Название: Kapitalmarkt Compliance
Автор: Karl Richter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447035
isbn:
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Streitig ist, ob der Rechtsverlust eine schuldhafte Pflichtverletzung voraussetzt. Nach h.M. tritt der Rechtsverlust aus § 44 WpHG nur ein, wenn der Meldepflichtige schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig seine Mitteilungspflichten nicht erfüllt.[383] Dabei ist zu beachten, dass der potentiell Mitteilungspflichtige die Möglichkeit hat, die BaFin zu kontaktieren, um in Zweifelsfällen eine abschließende Klärung herbeizuführen.[384] Im Sinne der Verschuldensfrage wird man daher vom Mitteilungspflichtigen erwarten dürfen, dass er sich in Zweifelsfällen mit der BaFin ins Benehmen setzt. Eine in Abstimmung mit der BaFin unterbliebene Stimmrechtsmitteilung kann dann nicht mehr schuldhaft sein, selbst wenn die Gerichte eine Mitteilungspflicht annehmen würden. Umkehrt dürfte das Unterlassen einer Mitteilung schon dann jedenfalls fahrlässig sein, wenn Zweifel an der Rechtslage bestanden und gleichwohl eine Abstimmung mit der BaFin unterbleibt. Fahrlässig handelt der Meldepflichtige auch, wenn er seine Informationsverschaffungspflicht verletzt oder hierbei die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Dazu gehören bei Unternehmen Organisationspflichten zur Sicherstellung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten.[385]
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Im Falle einer Delegation der Wahrnehmung der Mitteilungspflichten (beispielsweise auf Mitarbeiter) ist streitig, ob der Meldepflichtige sich das Unterlassen der Mitteilung oder deren fehlerhafte Ausführung nach §§ 31, 278 BGB zurechnen lassen muss.[386] Unterstreitig befreit die Delegation der Wahrnehmung der Meldepflichten den Meldepflichtigen und die Geschäftsleiter allerdings nicht von ihrer Organisationsverantwortung: Eine Delegation der Meldepflichtigen im Unternehmen oder deren Übertragung auf Dritte verlangen eine ordnungsgemäße Auswahl, Einweisung und Überwachung sowie die Absicherung von Information-, Auskunfts- und Weisungsrechten.[387]
a) Umfang des Rechtsverlustes
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Von den Sanktionen des Rechtsverlusts sind sämtliche Aktien erfasst, die dem Meldepflichtigen gehören, sowie diejenigen, die ihm nach § 34 WpHG zugerechnet werden.[388] Der Rechtsverlust ist allerdings auf Aktien beschränkt und nicht auf Bezugsrechte, Wandelschuldverschreibungen oder Aktienoptionen anwendbar.[389] Im Falle eines Verstoßes der Mitteilungspflichten bei Halten von Instrumenten gem. §§ 38, 39 WpHG erstreckt sich der Rechtsverlust jedoch gem. § 44 Abs. 2 WpHG auf sämtliche Aktien, die der Mitteilungspflichtige am betroffenen Emittenten hält.
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Der Rechtsverlust erfasst sämtliche Mitwirkungs- und Mitverwaltungsrechte des Meldepflichtigen:
– | das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung einschl. des Antragsrechts,[390] |
– | das Auskunfts-,[391] Frage- und Rederecht aus § 131 AktG,[392] |
– | das Stimmrecht gem. §§ 12, 134 AktG,[393] |
– | das Gegenantragsrecht i.S.v. § 126 AktG,[394] |
– | Einsichtnahmerechte im Vorfeld einer Hauptversammlung (z.B. aus §§ 175 Abs. 2, 293f Abs. 1, 327c Abs. 3 AktG, § 63 UmwG),[395] |
– | die Anfechtungsbefugnis nach § 245 AktG (nicht aber die Befugnis zur Erhebung von Nichtigkeitsklagen, sofern das allgemeine Feststellungs- und Rechtschutzinteresse vorliegt),[396] |
– | das Recht aus § 122 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AktG, die Einberufung der Hauptversammlung oder die Ergänzung der Tagesordnung zu verlangen, einschließlich der Befugnis zur Einberufung der Hauptversammlung,[397] |
– | das Recht, gem. § 142 Abs. 2 und Abs. 4 AktG einen Antrag auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern einzureichen,[398] |
– | die Antrags- und Klagerechte von Aktionären zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Gründern und Mitgliedern von Verwaltungsorganen gem. §§ 147 Abs. 2 und 148 Abs. 1 AktG,[399] |
– | das Recht, Einberufung einer Hauptversammlung zum Zwecke des Squeeze-out nach § 327a Abs. 1 AktG zu verlangen.[400] |
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Neben den Verwaltungsrechten kann der Rechtsverlust auch die Vermögensrechte des meldepflichtigen Aktionärs und solcher Aktionäre, deren Stimmrechte dem Meldepflichtigen nach 34 WpHG zugerechnet werden, erfassen. Hierunter fallen:
– | der Anspruch auf Beteiligung am Bilanzgewinn (Dividendenrecht) gem. § 58 Abs. 4 AktG,[401] |
– | der Anspruch aus § 271 AktG auf Teilhabe an einem etwaigen Abwicklungsüberschuss (Liquidationserlös),[402] |
– | Ausgleichs-, Umtausch- und Abfindungsansprüche bei Umwandlungen und Konzernierungssachverhalten,[403] |
– | Bezugsrechte auf junge Aktien im Rahmen von Kapitalerhöhungen aus § 186 Abs. 1 AktG,[404] |
– | gesetzliche Bezugsrechte auf von der Gesellschaft ausgegebene Wandel-, Option- und Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechte gem. § 221 Abs. 4 AktG.[405] |
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Maßgeblicher Zeitpunkt für den Verlust des Dividendenanspruchs ist der Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses gem. § 174 AktG.[406] Strittig ist, ob der Verlust des Dividendenanspruchs zu Folge hat, dass sich der Anspruch der übrigen Aktionäre auf Dividende entsprechend erhöht[407] oder ob er sich als außerordentlicher Ertrag bei der Gesellschaft darstellt.[408]
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Im Zusammenhang mit Bezugsrechten ist streitig, ob maßgeblicher Zeitpunkt der Beschluss über die Kapitalerhöhung,[409] die Eintragung im Handelsregister nach § 184 AktG, der Ablauf der Bezugsfrist nach § 186 Abs. 1 S. 2 AktG[410] oder die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ist. Da der Bezugsanspruch im Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses entsteht, ist dieser Zeitpunkt wohl der maßgebliche. Hierfür sprechen auch Gründe der Rechtssicherheit.[411] Strittig ist auch hier, ob sich die Bezugsrechte der übrigen Aktionäre quotal erhöhen[412] oder ob der Bezugsanspruch mit der Folge verfällt, dass die Aktien anderweitig von der Gesellschaft abgegeben werden können.[413]
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Der Rechtsverlust hat grundsätzlich endgültige Wirkung.[414] Eine während der Dauer des Rechtsverlustes dennoch vorgenommene Rechtsausübung des betroffenen Aktionärs ist damit nicht schwebend, sondern dauerhaft unwirksam.[415] СКАЧАТЬ