Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
isbn:
146
Der Begriff der „Unzuverlässigkeit“ unterscheidet sich vom Begriff der „Unwürdigkeit“ dadurch, dass hierbei nicht auf den Unrechtsgehalt eines Verhaltens abgestellt wird, sondern auf einen charakterlichen Mangel, der befürchten lässt, dass der betreffende Arzt seinen Beruf nicht durchgehend ordnungsgemäß ausüben wird. Dabei ist für die Frage des Widerrufes der Approbation nicht nur auf das Verhalten in der Vergangenheit abzustellen, es muss auch eine Prognose hinsichtlich des künftig zu erwartenden Verhaltens erfolgen.[46] Wenn die berufsunwürdige Handlung bereits einige Zeit zurück liegt, kann ein Widerruf ebenfalls entbehrlich sein.[47] Der Widerruf ist auch dann möglich, wenn der Berufsträger altersbedingt seinen Beruf nicht mehr sachgerecht ausüben kann und es daher z.B. zur missbräuchlichen Abgabe von Schmerz- und Betäubungsmitteln kommt.[48]
147
Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, u.a. wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Diese Vorschrift ist mit § 3 Abs. 5 BÄO strukturell vergleichbar. Sie soll der Behörde eine Handhabe geben, den Schutz des Publikums vor unzuverlässiger Berufsausübung durch eine vorsorgliche Maßnahme sicherzustellen, wenn das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Arztes durch einen schwerwiegenden, wenn auch noch nicht völlig erhärteten Verdacht erschüttert ist.[49] Zugleich soll die Behörde unter Entlastung von eigenen Ermittlungen auf die im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse zurückgreifen können.[50] Die strafgerichtliche Verurteilung muss wahrscheinlich sein. Es genügt allerdings bereits ein schwerwiegender, wenn auch noch möglicherweise ausräumbarer Verdacht, z.B. wegen des Verdachts unzulässiger Sterbehilfe.[51] Das Ruhen der Approbation kommt auch dann in Betracht, wenn zunächst nur eine strafrechtliche Würdigung als fahrlässige Tötung vorliegt, jedoch gewichtige Gründe im Raum stehen, dass der Arzt zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat.[52] Selbst wenn es nicht zu einer Verurteilung kommt, können die im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse für die Anordnung des Ruhens der Approbation relevant sein, wenn sie ein Berufsvergehen begründen.[53] Andererseits kann sich die Sofortvollziehung durchaus als unverhältnismäßig erweisen, wenn dem Täter eine gute Prognose attestiert wird.[54] Das Ruhen der Approbation kommt schließlich dann in Betracht, wenn der Arzt sich weigert, seinen Gesundheitszustand überprüfen zu lassen[55] oder schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen bestehen, § 6 Abs. 1 Nr. 2 BÄO.[56] Die Feststellungslast für die Ungeeignetheit des Arztes und den Sofortvollzug der Ruhensanordnung trägt die Approbationsbehörde.[57] Um unzumutbare Nachteile für den Betroffenen zu vermeiden, kann z.B. seine Praxis für die Schwebezeit von einem anderen Arzt weitergeführt werden (§ 6 Abs. 4 BÄO). Im Übrigen wird die Befugnis eines EU-Bürgers zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen (oder zahnärztlichen) Berufs in Deutschland durch das Ruhen der ihm erteilten deutschen Approbation nicht berührt (§ 2 Abs. 3 BÄO, § 1 Abs. 2 ZHG).[58]
148
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Unzuverlässigkeit bzw. Unwürdigkeit ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides.[59] Während des gerichtlichen Verfahrens gezeigtes Wohlverhalten, auch wenn es sich hierbei auf einen verhältnismäßigen langen Zeitraum erstreckt, rechtfertigt nicht die Annahme, der Betroffene habe einen Persönlichkeitswandel vollzogen.[60] Die erneute Erteilung der Approbation setzt einen „längeren Reifeprozess“ voraus.[61]
a) Musterberufsordnung 2004
149
Der 107. Deutsche Ärztetag hatte im Mai 2004 in Bremen unter dem Eindruck des am 1.1.2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz – GMG[62] die Musterberufsordnung (MBO),[63] insbesondere im Hinblick auf die beruflichen Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit einschneidend geändert. Ziel dieser Änderung war einmal die Wettbewerbsfähigkeit freiberuflich tätiger Ärzte gegenüber anderen Leistungsanbietern im Gesundheitswesen zu verbessern und zu stärken, dann aber auch den ärztlichen Berufsträgern die Möglichkeit zu erhalten, die vom Gesetzgeber im Rahmen des GMG geschaffenen, neuen institutionellen Möglichkeiten unter Wahrung der Freiheit ärztlicher Entscheidungen nutzen zu können.[64] Die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Umsetzung in das Berufsrecht der jeweiligen Landesärztekammern.[65] Einige Änderungen konnten je nach Bundesland erst dann in Satzungsrecht der Landesärztekammern umgesetzt werden, nachdem der Landesgesetzgeber zuvor die Heilberufe-Kammergesetze geändert hatte.
150
Eine weitere Änderung betraf den Problembereich der Teilgemeinschaftspraxis. Im Zuge der Einführung der Teilgemeinschaftspraxis (TGP) im Jahre 2004 ist es nämlich in der Praxis vermehrt zu Kooperationsformen gekommen, deren Hintergrund weniger die ärztliche Zusammenarbeit, sondern vielmehr die Bemäntelung der unzulässigen Zuweisung gegen Entgelt als angeblicher Gesellschaftsgewinn gewesen ist.[66] Deshalb wurden diese Systeme vornehmlich in der Zusammenarbeit zwischen methodendefinierten Fächern (und hier in erster Linie Radiologen, aber auch Laborärzten[67]) und Zuweisern etabliert, also Geschäftsbeziehungen, die schon bislang von Hause aus für „Anfütterungspraktiken“ besonders СКАЧАТЬ