Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
isbn:
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Die Apotheker sind über den Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V zur Abgabe der preisgünstigsten Arzneimittel oder sogar zur Ersetzung (Substitution) durch ein preisgünstigeres, aber hinsichtlich Wirkstärke und Packungsgröße identisches, wirkstoffgleiches Präparat des gleichen Anwendungsgebietes verpflichtet, wenn der Arzt dies nicht auf seiner Verordnung ausgeschlossen hat (sog. „Aut-idem-Verordnung“).[47] Besteht zwischen Krankenkasse und Pharmaunternehmen eine Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V, hat der Apotheker das dort vorgesehene Präparat abzugeben, § 129 Abs. 1 S. 3 SGB V. Durch die Rabattverträge und die Möglichkeit der Substitution kommt es regelmäßig vor, dass der Vertragsarzt nicht weiß, welches Präparat sein Patient wirklich erhält. Das schafft die Gefahr unerwünschter Arzneimittelinteraktionen bei Polypharmazie[48] und konterkariert Sinn und Zweck eines Medikationsplanes, auf den Versicherte, die wenigstens drei Arzneimittel gleichzeitig anwenden, nach § 31a SGB V einen Anspruch haben.
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Das Ausgabenvolumen für die von den Vertragsärzten nach § 31 SGB V veranlassten Leistungen, Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, wie auch Kriterien für Sofortmaßnahmen vereinbaren die Krankenkassen mit den KV jährlich auf Landesebene (§ 84 SGB V). Flankierend dazu sollen die KV und Krankenkassen nach § 73 Abs. 8 SGB V die Vertragsärzte über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen informieren und Hinweise zu Indikation und therapeutischem Nutzen geben. Die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Vertragsarztes wird nachträglich auf Basis von Rahmenvereinbarungen der BMV-Partner geprüft (§§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 106b SGB V). nach welchen Kriterien die Prüfungen durchgeführt werden, ist den Vertragspartnern auf Landesebene überlassen. In der Regel werden sie bestrebt sein, die Einhaltung der nach § 84 SGB V vereinbarten Ausgabenvolumen über die Prüfungen abzusichern.
b) Heilmittelversorgung
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Nach § 32 SGB V haben Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit Heilmitteln. Heilmittel sind Dienstleistungen mit Heilzweck, z.B. Physiotherapie, Logopädie, Diättherapie u.Ä.[49] Berechtigt sind die nach §§ 124 f. SGB V zugelassenen Heilmittelerbringer. Die Verordnungsfähigkeit richtet sich nach den Heilmittel- RL des G-BA.[50] Der auf § 92 Abs. 6 S. 1 SGB V beruhende Teil II der RL, sog. Heilmittelkatalog, enthält detailgenaue Verordnungsvorgaben zu den einzelnen medizinischen Indikationen.[51]
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Auch für Heilmittel werden auf Basis von § 84 Abs. 1 SGB V Ausgabenbudgets vereinbart. Ferner unterliegt ihre Verordnung der Nachprüfung in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach §§ 106 Abs. 2 Nr. 2, 106b SGB V. Insofern wird auf die Ausführungen in Rn. 397. verwiesen.
c) Hilfsmittelversorgung
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Die Versicherten haben nach § 33 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, z.B. Orthesen, Rollstühle, Inhalatoren, Kanülen u.Ä. Verordnet werden dürfen nur Hilfsmittel, die in das Verzeichnis des Spitzenverband Bund nach § 139 SGB V aufgenommen sind. Hilfsmittel dürfen keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sein.[52] Es sind Medizinprodukte, die nach EU-Recht zertifiziert sein müssen (§ 139 Abs. 5 SGB V). Was als Hilfsmittel in Betracht kommt, entscheidet der Spitzenverband Bund auf Antrag des Unternehmers nach den Kriterien von § 139 Abs. 3 ff SGB V. Seit Änderung des § 126 SGB V dürfen Hilfsmittel auch nur noch von zugelassenen Händlern abgegeben werden, die sich einem, zwischen dem Spitzenverband Bund und den Bundesorganisationen der Leistungserbringer vereinbartem, Zertifizierungsverfahren zu unterziehen haben und mit denen Verträge nach § 127 SGB V geschlossen werden.
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Die Pflicht zur vergaberechtlichen Ausschreibung von Verträgen über Hilfsmittelversorgung in § 127 SGB V a.F. ist mit dem TSVG entfallen. Die früher ausgeschriebenen Verträge liefen nach § 127 Abs. 1 S. 8 SGB V zum 30.11.2019 aus. Stattdessen kann jeder Hilfsmittelerbringer nach § 127 Abs. 1 S. 2 SGB V Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen verlangen oder nach § 127 Abs. 2 SGB V einem bestehenden Vertrag mit einem anderen Leistungserbringer zu gleichen Konditionen beitreten, wenn er nicht schon aufgrund eines anderen Vertrages zur Versorgung berechtigt ist.
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Die Zusammenarbeit zwischen Vertragsarzt und Hilfsmittellieferant regelt § 128 SGB V. Abs. 1 verbietet, abgesehen von Notfallversorgungen, Hilfsmitteldepots in den Vertragsarztpraxen. Abs. 2 stellt klar, dass keine finanziellen Vorteile im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln gewährt werden dürfen. Vertragsärzte können nach Abs. 4 über die Verordnung hinaus an der Hilfsmittelversorgung nur noch auf der Grundlage von Verträgen mit den Krankenkassen mitwirken, die dann die zusätzlichen Leistungen unmittelbar zu vergüten haben. Die von der Rechtsprechung[53] herausgearbeiteten Grundsätze des verkürzten Versorgungsweges sind damit obsolet.
d) Weitere Leistungen
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Alle weiteren verordenbaren Leistungen sind inzwischen durch detaillierte RL des G-BA mit folgenden Besonderheiten konkretisiert. Bei der Verordnung stationärer Krankenhausbehandlung ist nach § 73 Abs. 4 SGB V der in § 39 SGB V angesprochene Vorrang der ambulanten Behandlung zu beachten. Das kommt vor allem zum Tragen, wenn Möglichkeiten der vor- und nachstationären Behandlung nach § 115a SGB V und des ambulanten Operierens nach § 115b SGB V nicht ausgeschöpft werden. Die „Einweisung ins Krankenhaus“ ist zu begründen. Auszuwählen ist das nächst erreichbare geeignete Krankenhaus (Abs. 4 S. 3 und 4).
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Die medizinische Rehabilitation ist nach § 40 Abs. 1 SGB V gegenüber der ambulanten Krankenbehandlung nachrangig und überschneidet sich mit dem Pflegerecht des SGB IX. Maßgeblich sind die Reha-RL des G-BA.[54] Danach geht die Rehabilitationsbehandlung der Pflege vor, soweit aus medizinischer Sicht noch eine Rehabilitationsfähigkeit besteht. Rehabilitation in stationären Einrichtungen ist nur zulässig, wenn ambulante Reha aus medizinischer Sicht nicht ausreicht. Zur Beratung über und Verordnung von Reha-Leistungen sind nach § 11 RL nur noch Fachärzte für physikalische und rehabilitative Medizin oder andere Ärzte mit Zusatzbezeichnung Sozialmedizin oder Rehabilitationswesen oder der fakultativen Weiterbildung „Klinische Geriatrie“ nach entsprechender Genehmigung durch die KV berechtigt.
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Neu hinzugekommen sind in § 33a SGB V i.d.F. DVG mit Wirkung zum 19.12.2019 die digitalen Gesundheitsanwendungen, auch „Gesundheits-Apps“ genannt. Diese sollen die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen unterstützen können. Es handelt es sich um Medizinprodukte der niedrigen Risikoklasse, die vom BfArM in das neu geschaffene Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e SGB V aufgenommen sein müssen. Zuvor müssen sie als Medizinprodukt nach EU-Recht zertifiziert sein. Vor der Aufnahme in das Verzeichnis СКАЧАТЬ