Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
isbn:
1. Die Bedeutung des Psychotherapeutengesetzes
427
Nach § 28 Abs. 3 SGB V gehört die psychotherapeutische Behandlung zur vertragsärztlichen Versorgung. Zuständig waren früher mangels anderweitiger Leistungserbringer die Vertragsärzte, welche allerdings die Nachfrage mangels entsprechender Zusatzausbildungen nicht befriedigen konnten. Die Krankenkassen waren dadurch genötigt, die psychotherapeutische Versorgung ihrer Versicherten anderweitig zu ermöglichen, in der Regel durch Erstattung der Kosten der Inanspruchnahme psychologisch tätiger Heilpraktiker.[78]
428
Seit Inkrafttreten des PTG[79] zum 1.1.1999 gibt es ein kodifiziertes Berufsrecht für die beiden neu geschaffenen nichtärztlichen Heilberufe, namentlich den psychologischen Psychotherapeuten und den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.[80] Das Gesetz regelt in § 2 die Anforderungen an die Erteilung der Approbation und ermöglicht zusammen mit den bei Erlass eingefügten Abs. 10–13 des § 95 SGB V, die Zulassung der approbierten Psychotherapeuten zur vertragsärztlichen Versorgung als gleichberechtigte Leistungserbringer neben den Ärzten und Zahnärzten (ausführlich dazu siehe Rn. 546 ff.).[81] Um die Integration der psychotherapeutischen Versorgung in die vertragsärztliche Versorgung und der Psychotherapeuten in die ärztliche Selbstverwaltung sollen sich nach § 79b SGB V ständige beratende Fachausschüsse für Psychotherapie bei den KV und der KBV kümmern.
2. Inhalt und Umfang der psychotherapeutischen Versorgung
429
§ 28 Abs. 3 SGB V ist auch nach der Neufassung durch das PsychRefG[82] eine im Vergleich zu den vorangehenden Absätzen der Vorschrift verunglückte Regelung, weil sie keinerlei inhaltliche Umschreibung der psychotherapeutischen Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung enthält, sondern nur darauf verweist, dass die Psychotherapeuten zugelassen sein müssen.
430
Die psychotherapeutische Versorgung ist in § 73 Abs. 2 SGB V nicht aufgezählt. Da aber nach § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V die für Ärzte geltenden Vorschriften und damit auch § 73 Abs. 2 Nr. 1–14 SGB V für Psychotherapeuten entsprechend gelten, nehmen § 73 Abs. 2 S. 2 bis 6 SGB V die zahnärztliche Behandlung, Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, Schwangerschaftsbetreuung, die Anordnung von Hilfeleistungen, die Ausstellung von AU-Bescheinigungen, künstliche Befruchtungen, Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbrüche aus der psychotherapeutischen Versorgung wieder aus und verweisen i.Ü. auf die Psychotherapie-Richtlinien des G-BA.[83]
431
Was unter Ausübung von Psychotherapie zu verstehen ist, definiert § 1 Abs. 2 PTG als jede, mittels wissenschaftlich geprüfter und anerkannter psychotherapeutischer Verfahren oder Methoden vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist. Da sich diese Definition letztlich darauf zurückführen lässt, dass Psychotherapie ausgeübt wird, wenn sie nach dem Krankheitsbild indiziert ist, hilft sie konkret bei der Bestimmung des Leistungsspektrums des Versorgungsbereichs nicht weiter.
432
Entscheidend für die Konkretisierung der psychotherapeutischen Leistungen als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind die Psychotherapie-Richtlinien des G-BA. Nach den im Jahr 2019 neu gefassten RL kann Psychotherapie erbracht werden, wenn eine Indikation im Sinne von § 27 attestiert wird und kein Ausschlussgrund nach § 1 Abs. 5 gegeben ist.
433
Zur vertragsärztlichen Versorgung werden in § 15 RL drei Behandlungsformen als anerkannte Therapieverfahren zugelassen, nämlich die psychoanalytisch begründeten Verfahren nach § 16 RL in Form der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie (§ 16a RL) und der analytischen Psychotherapie (§ 16b RL), die Verhaltenstherapie (§ 17 RL) und neu die systemische Therapie (§ 18). Die Verfahren dürfen nicht kombiniert werden (§ 19 RL). Als Anwendungsformen stehen Einzel- oder Gruppentherapie und Mehrpersonensetting oder einer Kombination daraus zur Verfügung (§§ 20, 21 RL). Des Weiteren gehört noch die psychosomatische Grundversorgung nach §§ 24 ff. RL durch Ärzte mit entsprechendem Fachkundenachweis zum Leistungsspektrum innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung.
434
Die Qualifikation in anerkannten Therapieverfahren ist in der Bedarfsplanung zu berücksichtigen und spielt eine Rolle bei der Bewerberauswahl im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V und bei der Erteilung von Sonderbedarfszulassungen (siehe Rn. 575 ff.).[84]
8. Kapitel Vertragsarztrecht › F. Die vertragsärztliche Versorgung › V. Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung
1. Inhalt und Bedeutung der Sicherstellung
435
Die Systematik der gesetzlichen Krankenversicherung führt zu der Notwendigkeit, quantitativ und qualitativ bedarfsgerechte Behandlungsangebote aller medizinischer Disziplinen vorzuhalten, um die auf Seiten der Krankenkassen bestehenden Verpflichtungen, ihren Versicherten die notwendigen Behandlungsleistungen zu verschaffen, abzusichern. Einen entsprechenden qualifizierten Auftrag an die Krankenkassen und die Leistungserbringer enthält § 70 SGB V, der gleichzeitig den allgemeinen, anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse als Standard vorgibt.
436
§ 72 Abs. 1 SGB V geht einen Schritt weiter und verpflichtet die dort namentlich aufgeführten Leistungserbringer und die Krankenkassen, zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammenzuwirken. Nach § 72 Abs. 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung durch Verträge zwischen KV bzw. KZV und Krankenkassen auszugestalten (vgl. Rn. 159). Die Sicherstellung derselben ist damit grundsätzlich eine gemeinsame Angelegenheit der genannten Körperschaften. Das gilt im Zweifel für alle Angelegenheiten, für die nicht ausdrücklich die alleinige Zuständigkeit einer Körperschaft begründet ist.[85] Dieser Grundsatz findet seinen Niederschlag in der paritätischen Besetzung aller Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung und der daraus folgenden Aufgabenteilung (vgl. Rn. 63 ff.).
437
Gegenstand der Sicherstellung ist die vertragsärztliche, vertragszahnärztliche und psychotherapeutische Versorgung in ihrer gesetzlichen und durch die Gesamtverträge und Richtlinien des G-BA konkretisierten Ausgestaltung (siehe Rn. 166). Entsprechendes gilt für die Versorgung der Versicherten der Knappschaft, soweit diese nicht durch eigene Knappschaftsärzte geleistet wird (§ 72 Abs. 3 SGB V). Betroffen ist nur der ambulante Bereich, weil die für die stationäre Versorgung zuständigen Krankenhäuser in § 72 SGB V nicht genannt werden.
438
СКАЧАТЬ