Die Endzeitpropheten. Hermann Christen
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Название: Die Endzeitpropheten

Автор: Hermann Christen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742730626

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СКАЧАТЬ Ende war es egal, ob die Katholiken oder sonst eine verdrehte Gruppierung die Große Säuberung auslöste. Die Katholiken unterschieden sich von allen anderen nur dadurch, dass es sie wieder gab.

      Hirsch wusste Bescheid. Mehr als ihm lieb war. Er erinnerte sich an seinen Mentor, Vater Krug, der während der höheren Offiziersschule aufzeigte, wie krank die Menschheit vor der Großen Säuberung war.

      Den Leuten fehlte ein gemeinsames Ziel, eine Vision, die sie alle vereinigen konnte. Stattdessen prallten Ethiken, Religionen, politische und wirtschaftliche Strömungen aufeinander, rieben sich und erhitzten die Gemüter. Es war das goldene Zeitalter der Marktschreier, der Scharlatane und Lügner, der Egozentriker und Gierigen. Die Menschenmassen wurden mit Widersprüchen bombardiert und verwirrt. Es war egal, welcher Gruppierung man folgte, ob militante Naturschützer oder gutmenschliche Genderisten, ob völkische Populisten oder religiöse Fundamentalisten, ob Wirtschaftslobbyisten oder weltfremde Nudisten: alle reklamierten die Wahrheit für sich und knüppelten Andersdenkende nieder. Jahrzehnte lang lief es gut. Doch dann gingen den Neoliberalen die Opfer in den Drittweltländern aus und sie mussten gezwungenermaßen über sich selber herfallen. Mit vor Empörung zitterndem Zeigefinger anklagen funktioniert nur, solange sich die Opfer nicht wehren.

      Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Idiot die erste Atombombe zündete, die das brodelnde Fass zum Überlaufen brachte.

      Einmal entfacht, fraß sich das Feuer der Vernichtung durch die Länder, Regionen und schließlich durch die Kontinente. Zerstörung und Mord rafften die Menschen weg, Wahnsinn und Vernichtung liquidierten die technischen Errungenschaften. Es war Zufall, dass die Luna-Kolonie überlebte. Auf Luna wappnete man sich in höchster Eile gegen mögliche Schläge der Erde, atombomben-bestückte Raketen, Selbstmord-Shuttles. Boten des Wahnsinns, die das Feuer des Niederganges auch in die Kolonie tragen würden. Es war reines Glück, dass die Technik, die dieses ermöglicht hätte, bereits zu Beginn des Wahnsinns eliminiert wurde. Nach zwei Jahren flaute die Raserei ab. Was übrig blieb konnten die Väter in Schach halten – bis heute.

      Die Väter beschlossen, den Dingen auf der Erde ihren Lauf zu lassen. Erst fünfzig Jahre nach der Großen Säuberung wurden fernab von den Siedlungen der Überlebenden Basen aufgebaut, um Rohstoffe zu fördern und Nahrung zu produzieren.

      Die Väter hielten die Erdlinge auf Trag, provozierten Kleinkriege und Hungersnöte. Ein visionäres Meisterstück war die 'Aktion Unkraut', die Seuchen auf der Erde verbreitete. Erst als die Epidemien in die Kolonie zurückschlugen, wurde 'Aktion Unkraut' redimensioniert. Hirsch bewunderte die Tatkraft jener Vätergeneration und ihre Bereitschaft, zum Wohl der Kolonie unbequeme Entscheide kompromisslos umzusetzen. Es war die Blütezeit der Kolonie.

      Hirsch war lange genug auf dem verdammten Planeten stationiert gewesen. Lange genug um zu wissen, warum man ihn fürchten musste. Lange genug, um ihn lieben zu lernen. Vor allem aber lange genug um zu erkennen, wie umsichtig die Väter agierten. Die Auswirkungen von zügellosem Freidenken waren bis heute an den Narben der Erde sichtbar.

      Die Väter hatten das erkannt. Sie wussten, dass freie Gedanken und Ideen den Keim der Vernichtung in sich trugen und den Boden für die Saat der Unzufriedenen düngten. Und sie wussten, wie man dagegen vorging.

      Die Kolonisten wurden von frühester Kindheit an auf Gesellschaftstauglichkeit getrimmt. Die ÜKo hielt aufmerksam Ausschau nach Krebszellen von bürgerlichem Unmut und entfernte diese rigoros. Der Körper der Gesellschaft musste tüchtig und gesund bleiben.

      Telespeak, die Implantate und die räumlichen Grenzen der Kuppeln waren Erfolgsgaranten für die Staatsicherheit. Das konnte auf der Erde nicht funktionieren. Alleine die unfassbare Größe des Planeten verunmöglichte eine lückenlose Überwachung. Das Ausmaß der Erde war der Albtraum für jeden erfolgsorientierten Spitzel.

      Doch das koloniale Erfolgsmodell zeigte Abnutzungserscheinungen. Hirsch beobachtete besorgt, dass die Kolonisten mehr und mehr zu antrieblosen Hohlköpfen verkamen. Es war erschreckend, wie desinteressiert Versorgungslücken oder Fehlfunktionen der Infrastruktur hingenommen wurden. Keiner fühlte sich verantwortlich und jeder wartete, bis 'irgendwer, irgendwann, irgendwie' es richten würde. Der Preis für den handzahmen Kolonisten war zu hoch. Kreativität und Neugier verkümmerten.

      Die Kraft der Kolonie erlahmte. Das gelenkte Denken hatte hirnlose Maden hervorgebracht, die sich um sich selbst wanden und nach Futter schrien. Die Kolonie stagnierte und vermochte kaum noch, die überlebenswichtige Technik am Laufen zu halten. Die künstliche Schwerkraft unter den Kuppeln musste vor Generationen größtenteils abgeschaltet werden, weil die Energieproduktion nicht reichte. Viele der lunaren Gewächshäuser waren außer Betrieb und die lebenswichtige Transportflotte zerfiel zusehends. Zyniker behaupteten, dass die Transportschiffe zwischen dem Mond und der Erde so viele Einzelteile verloren hatten, dass mittlerweile ein fester Fussweg zwischen den Himmelskörpern bestand. Längst mussten viele Jobs in der Kolonie durch Menschen erledigt werden, weil Maschinen nicht mehr repariert werden konnten. Die Devise 'ein Mensch – ein Job' übertünchte das Problem, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sich das nicht mehr kaschieren ließ.

      Die Tatsache, dass sich die Fähigkeiten der Kolonie und die Abhängigkeit von der Erde in entgegengesetzte Richtungen entwickelten, war besorgniserregend.

      Selbst die Schutzkuppel zeigte Ermüdungserscheinungen. Die einst glasklare Transparenz war einer gelblichen Trübe gewichen. Sie glich einer Greisin mit Leberproblemen.

      Für ihn war klar, dass diese Entwicklung bekämpft werden musste. Seine Chancen, selbst ein Vater zu werden, standen gut. Der Rat bestand zur Hälfte aus Veteranen, welche die Narben der Erde vor Ort gesehen hatten und die wussten, dass alle Mittel erlaubt waren, eine zweite Katastrophe um jeden Preis zu verhindern.

      Doch auch der Rat der Väter war mittlerweile träge und selbstgefällig. Die Untätigkeit des Rates gefährdete die Kolonie.

      Hirsch spürte den inneren Widerspruch seiner Gedanken, denn denkende Kolonisten würden früher oder später zu Eigeninitiativen tendieren. Wie damals die Techniker.

      Er glaubte, das Heilmittel gegen den Zerfall zu kennen: Stolz! In den Kolonisten musste der Stolz geweckt werden. Worauf man stolz war, behütete und beschützte man.

      Die Kolonie musste von innen heraus erneuert werden. Die Kolonie brauchte kreative Köpfe, um die Missstände zu eliminieren und um sich weiter zu entwickeln. Noch waren seine Pläne nebulös. Außer dem Programmnamen, 'Projekt Lazarus', waren seine Ideen noch nicht ausgereift.

      Er schob die Gedanken bei Seite.

      "Du bist noch nicht im Rat", murmelte er durch die Zähne, "du hast hier eine Aufgabe, die du gewissenhaft zu erledigen hast. Was kommt, kommt, wenn es Zeit dafür ist.

      Hirsch aktivierte den Ruf für seine Mitarbeiter.

      Prähistorik

      Steve starrte grübelnd auf die Innenseite des Kabinenfensters der Metro. Er registrierte die vorbeiflitzenden Lichter der Notausgänge des Tunnels kaum. Sein Blick klebte an seinem Spiegelbild, das gedankenverloren zurück glotzte. Er setzte sich auf und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Spiegelung im Fenster. Auf der anderen Seite, um eine Sitzreihe verschoben, saß ein Mann, der mit seinem Telespeak herumfummelte. Er kannte denn Kerl nicht. Steve fuhr die Strecke mehrmals pro Woche und kannte jeden, der diese Strecke fuhr. Der Mann blicke kurz auf. Steve zuckte zusammen, als er seinen stechenden, prüfenden Blick sah.

      Das Gespräch mit Tino und die Warnung Beckers fielen ihm ein. Der Gedanke, dass ihn ein Häscher der ÜKo verfolgte, erregte ihn. Es war ein Abenteuer, wie es Jerry СКАЧАТЬ