Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
isbn:
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Ziel von § 3 Abs. 2 MBO ist die Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes.[85] Das besondere Vertrauen in den Arztberuf soll darüber hinaus nicht zur Verkaufsförderung solcher Produkte und Dienstleistungen „missbraucht“ werden, die der Patient nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit seiner Betreuung benötigt. Die Grenzen sind sicher fließend. Unzulässig dürfte nach dieser Vorschrift wohl der Verkauf solcher Produkte sein, die auch andere Marktteilnehmer feilbieten, sofern sie nicht zwingend für die ärztliche Therapie benötigt werden (z.B. „Sportlernahrung“).[86] Zulässig ist dies wie bei gewerblichen Ernährungsberatung nur, wenn die Abgabe deutlich von der ärztlichen Tätigkeit getrennt ist.[87]Ein typisches Beispiel zulässiger Tätigkeit ist die Abgabe bzw. der Verkauf von Kontaktlinsen in Augenarztpraxen[88] oder auch (allerdings mit erheblichen Einschränkungen) orthopädischer Hilfsmittel beim Orthopäden (siehe aber unten § 128 SGB V Rn. 163).[89] Stets muss bei derartigen Geschäften aber die steuerrechtliche Problematik mitbedacht werden. Während nämlich z.B. die Anpassung von Kontaktlinsen durch den Augenarzt noch zu Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit führen, gelten Einkünfte aus Verkäufen derartiger Gegenstände ohne individuelle Anpassung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb; sie unterliegen der Gewerbesteuer. Bei Gemeinschaftspraxen ist die Gefahr der Infizierung der freiberuflichen Einkünfte durch diese gewerbliche Tätigkeit zu vermeiden („Abfärbetheorie“).[90] Dies geht nur durch eine klare Trennung beider Tätigkeiten. Die Tätigkeit der gewerblichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts muss sich eindeutig von der Tätigkeit der ärztlichen Gemeinschaftspraxis abgrenzen lassen. Eine Personenverschiedenheit zwischen den Gesellschaftern dieser verschiedenen Gesellschaften wird nicht mehr verlangt.[91] Das Bundesministerium der Finanzen hat diejenigen Gesichtspunkte aufgeführt, die der juristische Berater bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen sollte.[92]
c) Zusammenarbeit mit bestimmten (ausgewählten) Gesundheitshandwerkern
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Ohne sachlich gebotenen Grund soll der Arzt bei der Verordnung von Heil- oder Hilfsmitteln keinen bestimmten Hersteller benennen (siehe auch § 34 Abs. 5 MBO a.F., § 31 Abs. 2 MBO n.F.). Die Entscheidungsfreiheit des Arztes wird dadurch aber nicht berührt. Denn selbstverständlich kann der Arzt positive Erfahrungen mit einem Hilfsmittelhersteller oder einem Heilmittelerbringer in eine Empfehlung an den Patienten umsetzen;[93] allerdings sollte diese Empfehlung mit dem Hinweis gekoppelt werden, dass der Patient in der Einlösung der Verordnung selbstverständlich völlig frei sei und auch andere Anbieter aufsuchen könne. Eindeutig unzulässig wäre aber, die Empfehlung an die Bezahlung eines bestimmten Betrages durch den Techniker zu koppeln. Dies wäre eine unzulässige Provision. Zwischen diesen beiden Polen gibt es eine Grauzone. Manche versuchen sich damit zu behelfen, dass sie „Beraterverträge“ abschließen, die jedoch oftmals nur vorgeschoben sind, um Provisionszahlungen zu kaschieren. Eine unzulässige Umgehung und damit Anstiftung des Arztes zu einem Verstoß gegen §§ 3 Abs. 2, 31 Abs. 1, Abs. 2, 33 MBO kann auch in der Veranlassung des Arztes zur Teilnahme an „Pseudostudien“ gesehen werden, wenn diese Studien überwiegend oder ausschließlich dazu dienen, Bandagen eines bestimmten Sanitätshauses abzugeben.[94] Zum Teil findet man auch Lager- und Bereithaltungsverträge, die in nicht wenigen Fällen demselben Zweck dienen. Schließlich sind bei derartigen Geschäften die Grenzen des § 128 SGB V zu beachten (siehe unten § 128 SGB V, Rn. 164); Sinnvolle, dem Patienten dienende Kooperationen sind aber nicht verboten. So kann ein Orthopäde selbstverständlich einem Orthopädietechniker z.B. einen halben Tag in der Woche einräumen, an dem dieser dann direkt seine Arbeit in der Praxis verrichtet.[95] Hierfür eine Vergütung zu verlangen, ist in keiner Weise anstößig oder berufsrechtlich problematisch, wenn die Vergütung dem Wert der Raumnutzung entspricht.[96]
d) Handwerk und Hilfsmittelabgabe, verkürzter Versorgungsweg
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Lange Zeit bestanden unterschiedliche Auffassungen zwischen Vertretern der Gesundheitshandwerker-Berufe und Ärzten über die Frage, in welchem Umfang „Nicht-Handwerker“ Leistungen in diesem Bereich erbringen dürfen.[97] Maßstäbe hat diesbezüglich eine vom BGH[98] mit dem Schlagwort „verkürzter Versorgungsweg“ begründete neue Rechtsprechung gesetzt. Der Arzt übe bei der Anpassung des Ohrabdrucks ärztliche Tätigkeit und kein Handwerk aus. Verstöße gegen die Berufsordnung sah der BGH nicht. Durch die Zurverfügungstellung eines PCs und der Online-Verbindung sei der Arzt nicht gebunden oder gehindert, sich auch anderer Hörgeräteakustiker zu bedienen. Alleine die Schaffung der Möglichkeit eines Zusatzverdienstes durch die Vergütung des Ohrabdrucks durch den Hörgeräteversand sei für sich genommen nicht zu beanstanden, da er auf erlaubter HNO-ärztlicher Tätigkeit beruhe. Ein Verstoß gegen § 126 Abs. 1 SGB V a.F. (Beschränkung der Hilfsmittelabgabe auf zugelassene Leistungserbringer) liege nicht vor, da der HNO-Arzt die Hörgeräte nicht abgebe, sondern nur verordne. Abgeber im Rechtssinne bleibe das Versandhandelsunternehmen. In einer späteren Entscheidung hat der BGH[99] diese Rechtsprechung bekräftigt. Die Vorteile des verkürzten Vertriebsweges (günstiger Preis, keine „Laufereien“) sprächen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht gegen, sondern gerade für das Konzept. Mittlerweile wurde diese Argumentationsschiene auch für andere Vertriebsmodelle herangezogen. Noch weiter ging das OLG Celle[100] in einer weiteren Entscheidung zur Hörgeräteabgabe in der HNO-Praxis. Ein hinreichender Grund für die Empfehlung eines bestimmten Lieferanten i.S.v. § 34 Abs. 5 MBO (jetzt § 31 Abs. 2 MBO) liege schon dann vor, wenn dem Patienten aus Gründen der Bequemlichkeit ein weiterer Gang zum Hörgeräteakustiker erspart bliebe. Für den orthopädischen Hilfsmittelbereich würde mit dieser Argumentation auch die Abgabe vielfältiger Fertighilfsmittel (ohne Anpassungsbedarf) gerechtfertigt werden können, wenn ein Patient z.B. in seiner Mobilität eingeschränkt ist. In Abgrenzung zu dieser Rechtsprechung hat das OLG Stuttgart entschieden, dass ein Vertriebssystem von Brillen über Augenarztpraxen unzulässig ist.[101] Die Auswahl einer Brille erfolge nur in Ausnahmefällen nach medizinischen Gesichtspunkten. Statt medizinischer ständen eher ästhetische und handwerkliche Überlegungen im Vordergrund. Auf den Patienten könne ein unangemessener Druck ausgeübt werden, wenn ihm „sein“ Augenarzt ein derartiges Produkt anbiete. Der Arzt nehme bei diesem Verkauf eher die Position eines Gewerbetreibenden ein. Im Lichte der Entscheidung des BGH[102] v. 13.1.2011 entspricht die Linie des OLG Celle nicht mehr dem Stand der Rechtsprechung. Diese Linie wurde vom BGH mit seiner Hörgeräte III-Entscheidung abermals bestätigt.[103]
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Der erst am 1.4.2009 durch das GKV-OrgWG eingeführte neue § 128 SGB V ist im Rahmen der 15. AMG-Novelle (BGBl. 2009 I, S. 2015) erneut deutlich verschärft worden. Die Änderungen sind am 23.7.2009 in Kraft getreten. Durch das GKV-VStG ist § 128 SGB V mit Wirkung zum 1.1.2012 abermals verschärft worden, an den Regelungen zu den Vertriebswegen hat sich jedoch nichts weiter geändert. Die bisherigen Modelle des „verkürzten Versorgungsweges“ mussten rechtlich zum 31.3.2009, jedenfalls für den GKV-Bereich, auslaufen.[104] Wurden sie über den 31.3.2009 hinaus fortgeführt, verstoßen sie gegen ein gesetzliches Verbot mit der Folge unheilbarer Nichtigkeit.[105] Neben der Gefahr der Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB können die Sanktionen gem. § 128 Abs. 3 СКАЧАТЬ