Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
isbn:
156
Bezüglich der anderen Änderungen der MBO 2004 haben mittlerweile fast alle Landesärztekammern die hier angesprochenen Vorschriften übernommen. Dies gilt insbesondere für § 23a MBO. In denjenigen Landesärztekammerbereichen, in denen dies nicht der Fall ist, kann sich die Nummerierung der einzelnen Vorschriften von der Nummerierung in der MBO an dieser Stelle unterscheiden. Zumeist handelt es sich nur um die Differenz einer Position.[78] Dies hat folgenden Hintergrund. § 18 MBO n.F. verwendet nämlich den im Ergebnis offeneren Begriff der „für den Arztberuf zulässigen Gesellschaftsformen“, wenn die unabhängige und nicht gewerbliche Berufsausübung gewährleistet ist. Auch nach der Neufassung bleibt es jedoch dabei, dass sich die Frage der Zulässigkeit grundsätzlich nach Landesrecht richtet.[79] Gemäß § 23a MBO ist für Berufsausübungsgemeinschaften die Möglichkeit eröffnet, sich in Form einer juristischen Person des Privatrechts, also in erster Linie der GmbH (auch in der seit 1.11.2008 möglichen „Unternehmergesellschaft“) oder als AG zu organisieren. Einige Heilberufsgesetze der Länder untersagten dies früher ausdrücklich (mittlerweile nur noch Bayern Art. 18 Abs. 1 S. 1 HKaG). In einigen Landesärztekammerbereichen so z.B. in Niedersachsen sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine juristische Person des Privatrechts positiv formuliert, § 32 Abs. 2 HKG (vermittelnd § 4a Abs. 5 BerlinerKG). Allerdings soll nicht übersehen werden, dass auch diejenigen Länder, die früher ein derartiges Verbot – in unterschiedlicher Ausprägung – in ihren Heilberufs-Kammergesetzen verankert hatten, mittlerweile darangegangen sind, diese Haltung aufzugeben. So heißt es z.B. in § 29 Abs. 2 HeilberufsG NRW „Die Führung einer Einzelpraxis oder einer Praxis in Gemeinschaft in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts setzt voraus, dass die Kammern in der Berufsordnung Anforderungen festgelegt haben, die insbesondere gewährleisten, dass die heilkundliche Tätigkeit eigenverantwortlich, unabhängig und nicht gewerblich ausgeübt wird.“ Die BO der ÄK Nordrhein enthält eine derartige Regelung bislang nicht, die BO der ÄK W-L hingegen schon. Maßgeblich sind jedenfalls die Regelungen in den Heilberufs-Kammergesetzen[80].
157
Das Verbot, ambulante ärztliche Heilkunde in Form einer Kapitalgesellschaft auszuüben, hatte zumindest in den Ländern einer Überprüfung standgehalten, in denen dies im HeilberufsG selbst geregelt ist.[81]
b) Unvereinbarkeiten, Unabhängigkeit
158
Die ärztliche Berufsordnung wird von Ärzten (und Nicht-Ärzten) häufig als „überholte Schilderordnung“ bezeichnet, die in einem modernen Gesundheitswesen nicht mehr zeitgemäß sei. Abgesehen davon, was die Kritiker der Berufsordnung unter „einem modernen Gesundheitswesen verstehen“, verwandelt sich der Spott über die Berufsordnung immer wieder in blankes Entsetzen, wenn Betroffene feststellen, dass Verstöße gegen die Berufsordnung ganz erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen zeitigen können. Damit sind nicht Geldbußen oder Berufsgerichtsverfahren gemeint. Es ist vielfach unbekannt, dass nicht wenige Normen der Berufsordnung sog. Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB sind. Dies hat zur Folge, dass gegen diese Normen verstoßende Rechtsgeschäfte (z.B. Gesellschafts- und Pachtverträge) nichtig sein können und dadurch Schäden in sechsstelliger Höhe auflaufen. Daneben spielen Unterlassungsverfügungen von Mitbewerbern bzw. entsprechenden Vereinigungen zur Überwachung des fairen Wettbewerbs eine wichtige Rolle; sie lassen so manche clevere Geschäftsidee wie eine Seifenblase platzen.
159
Schutzobjekt von § 3 MBO ist sowohl die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit als auch das Ansehen des Arztes in der Bevölkerung. Es soll nicht der Verdacht aufkommen, der Arzt würde therapeutische Entscheidungen von berufsfremden Erwägungen abhängig machen. Dem Arzt ist nach § 3 Abs. 1 S. 2 MBO auch verboten, seinen Namen in Verbindung mit der ärztlichen Berufsbezeichnung in unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke herzugeben.[82] Unter der ärztlichen Berufsbezeichnung ist zum einen die Bezeichnung „Arzt“ und die als „Facharzt für . . .“ zu verstehen, aber auch Titel wie außerplanmäßiger Professor (den sowieso niemand in dieser Form führt), Professor oder Sanitätsrat. Amtsbezeichnungen wie z.B. Professor (für einen beamteten Professor) dürfen für außerdienstliche Zwecke nicht verwendet werden. Lässt ein Beamter dies zu, so liegt hierin eine Dienstpflichtverletzung, wenn die Verwendung etwa für eine – ggf. genehmigungspflichtige – Nebentätigkeit erfolgt. Die Verwendung des Doktor-Titels in einer Firma ist unter handels-(firmen)rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Die Verwendung muss mit der Würde eines Arztes in Einklang stehen, um standesgemäß zu sein. Als unzulässige Verwendung des Arztnamens für gewerbliche Zwecke ist auch die sog. „Schleichwerbung“ für Produkte unter angeblicher neutraler medizinischer Bewertung zu verstehen. Die Grenzen zwischen Werbung und Information sind fließend. Nicht ohne Grund sollen Produktinformationen der Firmen in Printmedien als „Anzeige“ kenntlich gemacht werden, um dem Verbraucher/Leser zu signalisieren, dass er nicht zwingend mit einer abwägenden Information rechnen muss. Deswegen versuchen viele Firmen durch vorgebliche redaktionelle Beiträge diese Grenze zu kaschieren. Gerade in den Fernsehmedien hat diese Art von Schleichwerbung oder auch Produktplacement für Furore gesorgt. Wer Werbung als Information tarnt, verschleiert. Das OLG München hat im Falle einer Werbebroschüre für Nahrungsergänzungsmittel sehr deutlich festgestellt:[83]
Der Leser als Laie misst dem redaktionellen Text (eines Arztes), der für sich Vertrauen in seine Sachkompetenz als im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel erfahrener Arzt in Anspruch nimmt, als fachlich orientierter und neutraler Instanz größere Bedeutung bei und steht ihm unkritischer gegenüber als den werbenden Behauptungen von Inserenten. Dieser Fall zeigt darüber hinaus exemplarisch, wie wichtig es ist, klar zwischen Eigenwerbung des Arztes, mit der sich die Entscheidung nicht vorrangig auseinandersetzt, und (gewerblicher) Produktwerbung zu unterschieden. Die Eigenwerbung des Arztes wäre im Hinblick auf die zunehmend liberale Rechtsprechung des BVerfG möglicherweise noch zu tolerieren. Wettbewerbswidrig und damit unlauter wird die Darstellung dadurch, dass der Arzt seinen „Fachbonus“ einsetzt, um den Absatz Dritter zu fördern und daraus letztlich wieder eigenen Vorteil zu ziehen. Wer sich schon so in der Öffentlichkeit positionieren will, muss wenigstens darauf achten, dass seine fachlichen Aussagen nicht nur inhaltlich nicht verschleiernde Werbung beinhalten, sondern auch graphisch/örtlich von Werbeanzeigen oder sonstigen Produktplatzierungen abgesetzt sind.
160
So hat auch der BGH[84] in einem ähnlichen Fall entschieden:
Der Leser erwartet nicht, dass in einem derartigen Text Werbung enthalten ist und kann sie nicht klar als solche erkennen. Seine Platzierung im redaktionellen Teil der Broschüre verschleiert daher den Werbecharakter dieses Texts (Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage 2004, § 4 UWG Rn. 3.11). Das erfüllt den Tatbestand des § 4 Nr. 3 UWG und ist damit unlauter i.S.d. § 3 UWG. Diese Vorgehensweise trifft auch der Vorwurf der Sittenwidrigkeit i.S.d. § 1 UWG a.F., denn wer unter der redaktionellen Tarnkappe Wirtschaftswerbung betreibt, handelte auch nach altem Recht wettbewerbswidrig (BGH – I ZR 154/95 – BRAK 1997, 267 = MDR 1997, 1144 = CR 1997, 691 = GRUR 1997, 914 – Die Besten II, m.w.N.). Die angegriffene unlautere Wettbewerbshandlung ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil sowohl der Verbraucher als auch anderer Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die sonstige Marktteilnehmer sind, nicht nur unerheblich, sondern wesentlich zu beeinträchtigen und ist deshalb gem. § 3 UWG unzulässig. СКАЧАТЬ