Existenzielle Psychotherapie. Irvin D. Yalom
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      (Du wirst verbrannt oder begraben werden.)

      It’s not the cough that carries you off, it’s the coffin they carry you off in.

      (Es ist nicht der Husten, der dich umbringt, sondern es ist der Sarg, in dem sie dich wegbringen.)

      Now I lay me down to sleep,

      A bag of bananas at my feet.

      If I should die before I wake,

      You’ll know it was the tummy ache.

      (Nun lege ich mich schlafen,

      Ein Sack Bananen zu meinen Füßen.

      Wenn ich sterben sollte, bevor ich aufwache,

      Wirst du wissen, dass es das Bauchweh war.)

      The worms crawl in,

      The worms crawl out,

      You’II hardly know what it’s all about.59 (Die Würmer kriechen rein,

      Die Würmer kriechen raus,

      Du weißt kaum, warum all das geschieht.)

      Viele Kinder, besonders Jungen, lassen sich auf rücksichtslose, tollkühne Kunststücke ein. (Möglicherweise reflektiert einiges des delinquenten Verhaltens von Erwachsenen das Fortbestehen dieser Abwehr gegen die Todesangst.) Junge Mädchen tun das weniger häufig, entweder wegen der Anforderungen an ihre soziale Rolle oder weil, wie Maurer vorschlägt,60 sie von der Todesfurcht aufgrund ihres Wissens um ihre biologische Rolle als Mütter, und das heißt, als Schöpfer, weniger bedrängt sind.

      Verleugnung der Todesbewusstheit in der Literatur über Kinderpsychiatrie. Trotz der zwingenden und überzeugenden Argumente und der sie unterstützenden Beweise, dass Kinder den Tod in einem sehr frühen Alter entdecken und durchgängig damit beschäftigt sind, sucht man vergebens nach einer ausgewogenen Berücksichtigung der Todesfurcht in der psychodynamischen Formulierung der Persönlichkeitsentwicklung oder in der Psychopathologie. Warum gibt es eine Diskrepanz zwischen klinischer Beobachtung und dynamischer Theorie? Dazu ist, glaube ich, ein »Wie« und ein »Warum« zu erwägen.

      Wie? Ich glaube, dass der Tod aus der psychodynamischen Theorie durch einen simplen Mechanismus ausgeschlossen wird: Der Tod wird übersetzt in »Trennung«, und diese nimmt die Rolle des Todes in der dynamischen Theorie ein. John Bowlby präsentiert in seiner imposanten Arbeit über Trennung61 überzeugende ätiologische, experimentelle und empirische Beweise, die zu umfangreich sind, als dass sie hier genauer erörtert werden könnten; sie weisen darauf hin, dass die Trennung von der Mutter ein katastrophales Ereignis für das Kleinkind ist und dass die Trennungsangst während der Zeit vom sechsten bis zum dreizehnten Monat deutlich erkennbar ist. Bowlby schließt daraus – und diese Schlussfolgerung wird durch die Kliniker weithin akzeptiert –, dass die Trennung die ursprüngliche Erfahrung bei der Entstehung von Angst ist: Trennungsangst ist die grundlegende Angst; und andere Quellen der Angst, einschließlich der Todesangst, erhalten ihre emotionale Bedeutung durch die Gleichgewichtung mit der Trennungsangst. Mit anderen Worten, der Tod ist bedrohlich, weil er die Trennungsangst wieder hervorruft.

      Bowlbys Arbeit enthält zum überwiegenden Teil elegante Argumentationen. Jedoch bei der Betrachtung der Todesangst scheint seine Vorstellungskraft seltsam eingeschränkt zu sein. Beispielsweise zitiert er Jersilds Untersuchung, in welcher vierhundert Kinder nach ihren Ängsten gefragt wurden.62 Jersild fand heraus, dass spezifische Ängste vor dem Krankwerden oder dem Sterben auffällig selten waren: Sie wurden durch keines der zweihundert Kinder unter neun Jahren und nur von sechs der zweihundert Kinder von neun bis zwölf Jahren erwähnt. Bowlby schließt aus diesen Daten, dass die Todesfurcht bei Kindern unter zehn Jahren nicht vorhanden ist, dass sie eine spätere und gelernte Angst ist und dass sie wichtig ist, weil sie mit Trennung gleichgesetzt wird.63 Jersilds Untersuchung zeigt, dass das, wovor die Kinder Angst haben, Tiere, Dunkelheit, Höhen sind oder in der Dunkelheit durch solche Geschöpfe wie Geister oder Kindesentführer angegriffen zu werden. Nicht gestellt wird jedoch die offensichtliche Frage: Was ist die Bedeutung für Kinder von Dunkelheit oder Geistern oder wilden Tieren oder in der Dunkelheit angegriffen zu werden? Mit anderen Worten, was ist die darunterliegende Bedeutung, die geistige Repräsentation dieser Ängste?

      Rollo May argumentiert in seinem brillanten Buch über die Angst, dass Jersilds Studie lediglich zeigt, dass Angst in Furcht verwandelt wird.64 Die Furcht eines Kindes ist oft unvorhersagbar, verändert sich und hat keinen Bezug zur Realität (das Kind hat zum Beispiel mehr Furcht vor entfernten Tieren wie Gorillas und Löwen als vor vertrauten). Was auf einer oberflächlichen Ebene unvorhersagbar erscheint, so argumentiert May, ist auf einer tieferen Ebene ganz schlüssig: Die Ängste eines Kindes sind »objektivierte Formen von darunterliegender Angst«. May teilt mit, dass »Jersild mir gegenüber in einem persönlichen Gespräch bemerkt hat, dass diese (der Kinder) Ängste wirklich Angst ausdrückten. Er war überrascht, dass er das zuvor nie gesehen hatte. Ich glaube, die Tatsache, dass er das nicht sah, zeigt, wie schwer es ist, aus unseren traditionellen Denkgewohnheiten herauszukommen.«65

       Die Verhaltensforschung hat viele Situationen dargestellt, die bei Menschenkindern Furcht auslösen. Die gleiche Frage kann in Bezug auf diese experimentellen Daten gestellt werden. Warum fürchtet sich das Kind vor Fremden oder einer »visuellen Klippe« (einem Glastisch mit etwas, das wie ein Abgrund darunter aussieht) oder vor einem sich nähernden Gegenstand (der plötzlich auftaucht) oder vor Dunkelheit? Offensichtlich stellt jede dieser Situationen – wie auch Tiere, Geister und Trennung – eine Bedrohung für das Überleben dar. Aber mit der Ausnahme von Melanie Klein und D. W. Winnicott, die hervorheben, dass ursprüngliche Angst die Angst vor der Vernichtung, der Ich-Auflösung ist oder davor, verschlungen zu werden,66 wird die Frage, warum sich das Kind vor diesen lebensbedrohenden Situationen fürchtet, selten gestellt. Die Theoretiker der Kindesentwicklung oder Kinder- und Jugendpsychoanalytiker ziehen oft sehr spekulative Schlussfolgerungen über das Innenleben des Kindes, wenn es sich um Objektbeziehungen oder kleinkindliche Sexualität handelt; aber wenn sie den Todesbegriff des Kindes betrachten, setzt ihre Intuition und Vorstellungskraft aus.

      Der Beweis für das Vorhandensein der Trennungsangst gründet auf soliden Verhaltensbeobachtungen. Bei der gesamten Spezies der Säugetiere bekundet ein Kind, das von seiner Mutter getrennt wird, Zeichen der Besorgnis – sowohl äußere motorische Zeichen als auch innere physiologische. Es besteht auch kein Zweifel daran, wie Bowlby nachdrücklich zeigt, dass die Trennungsangst früh im Leben des menschlichen Kleinkindes erkennbar ist und dass Sorgen über Trennungen ein Hauptmotiv in der inneren Welt der Erwachsenen bleibt.

      Aber was die Verhaltensforschung nicht enthüllen kann, ist die Natur der inneren Erfahrung des jungen Kindes oder, wie Anna Freud es ausdrückte, der »mentalen Repräsentation« der Verhaltensreaktionen.67 Wir können etwas darüber wissen, was die Furchtsamkeit auslöst, aber nicht, was die Furchtsamkeit ist. Die empirische Forschung zeigt, dass das Kind furchtsam ist, wenn es getrennt wird, aber sie zeigt auf keine Art und Weise, dass die Trennungsangst die ursprüngliche Angst ist, von der die Todesangst abgeleitet ist. Auf einer vorgedanklichen und vorsprachlichen Ebene erfährt das Kind vielleicht die urwüchsige Angst des Nicht-Seins; und diese Angst tendiert sowohl beim Kind als auch beim Erwachsenen dazu, zur Furcht zu werden: Sie wird in der einzigen »Sprache«, die dem Kind zur Verfügung steht, gebunden an und transformiert in die Trennungsangst. Die Entwicklungstheoretiker verwerfen die Idee, dass ein Kleinkind – sagen wir jünger als dreizehn Monate – Todesangst erfahren könnte, weil das Kind nur einen geringen Begriff vom Selbst hat, das von den ihn umgebenden Objekten getrennt ist. Aber das gleiche kann über die Trennungsangst gesagt werden. СКАЧАТЬ