Название: Schlussstein
Автор: Peter Gnas
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741809613
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„Das ist ein guter Hinweis“, sagte Rotberg, „Ich rufe den Techniker noch mal an.“
Der wusste sofort Bescheid: „Das ist nicht Besonderes. Vocoder heißen solche Geräte. Viele Tonstudios nutzen heute diese Stimmmodulation. Je besser die Geräte sind, desto mehr Möglichkeiten hat man. Die preiswerteren Geräte erzeugen diese technisch klingenden Stimmen, die sie sicher schon in HipHop-Stücken gehört haben. Sie haben keine große Varianz. Teurere Apparate besitzen nahezu unbegrenzte Möglichkeiten.“
„Das heißt, unser Anrufer hat ein teureres Gerät im Einsatz?“, fragte Rotberg.
„Vermutlich.“
„Sind die komplizierter zu bedienen?“, wollte Rotberg wissen.
„Man muss sich dafür interessieren, dann geht es.“
„Können Sie mir eine Liste solcher in Frage kommender Teile anfertigen? Dann können wir uns ja umhören, wer so etwas gekauft hat.“
„Ja klar, mache ich“, antwortete der Techniker.
„Na also“, sagte Rotberg zu Sabrina Hamm, „schon ergeben sich Anhaltspunkte. Du wirst sehen, in zwei Wochen haben wir das Schwein.“
Rotberg ließ sich selten zu solchen Aussagen über einen Täter hinreißen. Sabrina Hamm merkte daran, wie sehr ihn dieses Verbrechen belasten musste.
„Darf ich etwas anderes sagen“, fragte sie. „Deswegen bin ich eigentlich zu dir gekommen.“
„Ach so, klar leg’ los.“
„Bis auf sechs Kindertagesstätten sind jetzt alle Einrichtungs-Leiterinnen informiert. Alle haben zugesagt, pünktlich in den zuständigen Wachen zu sein. Fast alle bringen unsere Aktion mit den Nachrichten in Zusammenhang. Wir hoffen, dass die alle dichthalten.“
„Was tun wir, wenn das erledigt ist und die Aktion draußen läuft?“, wollte Sabrina Hamm wissen.
„Du fährst dann nach Hause und legst dich ein paar Stunden aufs Ohr“, antwortete Rotberg.
„Und du?“
„Ich lege mich hier zwei Stunden auf eine Bank – ich bin hundemüde“, sagte er.
„Wenn du hier bleibst, bleibe ich auch – ich kriege ohnehin kein Auge zu“, meinte sie.
„Gut“, sagte er, „dann warten wir auf die Nachricht, dass alles läuft und holen uns eine Mütze Schlaf.“
Bremen, Dienstag 10. Februar 2009, 05.00 Uhr
Eine gewisse Unruhe durch Autos, die kreuz und quer durch die Stadt fuhren, blieb nicht aus. Besonders in der Nähe der Polizeireviere wachten einige Anwohner mit leichtem Schlaf auf und bemerkten überraschend viele Wagen, die nach Parkplätzen suchten. Niemand machte sich aber tiefergehende Gedanken. Es passierte ja eigentlich nichts.
Die Ersten, die in den Dienststellen auftauchten, waren Polizeibeamte. Es gab auch vereinzelte Kindergartenleiterinnen, die eine Stunde früher kamen.
Die Polizeileitung hatte sich entschlossen, gegenüber den Kindergartenleitungen – überwiegend Frauen – mit offenen Karten zu spielen. Die Damen würden nichts von dem, was sie erfuhren, weiterkommunizieren.
Es wurde besprochen, mit einigem zeitlichen Abstand zueinander aufzubrechen, um die Unruhe rund um die Reviere nicht unnötig zu vergrößern. Man wollte keine Aufmerksamkeit auf die Aktion ziehen.
Dass in den Kindertagesstätten schon eine Stunde früher als üblich Licht brannte, würde niemanden misstrauisch machen. Die Beamten, die die Kindergärten später abriegeln sollten, hatten den Auftrag eine grobe Untersuchung aller Räume vorzunehmen. Sie sollten, auf abgestellte Taschen oder auf Kartons achten. Es durfte nichts angerührt werden. Wer etwas fand, sollte den Sprengmittelräumdienst informieren.
Es gab insgesamt fünf Anforderungen der Sprengstoffexperten. In der Stadt waren nur zwei Teams verfügbar, die sich sofort auf den Weg machten, um die verdächtigen Gegenstände zu begutachten. Es wurden drei Werkzeugkoffer und zwei Kartons, die man gefunden hatte, in die Gärten der Einrichtungen an für die Nachbarschaft schwer einsehbare Plätze gebracht. Dort wurden sie in Behältern, die Explosionen hemmen, abgestellt und mit Sand überdeckt.
Die Anwohner, die in kritischer Nähe zu diesen Plätzen wohnten, wurden von der Polizei gebeten, sie in die Turnhallen zu begleiten. Auch diese Menschen wurden zum Stillschweigen verpflichtet. Sie durften keine Mobiltelefone mitnehmen, damit es keine unerwünschten Kontakte zur Presse gab.
Die Polizei und die Kindergartenleitungen informierten die Erzieherinnen und Erzieher erst vor Ort, dass sie ihren Tag heute an anderer Stelle verbringen sollten.
Um sieben Uhr morgens tauchten die ersten Eltern auf, die ihre Kinder zur Tagesstätte bringen wollten. Es waren, wie vermutet, deutlich weniger Kinder unterwegs. Die meisten, die zu den Kindergärten kamen, hatten keine Nachrichten gehört oder gesehen. Sie waren überrascht und hielten die Aktion für eine reine Vorsichtsmaßnahme nach dem vermeintlichen Unfall vom Vortag. Einige Kinder kamen allein und wurden gleich von ihren Erziehern in Empfang genommen.
Ein Teil der Polizeibeamten war in Zivil vor Ort, sie begleiteten die Kindergruppen zu den nächstgelegenen Schulen. Die Zahl an Kindern, die durch die Straßen gingen, waren zwar ungewöhnlich groß, die Menschen machten sich aber keine Gedanken darüber. Sie konnten ja nicht wissen, dass das, was sie hier sahen, gerade im gesamten Stadtgebiet passierte.
An den Schulen informierte die Polizei Lehrer und Schüler, dass an diesem Tag eine Informationsveranstaltung für Kindergartenkinder stattfände. Solche Veranstaltungen waren bislang niemandem bekannt, es machte sich aber niemand Gedanken – im Gegenteil, den Lehrern gefiel es überwiegend.
Nach ungefähr neunzig Minuten waren auch die letzten Nachzügler in den Turnhallen untergebracht. Die Sprengstoff-Experten machten sich nun daran, die verdächtigen Funde mittels einer Röntgenapparatur zu untersuchen. Alle drei Behälter erwiesen sich als harmlos.
Nachdem auch diese Arbeit abschlossen war, hatten die Polizisten vor Ort den Auftrag, die jeweilige Kindertagesstätte nochmals gründlich zu durchsuchen. Im Laufe des Vormittags wurden Spürhunde durch alle Einrichtungen geführt. Die Bremer Polizeidirektion hatte noch in der Nacht Niedersachsen und Hamburg um weitere Hunde gebeten, damit man die Häuser zügig untersuchen könne.
Bremen, Dienstag 10. Februar 2009, 11.05 Uhr
Die große Polizeipräsenz in der Stadt fiel irgendwann auf. Presse, Funk und Fernsehen schlossen aus den Aktivitäten auf eine Bestätigung eines Bombenanschlags. Die Medien hatten neben dem Sitz des Innensenators auch das Polizeipräsidium belagert. Sie erwarteten nun endlich eine Antwort auf die Frage, ob auf dem Kindergartengelände Erdbeerweg Hinweise auf eine Bombe vorlagen.
Der Innensenator hatte für elf Uhr dreißig eine Pressekonferenz im Rathaus angekündigt. Auf dem Bremer Domshof fanden sich immer mehr Übertragungswagen ein. Auch aus den benachbarten Ländern waren Medienvertreter angereist. Nach den Nachrichten am Abend zuvor gab es während der gesamten Nacht, Spekulationen über mögliche Täter. War es ein rein finanzielles Interesse oder wurde Geld erpresst für extremistische Ziele? Handelte es sich um eine radikale deutsche Gruppe oder um einen islamistischen Hintergrund?
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