Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
isbn:
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Krankheit kann als regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand mit der Folge der Behandlungsbedürftigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit definiert werden.[11] Sie kann auch auf den Alterungsprozess zurückzuführen sein.[12] Keine Krankheit im Sinne des Gesetzes ist die Befindlichkeitsstörung, z.B. subjektives Unwohlsein ohne pathologische Befunde, wohl aber die nicht selbst überwindbare seelische Störung.[13] Behandlungen durch Lifestyle-Arzneimittel bspw. bei erektiler Dysfunktion werden von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erstattet.[14]
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Die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit umfasst im Vorfeld die Diagnosebedürftigkeit.[15] Das Begriffsmerkmal der Behandlungsbedürftigkeit setzt die Behandlungsfähigkeit voraus. Behandlungsfähigkeit bedeutet dabei die zielgerichtete (kausale) Beseitigung einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung, Linderung oder Besserung. Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungsfähigkeit fehlen bei sonstigen medizinischen Behandlungen, selbst wenn sie zwingend von Ärzten auszuüben wären. Krankheiten im Sinne des sozialen Krankenversicherungsrechtes sind nur solche, deren Behandlung nicht vorrangig aus anderen Zielen (ästhetisch, kosmetisch, paramedizinisch) begründet wird.[16] Das Behandlungsziel wird ausdrücklich in § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V gesetzlich benannt.
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Auf Leistungen besteht dann kein Anspruch, wenn sie auf einem Arbeitsunfall beruhen oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung des SGB VII folgen.[17]
2. Kein Wahlrecht des Patienten
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Der Patient hat bei der Entscheidung über die Auswahl der konkreten Leistungen kein eigenes Bestimmungsrecht,[18] wohl aber das grundsätzliche Recht der freien Arztwahl nach § 76 Abs. 1 SGB V und der freien Wahl des Krankenhauses.[19] Er ist bei der Bestimmung des Erbringers ver- oder angeordneter Leistungen ebenfalls grundsätzlich frei. Hausärztliche Steuerungsmodelle nach § 73b SGB V verpflichten weder zur Wahl eines Hausarztes noch eines bestimmten Facharztes.[20] § 73b SGB V bindet den Versicherten aber bei Wahl der hausarztzentrierten Versorgung über mindestens ein Jahr an den gewählten teilnehmenden Hausarzt.
3. Inanspruchnahme
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Da die Inanspruchnahme von zur Verfügung zu stellenden Leistungen nach § 15 Abs. 2 ff. SGB V[21] grundsätzlich als Sachleistung erfolgt, obliegt den Leistungserbringern die u.U. entscheidende Beurteilung, Leistung oder Veranlassung.
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Nur selten steht im hoch komplexen System aufgrund begrenzter Ressourcen, aber auch begrenzter (Zeit für) Diagnostik eindeutig fest, welche Behandlungsleistungen von wem wann und wie oft zu erbringen oder zu verordnen sind. Selbst bei der Notfallbehandlung steht nicht immer zwingend fest, welches Medikament zu welcher Zeit in welchem Umfang beispielsweise eingenommen werden muss.
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So haben die Vertragsärzte und die verantwortlichen Krankenhausärzte nach den verfügbaren Erkenntnissen und Regeln der Kunst ein – freilich auf medizinische Fragen beschränktes – Recht, den Behandlungsanspruch des Versicherten zu konkretisieren.[22] In ihrer Entscheidung zugunsten einer bestimmten Therapie haben sie die Hierarchie vorrangiger gegenüber nachrangigen Behandlungsalternativen zu beachten. Eine Krankenhausbehandlung kann z.B. nur veranlasst werden, wenn sie nach den Kriterien der Wirtschaftlichkeit notwendig, zweckmäßig und ausreichend ist und nicht kostengünstiger teilstationär oder ambulant oder als Rehabilitationsleistung erbracht werden kann.
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Die Normkonkretisierung bei Inanspruchnahme mit leistungsgewährender Entscheidung setzt dabei aber voraus, dass der Vertragsarzt oder Krankenhausarzt die leistungsbestimmenden gesetzlichen Voraussetzungen und untergesetzlichen Normen und Richtlinien bis hin zu den krankheitsbezogenen Leitlinien[23] in seiner Entscheidung berücksichtigt. Die Normkonkretisierung mit der Folge eines hierauf gerichteten Anspruchs des Versicherten setzt die Beachtung der Grundprinzipien der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, Notwendigkeit, Wirksamkeit und Qualität voraus. Dies alles stellt einen in der Entscheidungssituation des Arztes hoch komplexen und ex post praktisch nicht mehr reproduzierbare Vorgang dar.[24] Deshalb ist auf eine besondere Sorgfalt bei der Dokumentation der diagnostischen Verfahren und Ergebnisse zu achten. Sie muss einer Überprüfung z.B. des Medizinischen Dienstes (ehemals Medizinischer Dienst der Krankenkassen, MDK) standhalten können.
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Die Rechtsgrundlage für den Umfang der von der Kasse geschuldeten Krankenbehandlung regelt § 27 Abs. 1 SGB V.[25] In der Konkretisierungsentscheidung des Vertragsarztes oder Krankenhausarztes verwirklicht sich gleichzeitig dessen ärztliche Therapiefreiheit.[26] Die durch den Großen Senat des BSG[27] betonte volle objektive Überprüfbarkeit der Entscheidung des Arztes wird aber unter Bezug auf den subjektiv vorhandenen und geforderten Kenntnisstand des behandelnden Arztes wieder relativiert und in der Folgerechtsprechung dann konkretisiert.[28] Der behandelnde Vertragsarzt als Leistungserbringer bleibt eine zentrale Schlüsselfigur in der Normkonkretisierung auch wenn er nicht als Beauftragter der Krankenkassen zu verstehen ist.[29] Dies bedeutet aber nicht, dass die Leistungserbringer im Sinne öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakte gegenüber den Versicherten entscheiden, sondern dass sie – als Leistungsverpflichtete gegenüber den Versicherten, d.h. als ein Element des Sicherstellungssystems – den Leistungsanspruch des Versicherten durch Behandlung oder Verordnung konkretisieren. Der Arzt entscheidet nicht über das „Ob“, d.h. das Bestehen eines Behandlungsanspruches, sondern stellt diesen lediglich fest und dokumentiert das Vorhandensein eines Leistungsanspruchs. Es bedarf keiner vorangehenden Entscheidung und keiner nachträglichen Genehmigung der Krankenkasse.[30] Die grundsätzlich der Krankenkasse obliegende Entscheidung über den Anspruch des Patienten kann nicht beigebracht werden. Ihre Entscheidungsmacht beschränkt sich dementsprechend auf die nachträgliche Überprüfung der Erforderlichkeit.[31] Das BVerfG[32] hatte demgegenüber ausdrücklich das Recht des Vertragsarztes betont, die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse im Einzelfall gegenüber dem Patienten zu konkretisieren. Dem Arzt komme dabei nicht nur die Feststellung des Eintrittes des Versicherungsfalles der Krankheit zu, sondern auch und gerade die von ihm zu verantwortende Entscheidung und Überwachung, wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des § 299 StGB auf Ärzte festgestellt hat.[33] Die bestimmende selbstständige Stellung des Arztes im Rahmen der Leistungskonkretisierung ist zu betonen.[34]
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Steigende bürokratische Erfordernisse, Honorierungsrisiken und Regressforderungen lassen befürchten, dass die Therapiefreiheit zunehmend zu einem wirkungslosen Postulat verkommt. Die Spannung zwischen Leistungsbegrenzung einerseits und Haftungs- und Regressrisiken andererseits wächst.
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Die gesetzlich krankenversicherten Patienten haben nur bei Feststellung der Behandlungs- oder Verordnungsbedürftigkeit einen Rechtsanspruch auf diese Dienst- und Sachleistungen. Dies ist die leistungsrechtliche Seite des als Dreiecksverhältnis ausgestalteten Sachleistungsanspruchs (siehe oben Rn. 74 ff.).
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