahrungsangebot – damit konnte man leben. Nur die älteren Leute, zum Beispiel seine Mutter, behaupteten, dass früher alles besser gewesen sei. Vermutlich spielte den Leuten das nachlassende Gedächtnis einen Streich, denn für alle Pannen gab es logische Erklärungen: Meteoritenschwärme oder Photonenstürme, welche die Transportflotte zu Umwegen zwangen. Reparatur- und Wartungsarbeiten an der Infrastruktur. Steve sah keinen Grund, an den offiziellen Informationen zu zweifeln.

      Er zuckte zusammen, als sich der Mann erhob und zum Ausgang strebte. Er nickte ihm knapp zu und blickte anschließend stur auf die Schwenktür. Lichter an den Wänden des Tunnels signalisierten, dass die nächste Station nah war. Industrie.

      Wie ein Ingenieur der Wartungskolonne sah der Mann nicht aus. Steve kannte den mürrisch-angewiderten Gesichtsausdruck der Leute, die sonst hier ausstiegen. So krampfhaft unbeteiligt wie der da vor dem Ausgang stand, musste er ein Agent sein. Aber höchstens B-Liga, ein Neuling ohne Praxis. Ein Kandidat in der Schnupperstunde.

      Steve wusste von Jerry Cotton, wie ausgefuchst echte Agenten agierten. Der Hilfsschnüffler da am Ausgang hatte keine Ahnung! Die ÜKo hatte sich verrechnet: ihr Spitzel war bereits aufgeflogen, bevor er den ersten Buchstaben in den Bericht schreiben konnte.

      Steve lehnte sich selbstgefällig zurück. Egal was der Agent noch auf Lager hatte, er war gewappnet.

      Die Bahn stoppte und der Mann stieg ohne weiteren Blick aus und eilte zum Förderband, welches ihn aus dem Blickfeld beförderte.

      Einen Augenblick lang schwankte Steve zwischen Bedauern über das entgangene Abenteuer und Erleichterung.

      "Gut, dass meine Zeit bei Becker in drei Monaten um ist", seufzte Steve halblaut.

      Becker!

      Wahrscheinlich würde er nur auf einem Stuhl sitzen und Becker dabei zusehen müssen, wie er wilde, faktenfreie Theorien auf die Projektionsfläche kritzelte. Im Unterricht hielt sich Becker an den staatlich geprüften Lehrinhalt und vermittelte gewissenhaft und langweilig die Fakten zur Geschichte der Erde von vor der Großen Säuberung.

      Die Vorlesungen waren erträglich, aber die Workshops bogen Steves Belastungsgrenze bis kurz vor den Splitterbruch durch. In den Workshops kochte Beckers Spleen hoch und er dozierte unermüdlich über Endzeitpropheten, ihre Werke und davon, dass sie die Große Säuberung vorausgesagt hatten. Die Workshops waren Steve ein Greuel und sicherlich mit ein Grund für seinen Alkoholkonsum, den Eve sorgenvoll kritisierte.

      Die letzte Station vor der Uni flitzte vorbei. Er verstand sein Spiegelbild, das ihn mürrisch entgegenblickte. Steve erinnerte sich an die Zeit, als er die Assistenzstelle antrat. Anfangs versuchte er, den brachial ungelenken Thesen seines Professors zu folgen. Schließlich bekam er Geld СКАЧАТЬ