Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
isbn:
151
Im Mittelpunkt der Entscheidung des BGH stand aber nicht das Zuweisungsverbot gegen Entgelt gemäß § 31 MBO, sondern die Unrechtsvermutung in § 18 Abs. 1 S. 3 1. Alt. BO Ba-Wü, wonach eine Umgehung insbesondere dann vorliegt, wenn sich der Beitrag der Ärztin oder des Arztes auf das Erbringen medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft beschränkt oder der Gewinn ohne Grund in einer Weise verteilt wird, die nicht dem Anteil der von ihnen persönlich erbrachten Leistungen entspricht. Nur diese Einschränkung hielt der BGH für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. § 18 Abs. 1 S. 3 2. Alt BO und § 18 Abs. 1 S. 4 BO, wonach die Anordnung einer Leistung, insbesondere aus den Bereichen der Labormedizin, der Pathologie und der bildgebenden Verfahren, keinen Leistungsanteil i.S.d. S. 3 darstellt, wurden ausdrücklich nicht beanstandet. Im Gegenteil wurde dem Berufungsgericht, an das der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen wurde, aufgegeben, die vertraglichen und tatsächlichen Abläufe durch entsprechende Beweiserhebungen zu klären. Damit hat der BGH keineswegs, wie von interessierte Seite in ersten Bewertungen des Urteils behauptet, als zu restriktiv empfundene Zuweisungspraktiken erleichtert. Das OLG hat im Ergebnis den Unterlassungsanspruch bestätigt, weil die gesellschaftsrechtliche Konstruktion auch nach Wegfall von § 18 Abs. 1 S. 3 1. Alt. BO gegen § 18 Abs. 1 S. 2 und 4 sowie S. 3 2. Alt. BO verstoße.[71] Als Konsequenz der Entscheidung des BGH hat die Baden-Württembergische Landesärztekammer den vom BGH beanstandeten Passus aus ihrer Berufsordnung gestrichen. In der MBO wurde diese Änderung nachvollzogen.
152
In zwei Entscheidungen vom 25.3.2015 hat das BSG eine eigene vertragsarztrechtliche Bewertung vorgenommen. In einem Verfahren ging es um eine Teil-ÜBAG zwischen ophtalmologischen Kataraktoperateuren und einem ausschließlich konservativ tätigen Augenarzt.[72] Im Ergebnis führte die Vertragsgestaltung dazu, dass der konservativ tätige Augenarzt seine Praxis unverändert in E. ausübte. Die ophtalmologischen Operateure führten die präoperative Diagnostik, die Operationen wie auch die Nachsorge bei Patienten, die den Erstkontakt in E. hatten, ebenfalls in der Praxis in E. aus, hatten ihre eigene Praxis aber in Sch. Ihre Tätigkeit an von dem konservativ tätigen Augenarzt zugewiesenen Patienten unterschied sich bis auf den Ort des Eingriffs nicht von der zuvor gelebten Überweisungspraxis. Dennoch waren alle Gesellschafter am Betriebsergebnis paritätisch beteiligt. Der Berufungsausschuss genehmigte diese Teil-ÜBAG nicht. Das BSG bestätigte diese Entscheidung. Die überdurchschnittliche Gewinnbeteiligung des konservativ tätigen Augenarztes an deutlich besser bewerteten operativen Leistungen bei von ihm ursprünglich behandelten Patienten spreche dafür, dass es sich um unzulässige Zuweisungen gegen Entgelt handele. Hier liege im Übrigen schon begrifflich keine Teil-BAG vor, weil der konservativ tätige Augenarzt seine gesamte Praxis eingebracht habe. Eine Teil-BAG setze voraus, dass bei dem Einbringenden noch ein Rest verbleibe, den er eigenständig vertragsärztlich ausführen könne. Ob das BSG den Erwägungen des BGH in dessen Entscheidung vom 15.5.2014 in allen Punkten folge, wurde ausdrücklich offen gelassen, da sich der zu beurteilende Sachverhalt unterscheide. Das BSG schrieb allen Interessierten für die Zukunft noch folgendes ins Stammbuch: Vertragliche Regelungen für eine Teil-BAG müssen vertraglich klar fixiert werden. Es müsse dem Vertrag zu entnehmen sein, welche Gebührenziffern des EBM als konkretisierte Leistungen Bestandteile der gemeinsamen Berufsausübung sein sollen. Unklarheiten gehen zu Lasten der Antragsteller. Größere strukturelle Vertragsänderungen während des gerichtlichen Verfahrens bewirken keine Heilung. Für die in § 15a Abs. 5 BMV-Ä aufgestellte Forderung, die Teil-BAG müsse medizinisch erforderlich sein, um Patienten gemeinsam zu versorgen, gebe es allerdings keine Rechtsgrundlage.
153
In der zweiten an diesem Tag verkündeten Entscheidung grenzte das BSG die vollständige Einbringung einer Praxis in eine Teil-BAG von der Einbringung eines vollständige Leistungskomplexes ab. Letzteres stünde einer Genehmigung einer Teil-BAG nicht entgegen.[73] Beide Ärzte (eine Internistin und ein Allgemeinarzt) waren Hausärzte und nahmen jeweils am DMP Diabetes Typen I und II. Die Internistin erbrachte überwiegend aber nicht ausschließlich diabetologische Leistungen. Der Allgemeinarzt hatte neben den diabetologischen Leistungen noch einen wesentlichen Anteil außerhalb der Diabetologie. Beide Ärzte wollten sich zu einer überörtlichen Teil-BAG zum Zwecke der diabetologischen Versorgung einschließlich Fußambulanz zusammenschließen. Zulassungs- und Berufungsausschuss lehnten die Genehmigung ab; die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Leistungen, die zur Behandlung bestimmter, im Gesellschaftsvertrag vorgesehener Krankheitsbilder erforderlich sind, können in einer Teil-BAG vergesellschaftet werden.[74] Das BSG schränkt dies aber gleich wieder ein. Führe ein Arzt z.B. in den Fächern Innere Medizin oder Chirurgie eine Schwerpunktbezeichnung, die ja fachgebietsähnlich verselbstständig sei, könne er kaum Partner einer Teil-BAG sein, weil jenseits seines Schwerpunkts, wenn er diesen einbringe, kein maßgeblicher vertragsärztlicher Rest mehr verbliebe.[75] Nach diesseitiger Auffassung müsste es aber möglich sein, dass ein Kardiologe und ein Radiologe eine Teil-BAG hinsichtlich des Kardio-MRT gründen, wenn die sonstigen kardiologischen und radiologischen Tätigkeiten nicht vergesellschaftet werden.
154
Wer schon bislang Ziel und Schutzzweck von §§ 18, 31 MBO verinnerlicht hat, hat mit dieser Konkretisierung durch das BSG keine Schwierigkeiten. Auch wenn das BSG § 15a Abs. 5 BMV-Ä mangels Ermächtigungsgrundlage für nichtig erklärt, wird insbesondere durch die Ausführungen in der Entscheidung zum diabetologischen Leistungskomplex deutlich, dass es Schnittmengen geben sollte. Was man in der Vergangenheit vielleicht nicht in dieser Deutlichkeit gesehen hat (oder auch nicht sehen wollte), ist der Umstand, dass die Zuweisungsproblematik auch innerhalb einer (Teil-)BAG virulent werden kann. Gesellschaftsrechtlich wird sich hier sicherlich Widerspruch regen, weil bislang die Gewinnverteilung eindeutig der freien vertraglichen Vereinbarkeit zugerechnet wurde. Man darf gespannt sein, wie die Kautelarpraxis damit umgeht. Das BSG fordert Transparenz bei der Vertragsgestaltung. „Weiche“ Formulierungen bergen das Risiko, nicht vor den strengen Blicken aus Kassel zu bestehen. Das Risiko trägt der Klauselverwender (und ggfls. der den Vertrag gestaltende Berater). Was ist mit dem Regressrisiko, wenn der Zulassungsausschuss nach Vorlage des Vertrages die Teil-BAG (bestandskräftig) genehmigt hat, im Rahmen späterer Verfahren aber gerichtlich festgestellt wird, dass diese Teil-BAG nicht genehmigungsfähig war? Ein erster Reflex geht sicherlich dahin, Honorarnachteile nur für die Zukunft anzunehmen. Ob diese Hoffnung trägt, mag man angesichts der Rechtsprechung des BSG bezweifeln.[76] Seit in krafttreten der §§ 299a, 299b StGB wird man auch berücksichtigen müssen, dass derartige Fallgestaltungen im Lichte dieser Vorschriften geprüft werden können. Steuerlich ist zu bedenken, dass Gewinne aus unzulässigen gesellschaftlichen Beteiligungen gewerbliche Einkünfte darstellen mit allen sich daraus ggf. zu ziehenden Konsequenzen.[77]
155
Der Gesetzgeber hatte für den Bereich der GKV ebenfalls reagiert und mit dem VÄndG zum 1.1.2007 in § 33 Abs. 2 S. 3 Ärzte-ZV eine TGP zwischen Ärzten, die nur auf Überweisung in СКАЧАТЬ