Existenzielle Psychotherapie. Irvin D. Yalom
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Читать онлайн книгу Existenzielle Psychotherapie - Irvin D. Yalom страница 34

СКАЧАТЬ hat Richard (5 Jahre, 1 Monat) über das Sterben zu jammern angefangen und fühlte sich schlecht. Gestern, als er in seiner Badewanne herumschwamm, spielte er mit der Möglichkeit, niemals zu sterben, tausend Jahre zu leben. Heute sagt er: »Ich könnte allein sein, wenn ich sterbe, wirst du bei mir sein?« »Aber ich will niemals tot sein; ich will nicht sterben.« Einige Tage zuvor hatte ihm seine Mutter, als er sich zu fürchten schien, weil er nicht wusste, wie man stirbt, erzählt, er brauche sich keine Sorgen zu machen, weil sie zuerst sterben würde, und so würde er wissen, wie man das macht. Das schien ihn zu beruhigen.37

      In einem kontroversen Aufsatz stellt Adah Maurer einige faszinierende Spekulationen über die frühe Bewusstheit des Todes bei Kleinkindern an.38 Die erste Aufgabe des Kleinkindes ist es, so argumentiert Maurer, zwischen Selbst und Umgebung zu differenzieren – das Sein als das Gegenteil des Nicht-Seins zu kennen. Während das Baby zwischen Bewusstsein und Unbewusstheit hin und her pendelt, zwischen Schlaf und Wach-Sein, bekommt es einen Sinn für diese beiden Zustände. Welches ist die geistige Erfahrung eines Kleinkindes während eines nächtlichen Schreckens? Maurer schlägt vor, dass das Kleinkind vielleicht Furcht und die Bewusstheit des Nicht-Seins erfährt. Während es in einem dunklen ruhigen Raum liegt und sowohl des Seh- als auch des Hörvermögens beraubt ist, ist das Kleinkind vielleicht durch eine halbwache körperlose Empfindung in Panik versetzt. (Max Stern, der nächtliches Erschrecken untersuchte, kam zu einer ähnlichen Schlussfolgerung: Das Kind ist erschrocken vor dem Nichts.39)

      Warum hat das Kleinkind Spaß an dem Spiel, Spielzeug von einem Kindersitz aus herunterzuwerfen? Das Kind, das einen Partner finden kann, der mitmacht und das Spielzeug zurückgibt, wird im Allgemeinen das Spiel fortführen, bis der Partner ermüdet aufgibt. Vielleicht stammt diese Freude aus einem erotischen Vergnügen an muskulärer Bewegung; vielleicht ist es eine Manifestation dessen, was Robert White den Trieb nach »Effektanz« nennt – das innewohnende Vergnügen, seine Umwelt zu beherrschen.40 Maurer behauptet, dass das Kleinkind von dem Verschwinden und Wiedererscheinen fasziniert ist, welches in den Gedanken und den Verhaltensweisen, die dem Kind zur Verfügung stehen, materielle Symbole des Begriffs von Sein und Nicht-Sein darstellen.41 Tatsächlich kann Whites Effektanztrieb ein Abkömmling des Versuchs des Kindes sein, Nicht-Sein zu besiegen. Diese Spekulationen stimmen mit einer großen Fülle von Literatur über die »Objektbeständigkeit« in der Kindesentwicklung überein, deren gründliche Erörterung mich zu weit weg führen würde. Kurz jedoch heißt das, dass das Kind das Verschwinden eines Objektes nicht schätzt, bis es seine Beständigkeit hergestellt hat. Beständigkeit hat keine Bedeutung ohne die Wertschätzung von Wandel, Zerstörung oder Verschwinden; deshalb entwickelt das Kind das Konzept von Beständigkeit und Wandel zusammen.42 Darüber hinaus gibt es eine enge Beziehung zwischen Objektbeständigkeit und einem Sinn für Selbstbeständigkeit; die gleiche Art von Oszillieren, die Kopplung von Beständigkeit (Belebtheit, Sein) und Verschwinden (Nicht-Sein, Tod) ist wesentlich für die Entwicklung des Kindes.

      »Alles weg« ist einer der ersten Sätze im Vokabular des Kindes, und »alles weg« ist ein allgemeines Thema in den Kindheitsängsten. Die Kinder bemerken, wie ein Huhn zur Mittagszeit verschwindet; oder wie das Badewasser wegfließt, wenn der Stöpsel einmal gezogen ist; oder wie die Fäkalien weggespült werden. Es gibt kaum ein Kind, welches nicht fürchtet, verschlungen, weggespült oder durch das Abflussrohr eingesaugt zu werden. Die analytische Literatur bemerkt die unbewusste Gleichsetzung von Fäkalien und Leichnam.43 Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Psychotherapeuten die Dynamik der Sauberkeitserziehung neu überdenken, denn in ihr scheint mehr enthalten zu sein als analer Erotizismus oder trotziger Widerstand: Für das Kind löst die Sauberkeitserziehung die Ängste im Zusammenhang mit physischer Integrität und Überleben aus. Wenn das Kind sich bewusst wird, dass ewige Wiederkehr verschwundener Gegenstände nicht das Übliche ist, dann sucht es nach anderen Strategien, um sich vor der Bedrohung des Nicht-Seins zu schützen. Das Kind wird zum Meister statt zum Opfer des »alles weg«. Das Kind zieht den Badewannenstöpsel heraus, spült Dinge die Toilette hinunter und bläst Streichhölzer freudig aus, es freut sich, wenn es der Mutter helfen kann, indem es auf das Pedal des Mülleimers tritt. Später verbreitet das Kind den Tod entweder symbolisch in Cowboy- und Indianer spielen oder wörtlich, indem es das Leben von Insekten auslöscht. Tatsächlich hielt Karen Horney die Feindseligkeit und Zerstörungswut eines Kindes für direkt proportional zum Ausmaß, in dem dieses Kind das Gefühl hat, dass sein Überleben in Gefahr ist.

      Was geschieht mit dem Wissen, wenn das Kind einmal »weiß«?

      Das Gewusste bleibt nicht gewusst. Matilda McIntire, Carol Angle und Lorraine Struempler fragten 598 Kinder danach, ob ein totes Schoßtier weiß, dass sein Besitzer es vermisst, und sie fanden heraus, dass siebenjährige Kinder bei weitem mehr dazu neigen als elf- und zwölfjährige, die Endgültigkeit und Unveränderbarkeit des Todes zu akzeptieren.44 Ein ähnliches Ergebnis berichten Irving Alexander und Arthur Adlerstein, die eine große Zahl von Kindern zwischen fünf und sechzehn Jahren mit dem GSR (Galvanische Hautreaktion – ein physiologisches Maß für Angst) testeten, wobei sie einer Serie von Wörtern mit Todesbezug, die in eine Serie neutraler Wörter eingestreut waren, ausgesetzt wurden.45 Sie teilten die Kinder in drei Gruppen ein: Kindheit (5-8), Präadoleszenz oder Latenzphase (9-12) und Adoleszenz (13-16). Die Ergebnisse wiesen darauf hin, dass die jungen Kinder (und die Adoleszenten) eine wesentlich größere emotionale Reaktion auf Wärter mit Todesbezug zeigten als die Versuchspersonen der Latenzzeit. Die Autoren zogen den Schluss, dass die Latenzzeit eine gesegnete Phase ist, das »goldene Zeitalter« der Kindheit. »Die Kinder in diesem Alter scheinen zu sehr mit der Routine des Lebens und den dazugehörigen Vergnügungen beschäftigt zu sein, als dass sie sich mit dem Begriff des Todes befassen.«

      Ich glaube, dass es einen weniger blauäugigen Weg gibt, diese Ergebnisse zu erklären, nämlich dass das Kind im frühen Alter über die »wahren Ursachen des Lebens« stolpert, dass die einsame Suche des Kindes es zur Entdeckung des Todes führt. Aber das Kind ist von der Entdeckung überwältigt und erfährt ursprüngliche Angst. Obwohl das Kind nach Bestätigungen sucht, muss es sich mit dem Tod auseinandersetzen: Es gerät angesichts des Todes vielleicht in Panik, verleugnet ihn, personifiziert ihn, verachtet ihn, verdrängt ihn, verschiebt ihn, aber es muss sich mit ihm auseinandersetzen. Während der Latenzzeit lernt das Kind (oder es wird ihm beigebracht), die Realität zu negieren; und allmählich, während das Kind wirksame und verfeinerte Formen der Verleugnung entwickelt, gleitet die Bewusstheit des Todes in das Unbewusste ab, und die ausdrückliche Furcht vor dem Tod lässt nach. Die sorgenfreien Tage der Präadoleszenz – das »goldene Zeitalter« der Latenzzeit – verringern die Todesangst nicht, sondern gehen aus ihr hervor. Obwohl man in der Latenzzeit viel allgemeines Wissen erwirbt, zieht man sich gleichzeitig vom Wissen über die Tatsachen des Lebens zurück. Und es ist die Bewusstheit des Todes ebenso wie die kindliche Sexualität, die »latent« ist. Während der Adoleszenz sind die Verleugnungssysteme der Kindheit nicht mehr wirksam. Die introspektiven Tendenzen und die größeren Ressourcen der Adoleszenz erlauben ihm oder ihr, sich der Unausweichlichkeit des Todes wieder einmal zu stellen, die Angst zu ertragen und nach einem veränderten Modus des Umgangs mit den Tatsachen des Lebens zu suchen.

      Stadien des Wissens

      Ein Arbeitsmodell für die kindliche Entwicklungsfolge des Todesbegriffs hängt von der offenen Frage ab, wann es zuerst vom Tod »weiß«. Entweder das Kind entwickelt allmählich eine Bewusstheit und ein Verständnis des Todes; oder, wie ich glaube, das Kind wird von einem sprunghaften Prozess erfasst, zuviel zu früh zu wissen, und findet dann einen Weg, jenes Wissen zu verdrängen, zu »verlernen«, bis es allmählich darauf vorbereitet ist, das zu akzeptieren, was es ursprünglich wusste. In dieser Angelegenheit gibt es keine Sicherheit; es gibt keine zwingenden Beweise für die beiden Standpunkte.

      Ich betrachte die Stadien, die dem ersten Wissen eines Kindes vom Tod folgen, als auf Verleugnung gegründet. Das Konzept der Verleugnung schließt die Existenz vorhergehenden Wissens mit ein: Man kann nur das verleugnen, СКАЧАТЬ