Literaturdidaktik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Almut Hille
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Literaturdidaktik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache - Almut Hille страница 8

СКАЧАТЬ der fremdsprachendidaktischen Forschung, besonders in der Fachdidaktik Englisch und auch Romanistik werden in jüngerer Zeit gerade die Transdisziplinarität und die kulturwissenschaftliche Orientierung einer Literaturdidaktik betont. Die Literaturwissenschaft wird als enge Bezugswissenschaft einer Literaturdidaktik angenommen, die sich in steter Auseinandersetzung mit neuen literatur- und kulturwissenschaftlichen Positionen und vielfältigen Lehr- und Lernprozessen dynamisch weiterentwickelt (siehe etwa Bredella/Delanoy/Surkamp 2004: 8, Freitag-Hild 2010: 9ff., Küster 2003). In dem von ihnen herausgegebenen Band Literaturdidaktik im Dialog bezeichnen Lothar Bredella, Werner Delanoy und Carola Surkamp (2004: 9) als wichtige Entwicklungsfelder der Literaturdidaktik beispielhaft eine gender-bezogene Fundierung der Vermittlung von Literatur, einen weiten Literaturbegriff und eine Aufgabenorientierung.

      Eine Literaturdidaktik des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache wie sie diesem Band zugrunde gelegt wird, knüpft an die dargestellten Forschungsdiskussionen an. Sie

      betrachtet Literatur als Gegenstand institutionalisierter Lehr- und Lernprozesse, auf den mit den Grundlagen und Methoden einer (kulturwissenschaftlich orientierten) Literaturwissenschaft zugegriffen wird;

      modelliert und erforscht (empirisch) fachspezifische Lehr- und Lernprozesse in ihren vielfältigen Komponenten wie Lernziele, Handlungsformen, Lehrende und Lernende.

      Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik werden so als zwei eng miteinander verbundene Wissenschaften verstanden, die Fragestellungen und Analysekategorien zum Gegenstand Literatur teilen.

      Diese Einführung verfolgt nicht das Anliegen, eine ‚eigenständige‘ Literaturwissenschaft für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, wohl aber eine fachspezifische Literaturdidaktik zu etablieren.

      Die Formung einer ‚eigenständigen‘ Literaturwissenschaft für das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache wurde in Forschungsbeiträgen immer wieder gefordert (vgl. Dobstadt 2009: 21ff., Altmayer 2014: 34). Aber worin soll sie bestehen? Unserem Verständnis nach ist es – wie in den oben dargestellten Positionen einer Fachdidaktik Deutsch wie Fachdidaktik Englisch ebenfalls deutlich wird – die Literaturwissenschaft an sich, deren Grundlagen und Methoden für einen didaktischen Umgang mit Literatur auch im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache relevant sind.

      Literatur müsse als Literatur ernst genommen und vermittelt werden – diese Forderung wird in der fachwissenschaftlichen Diskussion seit 2010 immer deutlicher formuliert. Verschiedene (neue) Konzepte nehmen die literarischen Texte als solche verstärkt in den Blick. Sie legen den Fokus auf

      die Rolle der Form für deren (Be-)Deutung (form as meaning),

      Medialität,

      Deautomatisierung,

      diskursive Vernetzung und

      die Partizipation an fremdsprachigen Diskursen als übergreifender Zielsetzung des Fremd- und Zweitsprachenunterrichts.

      Im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache wird dieser Entwicklung in hohem Maße Rechnung getragen; sie ist forschungsleitend in den letzten Jahren. Das betont aus anglistischer Sicht auch Laurenz Volkmann (2015) und hebt die jüngeren Beiträge der fachwissenschaftlichen Diskussion in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache diesbezüglich als vorbildlich hervor:

      Sie drehen ein oft vernommenes Hauptargument gegen den Einsatz von Literatur im Fremdsprachenunterricht bzw. für eine Reduktion von literarisch-ästhetischen Elementen gewissermaßen um. Nicht allein als fiktionaler Steinbruch für landeskundliche Phänomene oder interkulturelle Fremderfahrung habe Literatur zu wirken, sondern – im Gegenteil – Literatur solle im Mittelpunkt eines […] Unterrichts stehen. (Volkmann 2015: 367)5

      Mit dieser Betrachtung rücken andere, im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ebenfalls vertretene Positionen in den Hintergrund, die literarische Texte zunächst als Medien für sprachliches und kulturelles Lernen auffassen. In dieser Perspektive werden literarische Texte hauptsächlich in entsprechenden Bedingungsgefügen gesehen. Für das sprachliche Lernen (→ Kap. 6) wird etwa hervorgehoben, dass literarische Texte für die Präsentation und Übung eines grammatischen Phänomens von Bedeutung sein können; eine Position, die sich auch in vielen Lehrwerken findet. Auch die Beschäftigung mit einem Aspekt wie der Literarizität von Texten generell, den literarische Texte jedoch in besonders auffälliger Weise ausstellen, kann in dieser Perspektive sprachliches Lernen fördern.

      Mit dem Fokus auf dem kulturellen (bzw. landeskundlichen) Lernen werden die Lektüren literarischer Texte mitunter den Kulturstudien, der Kulturvermittlung bzw. Landeskunde im Fach subsumiert (→ Kap. 7), in besonderem Maße werden literarische Texte im Fokus des interkulturellen Lernens betrachtet (→ Kap. 8).

      Eine andere Position betrifft das philologische Handlungswissen von Lernenden. Argumentiert wird, dass von DaF-Lernenden wenig literaturwissenschaftliche Kenntnisse bzw. philologisches Handlungswissen erwartet und gefordert werden können, die für einen adäquaten Umgang mit literarischen Texten erforderlich wären (vgl. Dobstadt 2009: 27). Das ist in Teilen sicher richtig, wobei – wie nachfolgend noch gezeigt wird – unterschiedliche Lehr- und Lernkontexte zu berücksichtigen wären. Auch richtig sind aber Positionen wie beispielsweise von Andrea Leskovec (2011b) und mit Blick auf die Arbeit mit Spielfilmen Renate Bürner-Kotzam (2011a), dass entsprechendes deklaratives Wissen im Unterricht etwa in Form von Glossaren oder kurzen Erklärungen bereitgestellt und von den Lernenden verwendet, günstigenfalls also zu prozeduralem Wissen werden kann. Eine solche Vorgehensweise setzt allerdings voraus, dass die Lehrenden über entsprechende Kenntnisse verfügen und sie schon in der Unterrichtsvorbereitung einsetzen können. Eine Fallstudie von Almut Hille (2017) in Anknüpfung an Überlegungen von Claire Kramsch (2011) zeigt, dass Studierende als künftige Lehrkräfte nicht in ausreichendem Maße über literaturwissenschaftliche Kenntnisse bzw. philologisches Handlungswissen verfügen. In der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften müssten sie also stärker vermittelt werden.

      Fallstudien, wie die genannte, oder größere empirische Studien werden auch in der Literaturdidaktik des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in den nächsten Jahren eine größere Rolle spielen (müssen). Bislang werden empirische Forschungen insbesondere im Hinblick auf sprachliche Lehr- und Lernprozesse durchgeführt (siehe etwa Riemer/Settinieri 2010, Settinieri et al. 2014 und Riemer 2019). Im Bereich der Literatur- und Kulturvermittlung sind sie noch selten.6 In einem Überblicksartikel zu literaturwissenschaftlich orientierten Lehr- und Forschungsperspektiven im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache entwickeln Dobstadt/Riedner (2014a: 157f.) erste Überlegungen dazu; außerdem stellen sie in einem Beitrag von 2016 eine Pilotstudie zur Arbeit mit einer Lehrbuchlektion vor, die im Hinblick auf eine Literarizitätsdidaktik modifiziert und mit einer Gruppe von Lernenden evaluiert wurde. Potenzial für empirische Forschungen sehen sie vor allem in rezeptions- und leserbezogenen sowie methodisch-didaktischen Fragen, bei denen es um die Evaluierung von Aufgabenstellungen und Unterrichtskonzepten für das Erreichen von literaturbezogenen Lehr- und Lernzielen geht. Neben diesen generellen Überlegungen finden sich erste empirische Forschungen zu Unterrichtskonzepten, die auf der Basis literaturtheoretischer Diskussionen zur diskursiven Verfasstheit literarischer Texte (→ Kap. 10) modelliert wurden. In zwei Beiträgen zur Arbeit mit Texten der Gegenwartsliteratur im Rahmen von internationalen Masterstudiengängen für Deutsch als Fremdsprache bzw. von Fortbildungen für Deutschlehrer*innen in der internationalen Germanistik wurden Daten zu den Lektüren von Studierenden und Lehrenden erhoben und ausgewertet (Hille/Schiedermair 2018, Schiedermair 2020). Wie diese (ersten) Überlegungen und Publikationen zeigen, steht die Forschung hier noch am Anfang. Es gilt, weiter auszuarbeiten, welche Fragestellungen sich mit empirischen Forschungsmethoden bearbeiten lassen und welche Forschungsdesigns geeignet sind. Dabei sind insbesondere die (sehr) heterogenen Kontexte von Lehr- und Lernprozessen in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache СКАЧАТЬ