Die Endzeitpropheten. Hermann Christen
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Название: Die Endzeitpropheten

Автор: Hermann Christen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742730626

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СКАЧАТЬ stellt, Junge.', rechtfertigte er sein Versagen. Steve vermutete, dass Tinos Tiraden nur Ablenkungsmanöver waren, weil er im Job versagte. Er würde sich einen Gefallen machen, einen anderen, einfachen Job zu suchen. Eine monotone Arbeit, die beruhigte und sein Karma in Ordnung brachte. Zum Beispiel die Mondoberfläche entstauben.

      Es gab keine Regel der Väter gegen die er nicht opponierte. Erst vor zwei Tagen wetterte er gegen die Implantationspflicht.

      "Die kontrollieren uns und wenn es ihnen nicht passt, knipsen sie dich mit dem Implantat ferngesteuert aus."

      "Dann wundert es mich", spottete Steve, "dass sie deine Gehirnwindungen noch nicht gekocht haben. Du behauptest doch, dass du der Stachel in ihrem Fleisch bist, der sie daran erinnert, sich zu mäßigen. Aber", fuhr er mit einem Lächeln fort, "du könntest doch Recht haben, denn manchmal habe ich wirklich das Gefühl, von Hirntoten umgeben zu sein."

      "Du nimmst das auf die zu leichte Schulter, junger Mann."

      "Ich weiß nicht, warum du dich aufregst. Denn selbst wenn sie uns über die Implantate beobachten: es hilft offensichtlich dabei, den Laden hier in Schwung zu halten und zu verhindern, dass sich das Desaster von damals wiederholt."

      Alle Videos, die jeder Kolonist seit seiner frühesten Kindheit an kannte, bewiesen, wieviel Glück die Kolonie hatte, nicht im Sog der Großen Säuberung untergegangen zu sein. Statt zu Jammern sollte Tino dankbar sein.

      Wenn jemand in diesem Haus zu Klagen Anlass hatte, dann er, dachte Steve. Es war hart, die beiden vermutlich einzigen Vertreter der Kolonie zu kennen, die in der Arbeit der Väter etwas anderes als den Willen, der Kolonie selbstlos zu dienen, sahen. Vielleicht hatte Saturn nicht bei Tino, sondern bei ihm ungünstig gestanden.

      "Ihr jungen Leute seid so was von naiv. Glaubst du wirklich, dass Drohnen nur Pakete zustellen? Die haben Zusatzaufgaben. Ich sag's dir. Geheime Aufträge. Diese Dinger sind auf unsere Schwachstellen konditioniert und füttern die Datenbanken der ÜKo. Das kannst du mir glauben."

      "Vorgestern waren es noch die Implantate."

      "Die auch. Implantate und Drohnen ergänzen sich."

      Steve winkte ab und stopfte das Shirt in den Hosenbund. Tino war höchstens zehn Jahre älter und hätte leicht sein seltsam geratener, älterer Bruder sein können, den man besser zu Hause ließ, wenn man mit Freunden feierte. Doch seine Mutter hatte eine Vorliebe für jüngere Männer mit Ödipuskomplex und Hang zu geregelten Essenszeiten. Tino passte perfekt in ihr Beuteschema.

      Wenn er richtig lag, erreichte Tino bald sein Verfalldatum. Vielleicht ahnte Tino was ihm blühte und war deshalb besonders unausstehlich. Steve blickte zur Drohne hoch. Ein rotes Signal verlangte nach einem Augenscan.

      Es hieß, Augenscans machen blind. Er kannte zwar niemanden, dem das widerfahren war, doch das Gerücht geisterte seit Jahren im Telespeak herum. Genau die Art von verrückter Theorie, die von Tino stammen könnte. Allerdings, dachte Steve, musste was dran sein, wenn es im Telespeak war.

      "Mach schon, Memme", murmelte Steve und trat mit aufgerissenen Augen vor. Ein bläuliches Licht waberte über seine Augen. Das Signal an der Frontseite der Drohne wechselte zu grün. Sie schwebte heran und fuhr die Schublade aus. Steve sah einen Briefumschlag und atmete erleichtert auf. Der musste vom Professor sein. Helen würde nie einen Brief auf Papier schreiben.

      Helen: sie war lustig und anstrengend zugleich. Sie wollte in die Politik. Politik sei, dozierte sie, der kunstvolle Drahtseilakt zwischen Dienen und Lenken. Politik sei die Matrix, die der Formlosigkeit des freien Willens Halt und Perspektiven schaffe.

      Eigentlich passten sie nicht zueinander. Steve langweilte sich, wenn sie über Politik redete. Die gewählten Politiker der Kolonie besaßen ohnehin nur beratende Funktion. Es waren die Väter, die den Kurs bestimmten und die ÜKo, die ihn durchsetzte. Väter amteten auf Lebenszeit und mussten ihre Amtsführung nicht danach ausrichten, wieder gewählt zu werden. Nur so, das lernte jeder in der Schule, waren auch unbequeme Maßnahmen, die den Erhalt der Kolonie sicherten, durchführbar.

      Die Regierung sorgte für die Ausbildung, garantierte jedem einen Job und stellte nur ein paar einfache Regeln auf. Wenn man sich nicht, wie Tino, mit dem Regime anlegte, wurde man in Ruhe gelassen. 'Jeder für jeden – alle für die Kolonie' war der Grundsatz, wie die Kolonie funktionierte. Genau gleich wie bei den Musketieren vor langer Zeit.

      Nur Soziopaten schimpften gegen Regulierungen. Typen wie Tino und Becker, die nicht müde wurden, bedeutungslose Details aufzubauschen und wilde 'Fakten' darum herum zu basteln. Wären sie wenigstens Alkoholiker, wäre ihr Verhalten therapierbar gewesen. Mit ihren Verschwörungstheorien machten sich die beiden ihr Leben selber schwer.

      Steve hingeben genoss das Leben in vollen Zügen und redete sich ein, zu Hause nur nicht auszuziehen, weil er Eve nicht enttäuschen wollte. Helen wollte ihn da herausreißen, sprach von Verantwortungsgefühl und pochte auf einen Zeitvertrag. Das klang nach Entwurzelung. Zeitverträge waren Handschellen.

      "Wieder durchgefallen?", frotzelte Tino.

      Steve winkte ab. Er klaubte den Umschlag aus der Schublade und bestätigte den Empfang. Die Drohne stieg höher und sauste weg. Steve blickte ihr nach. Gegen die fleckig-gelblich schimmernde Kuppel, welche die Kolonie vor der lebensgefährlichen Umwelt des Mondes schützte, bildeten ihre Umrisse einen scharfen Kontrast.

      "Und?"

      "Was und?"

      "Durchgefallen?"

      Steve seufzte. Er hatte Tino schon tausendmal erklärt, dass er sein Bauingenieurdiplom in der Tasche hatte und jetzt in Professor Beckers Institut arbeitete.

      "Wahrscheinlich nicht", antwortete er gedankenverloren und drehte den Umschlag unschlüssig in den Händen. Papier! Reine Ressourcenverschwendung! Typisch Professor, der nicht nur geistig in der Welt vor der Großen Säuberung zu Hause war, sondern sich auch so verhielt.

      "Was will er jetzt schon wieder", murmelte Steve und drückte einen Kaffee. Er legte den Umschlag neben sich auf den Tisch und schlürfte aus der dampfenden Tasse.

      "Willst du nicht wissen, was drinsteht?"

      Tino setzte sich Steve gegenüber und knabberte einen Keks. Steve beobachtete angeekelt, wie Krümel an der feuchten Oberlippe kleben blieben. Anblicke, die anwiderten, erscheinen immer wie durch ein Mikroskop vergrößert und liefen in Zeitlupe ab.

      "Warum wurde das nicht übers Telespeak geschickt? So wichtig kann es doch nicht sein, wenn es für dich ist."

      Tino grinste breit. Steve hoffte, dass seine Mutter einen Tinoersatz heimschleppte, der einen richtigen Job hatte und nicht am Frühstückstisch rumnervte.

      "Ist von meinem Professor. Der schickt nie was über Telespeak."

      "Der weiß warum!", nickte Tino wissend. Ein Krümel löste sich, klackte auf den Tisch und fiel zu Boden.

      "Dein Professor ist clever. Der weiß genau, dass uns die Väter an der Nase herumführen und die fetten Brocken für sich abzweigen."

      "Blödsinn."

      "Meinst du? Junge, mach die Augen auf! Seit Jahren ist alles gleich, seit Generationen wurde keine neue Kuppel gebaut. Nicht mal Nummer 10 haben sie repariert."

      "Der Meteor der damals in Zehn reinkrachte, hat alles zerstört. Da gibt's nichts mehr zu reparieren."

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