Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
isbn:
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Die Rechtsprechung ist seither in einer Fülle von Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit aufgegriffen und konkretisiert worden.
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In Fällen sogenannten Systemversagens hat die Rechtsprechung eine vielfältige grundrechtsorientierte Anspruchskonkretisierung entwickelt. Wenn das normativ vorgegebene System von Leistungsansprüchen dem grundrechtlich verbürgten Recht auf Heilbehandlung nicht zu entsprechen vermag, wird dem Versicherten dennoch ein Anspruch auf Leistung (hilfsweise Kostenerstattung) gewährt.[46] Der Anspruch des Versicherten bezieht sich sowohl auf die ambulante und stationäre Behandlung als auch auf die Arzneimittelversorgung.
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Beispiele für Leistungsansprüche bei Systemversagen:
– | Seltenheitsfälle: Krankenversicherte haben einen Behandlungsanspruch wegen Singularität nicht erforschter Krankheiten. Dies setzt voraus, dass diese Krankheiten weltweit nur extrem selten vorkommen und in der Folge unerforscht bleiben.[47] |
– | Objektive Fehlbewertungen des G-BA und verzögerte Antragsbearbeitung des G-BA bei objektiver Willkür in der Entscheidung des G-BA oder verzögerter Antragsbearbeitung des G-BA auf Empfehlung neuer Methoden für die vertragsärztliche Versorgung liegt ein Systemversagen mit Kostenerstattungsanspruch vor.[48] |
d) Exkurs: Grenze der Leistungsbegrenzungen am Beispiel des „Off-Label-Use“
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Die Grenze zwischen normativer Leistungsbegrenzung und individuellem Leistungsanspruch sei im folgenden Exkurs zum Arzneimittelrecht beispielhaft dargestellt.[49]
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§ 27 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 31 SGB V gewährt den Versicherten Anspruch auf die Verabreichung und Verordnung von Arzneimitteln und Verbandsmitteln. Was Arzneimittel sind, definiert allein das Arzneimittelgesetz.[50] Dieses ist einer Interpretation durch den G-BA entzogen.[51] Obwohl die Vergabe von Medikamenten Element der Kranken- und Krankenhausbehandlung ist, verbleibt im Hinblick auf die Besonderheiten des Arzneimittelrechts ein gesonderter Regelungsbedarf, den Arzneimitteleinsatz zu steuern.
aa) Anspruch und Eingrenzungen
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Bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Voraussetzung der Zulassung als Fertigarzneimittel, die dafür nach § 22 Abs. 1 Nr. 6 AMG die Festlegung von Indikationen und Anwendungsgebieten voraussetzt, haben Versicherte gem. § 31 Abs. 1 SGB V grundsätzlich Anspruch auf Verordnung dieser Arzneimittel. Der Anspruch des Versicherten ist nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB V grundsätzlich auf verschreibungspflichtige Arzneimittel begrenzt. Dies setzt die Zulassung der Arzneimittel voraus. Das BVerfG[52] hat festgestellt, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V mit Anforderungen des Arzneimittelrechts zu verbinden und die Anwendung des Arzneimittels mangels Zulassung zu verweigern. § 1 AMG schließe die Unbedenklichkeit mit der Prüfung der Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ein. Das BVerfG bestätigte die engen Voraussetzungen für die ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit.
Durch Richtlinien des G-BA können Ausnahmen zur Verordnungsfähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel festgelegt werden.[53]
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Nach § 34 Abs. 1 S. 4 SGB V in der Fassung des GKV-WSG hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel vorzunehmen und zu aktualisieren (pharmazeutische Unternehmen sind antragsberechtigt zur Aufnahme in diese Liste).
bb) Problemlage „Off-Label-Use
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Die Arzneimittelzulassung wird dem pharmazeutischen Unternehmer erteilt. Sie soll bewirken, dass zugelassene Fertigarzneimittel für die vorgesehene Indikation bei Beachtung der Verabreichungsvorgaben wirksam und ungefährlich sind. Die Zulassung bewirkt die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels. Diese ist Voraussetzung für die ärztliche Anwendung. Die Entscheidung über den Zulassungsantrag und -bereich des Arzneimittels trifft der pharmazeutische Unternehmer nach erwerbswirtschaftlichen Erwägungen. So sind z.B. Arzneimittel, die in der Kinderheilkunde eingesetzt werden überwiegend noch nicht anerkannt.[54] Bei seltenen Erkrankungen fehlt es an systematischen Erforschungsmöglichkeiten und im Hinblick auf die Forschungskosten am Interesse der Pharmaindustrie, Zulassungsverfahren einzuleiten. Der Arzt ist im Einzelfall ggf. verpflichtet, Arzneimittel außerhalb der Zulassung einzusetzen, wenn er das Medikament für wirksamer, nebenwirkungsfreier oder alternativlos hält.[55]
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In der gesetzlichen Krankenversicherung sind Arzneimittel nur dann einsetzbar, wenn sie das Zulassungsverfahren nach den §§ 21 ff. AMG durchlaufen haben.[56] Die Arzneimittelzulassung nach dem Arzneimittelgesetz ist Voraussetzung für die Verordnungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung (Umkehrschluss aus § 34 SGB V, nach dem der G-BA arzneimittelrechtlich zugelassene Fertigarzneimittel von der Verordnungsfähigkeit ausschließen kann).
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Mit Urteil vom 19.3.2002 hatte das BSG[57] bei gleichzeitiger Präzisierung der Ausnahmevoraussetzungen gegenüber der Remedazenentscheidung[58] den „Off-Label-Use“, d.h. den zulassungsüberschreitenden Einsatz eines Arzneimittels, ausnahmsweise in bestimmten Fällen als erstattungsfähig anerkannt. Nach dieser Rechtsprechung erfolgt der Einsatz nur mit Arzneimitteln, die für andere Indikationen zugelassen sind, also arzneimittelrechtlich unbedenklich sind:[59]
– | Einsatz bei einer schwerwiegenden, regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, |
– | Fehlen einer vertretbaren anderen Behandlungsalternative, |
– | Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über den voraussichtlichen Nutzen des zulassungsüberschreitenden Einsatzes des Arzneimittels. |
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Von derartigem Nutzen könne ausgegangen werden, wenn aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg bestehe. Dies sei dann der Fall, wenn die Zulassung für die neue Indikation beispielsweise beantragt oder die Ergebnisse einer klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht seien. Die Entscheidung vom 19.3.2002[60] verlangt letztlich noch zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen und Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über den voraussichtlichen Nutzen. Auf dieser Grundlage ist durch die Bundesregierung die Expertengruppe „Off-Label“ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingerichtet worden.[61]
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Mit der Entscheidung des BSG v. 19.10.2004[62] СКАЧАТЬ