Existenzielle Psychotherapie. Irvin D. Yalom
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СКАЧАТЬ dann schließlich, das wovon getrennt wird?

      Unserem Wissen über eine innere Erfahrung, die nicht beschrieben werden kann, sind Grenzen gesetzt, und ich laufe in dieser Diskussion Gefahr, die Gedanken des Kindes zu »erwachsenen Gedanken« zu machen. Man muss sich bewusst sein, dass der Begriff »Trennungsangst« eine Konvention ist, ein Begriff, auf den man sich auf der Grundlage empirischer Forschung geeinigt hat und der sich auf einen unaussprechlichen inneren Zustand der Furchtsamkeit bezieht. Aber für den Erwachsenen ergibt es überhaupt keinen Sinn, Todesangst in Trennungsangst zu übersetzen (oder »Furcht vor dem Objektverlust«), oder zu behaupten, dass die Todesangst von einer »grundlegenderen« Trennungsangst abgeleitet ist. Wie ich in dem vorhergehenden Kapitel ausgeführt habe, muss man zwischen zwei Bedeutungen von »grundlegend« unterscheiden: »grundlegend« und »chronologisch zuerst«. Selbst wenn wir die Behauptung akzeptieren, dass Trennungsangst chronologisch die erste Angst ist, würde daraus nicht folgen, dass Todesangst »wirklich« die Furcht vor dem Objektverlust ist. Die grundlegendste Angst entsteht aus der Bedrohung des Selbstverlusts; und wenn man den Objektverlust fürchtet, dann deshalb, weil der Verlust dieses Objekts eine Bedrohung für sein Überleben ist (oder eine solche symbolisiert).

      Warum? Das Auslassen der Todesfurcht aus der dynamischen Theorie ist offensichtlich kein Versehen. Es gibt auch, wie wir gesehen haben, keinen überzeugenden Grund, der die Übersetzung dieser Furcht in andere Begriffe rechtfertigt. Ich glaube, dass ein aktiver Verdrängungsprozess wirksam ist – ein Prozess, der von der universellen Tendenz der Menschheit (einschließlich der Verhaltensforscher und Theoretiker), den Tod zu verleugnen, stammt – ihn sowohl persönlich als auch in seiner Lebensarbeit zu verleugnen. Andere, die die Todesfurcht erforscht haben, kamen zu einer ähnlichen Schlussfolgerung. Anthony bemerkt dazu:

      Das Unlogische und die offensichtliche Unsensibilität (der Kindesentwicklungsforscher) gegenüber dem Phänomen der Furcht des Menschen vor dem Tod, die von der Anthropologie und Geschichte als eine der verbreitetsten und stärksten menschlichen Motivationen aufgezeigt wurden, kann nur der konventionellen (das heißt kulturell induzierten) Verdrängung dieser Furcht durch die Autoren selbst und jene, über deren Forschungen sie berichten, zugeschrieben werden.68

      Charles Wahl kommentiert in einer ähnlichen Richtung:

       Es ist eine überraschende und bedeutsame Tatsache, dass das Phänomen der Todesfurcht oder der Angst davor (Thanatophobie, wie sie genannt wird) in der psychiatrischen oder psychoanalytischen Literatur fast nicht beschrieben wird, während sie doch sicherlich keine klinische Seltenheit ist. Sie fällt durch ihre Abwesenheit auf. Könnte dies bedeuten, dass die Psychiater nicht weniger als andere sterbliche Menschen eine Abneigung davor haben, ein Problem zu betrachten oder zu erforschen, das so eng und persönlich bezeichnend für die Kontingenz der menschlichen Situation ist? Vielleicht scheinen sie, ebenso wie ihre Patienten, La Rochefoucaulds Beobachtung bestätigen zu wollen, dass »man nicht direkt sowohl auf die Sonne als auch auf den Mond schauen kann.«69

      Wenn die Todesangst ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung der Psychopathologie ist, und wenn es eine wesentliche Entwicklungsaufgabe jedes Kindes ist, mit dem Todesbegriff klarzukommen, warum entwickeln einige Personen sie behindernde neurotische Störungen, und andere erreichen das Erwachsenenstadium auf relativ gut integrierte Weise? Es gibt keine empirische Forschung, die uns helfen würde, diese Frage zu beantworten, und im Augenblick kann ich nicht mehr tun, als Möglichkeiten aufzuzeigen. Zweifellos interagieren eine Vielzahl von Faktoren auf komplexe Art. Es muss ein »ideales« Timing oder eine Sequenz von Entwicklungsereignissen geben: Das Kind muss sich mit den Fragen in einem Tempo auseinandersetzen, das mit seinen inneren Ressourcen vereinbar ist. »Zuviel zu früh« schafft offensichtlich ein Ungleichgewicht. Ein Kind, das mit dem Tod hart konfrontiert wird, bevor es angemessene Abwehrkräfte entwickelt hat, kann ernsthaft gestresst sein. Ernsthafter Stress, der zu allen Zeiten des Lebens unbequem ist, hat für das Kind Implikationen, die über vorübergehende Stimmungstiefs hinausgehen. Freud beispielsweise sprach von dem unverhältnismäßig schweren und andauernden Schaden für das Ich, der durch massive Traumata früh im Leben verursacht werden kann, und er zitiert zur Veranschaulichung ein Experiment in der Biologie, das die katastrophalen Wirkungen auf den erwachsenen Organismus demonstrierte, die durch einen winzigen Nadelstich in das Embryo ganz zu Beginn seiner Entwicklung ausgelöst wurden.70

      Um welche Art von Trauma mag es sich handeln? Verschiedene offensichtliche Möglichkeiten bieten sich an. Es ist ein wichtiges Ereignis, wenn das Kind in seiner Umgebung dem Tod ausgesetzt wird; einige Arten des Kontakts mit dem Tod können – in angemessener Dosierung und beim Vorhandensein bereits entwickelter Ich-Stärke, gesunder Konstitution und in der Gegenwart unterstützender Erwachsener, die selbst auf angemessene Weise mit der Todesangst umgehen können – zu einem harmlosen Ereignis werden, während einige Arten des Kontakts mit dem Tod die Fähigkeiten des Kindes, sich selbst zu schützen, übersteigen mögen. Jedes Kind ist dem Tod in der Begegnung mit Insekten, Blumen, Schoßtieren und anderen kleinen Tieren ausgesetzt, und diese Tode können Quellen der Verwirrung oder Angst sein und das Kind dazu veranlassen, Fragen über den Tod und Ängste davor mit seinen Eltern zu besprechen. Aber bei einem Kind, das dem Tod eines Menschen gegenübersteht, ist die Wahrscheinlichkeit eines Traumas viel größer.

      Der Tod eines anderen Kindes ist, wie ich erläutert habe, besonders furchterregend, weil er den tröstenden Glauben, dass nur sehr alte Menschen sterben, untergräbt. Der Tod eines Geschwisters, das sowohl jung als auch wichtig für das Kind ist, ist ein noch größeres Trauma. Die Reaktionen des Kindes darauf können sehr komplex sein, denn verschiedene Punkte spielen dabei eine Rolle: Schuld, die von der Geschwisterrivalität herrührt (und aus der Freude, mehr elterliche Aufmerksamkeit zu erhalten), Verlust des anderen und das Hervorrufen von Furcht vor dem eigenen persönlichen Tod. Die Literatur beschäftigt sich vor allem mit dem ersten Punkt, der Schuld, und gelegentlich mit dem zweiten, dem Verlust, aber fast nie mit dem dritten. Beispielsweise präsentieren Rosenzweig und Bray Daten, die darauf hinweisen, dass bei schizophrenen Patienten signifikant häufiger der Tod eines Geschwisters vor dem sechsten Lebensjahr des Patienten vorkommt, wenn man sie mit normaler Population vergleicht, mit einer manisch-depressiven Stichprobe und mit einer Stichprobe von paretischen Patienten.71

      Rosenzweig bietet die übliche analytische Interpretation seines Untersuchungsergebnisses an – nämlich dass überwältigende Schuld, die aus zwischengeschwisterlicher Feindseligkeit und inzestuösen Gefühlen stammt, ein wichtiger Faktor bei der Erzeugung schizophrener Verhaltensmuster ist. Um diese Schlussfolgerung zu unterstützen, präsentiert er drei kurze Fallbeispiele (in je einem Abschnitt). Trotz der Kürze der Berichte und der Selektion aus einer riesigen Stichprobe klinischen Materials für die Unterstützung seiner These, gibt es Beweise für die Furcht vor dem persönlichen Tod in zwei der drei Beispiele. Ein Patient, der seine Mutter und zwei Geschwister früh in seinem Leben verloren hatte, reagierte sehr stark auf den Tod einer Cousine: »Er war so tief verstört, dass er krank wurde und ins Bett gehen musste: Er fürchtete ständig, dass er sterben würde. Der Arzt diagnostizierte einen Nervenzusammenbruch. Der Patient zeigte bald das bizarre Verhalten eines Schizophrenen.«72 Ein anderer Patient verlor drei Brüder, den ersten, als er sechs Jahre alt war. Er entwickelte eine Psychose im siebzehnten Lebensjahr, kurz nach dem Tod des dritten Bruders. Die einzige Aussage, die von diesem Patienten zitiert wird, legt nahe, dass mehr als Schuld bei seiner Reaktion auf den Tod eine Rolle spielt. »Ich habe seine Stimme gelegentlich gehört. Manchmal scheine ich fast er zu sein. Ich weiß nicht, da scheint eine Leere im Weg zu sein … Ja, wie kann ich über eine Leere wie seinen Tod hinwegkommen? Mein Bruder ist tot, und ich bin – nun, ich bin am Leben, aber ich weiß nicht … «73 Diese hochselektive Art des Fallberichts beweist nichts. Ich habe diesen Punkt herausgearbeitet, um die Probleme bei der Interpretation der Forschungsliteratur zu veranschaulichen. Die Forscher und Kliniker sind »eingefahren« und haben Schwierigkeiten, den Bezugsrahmen zu verändern, selbst dann, wenn, wie bei dieser Forschung, eine andere Erklärung völlig plausibel und mit СКАЧАТЬ