Existenzielle Psychotherapie. Irvin D. Yalom
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Читать онлайн книгу Existenzielle Psychotherapie - Irvin D. Yalom страница 31

СКАЧАТЬ Art, häufig unvollständige und irreführende Daten erbringen, und dass die befriedigendste Art der Befragung eine »allgemeine Untersuchung« (oder ein »klinisches Interview«) ist – und die meisten Kliniker würden dem zustimmen. Tiefeninterviews mit Kindern haben in der Literatur jedoch Seltenheitswert. Unser Fürsorgeinstinkt wird geweckt beim Anblick der Jungen fast jedweder Säugetierspezies, angefangen von kleinen Kätzchen, jungen Hunden und Fohlen bis hin zu Menschen. Es ist schwierig, gegen den biologischen Strich zu gehen, ein Kind der nackten Wahrheit über den Tod auszusetzen; und diese Schwierigkeit ist, glaube ich, der Hauptfaktor für die Seltenheit professioneller Untersuchungen. Tatsächlich habe ich ernsthaft Zweifel darüber, ob ein Forschungsprojekt, in dessen Design eine ausdrückliche Befragung kleiner Kinder über den Tod enthalten ist, heute von einem Komitee für sozialwissenschaftliche Humanforschung genehmigt werden würde; zweifellos würde solch ein Projekt auf starken Widerstand der Eltern stoßen.

      Folglich sind die Untersuchungen im Allgemeinen indirekt und oft oberflächlich. Es gibt nur wenige Berichte über Untersuchungen, die auf direkten Interviews basieren,13 und die gründlichsten von ihnen sind mehrere Jahrzehnte alt. Maria Nagy und Sylvia Anthony berichteten von Arbeiten, die in den vierziger Jahren durchgeführt wurden. Nagy (die den Kindern in der Schule, wo sie ihre Untersuchungen durchführte, als »Tante Tod« bekannt war) bat Kinder, Bilder über den Tod zu malen, Aufsätze über den Tod zu schreiben und ihre Gedanken über den Tod mündlich zu äußern.14 Anthony fragte nach Definitionen von Wörtern, die mit dem Tod zusammenhängen, und benutzte einen Geschichten-Vervollständigungs-Test.15 1935 legten Paul Schilder und David Wechsler Kindern eine Serie von Bildern mit Todesbezug vor und fragten nach ihren Reaktionen.16 Obwohl die Bilder sehr deutlich, ja sogar makaber waren, machten die Autoren Konzessionen gegenüber der Empfindsamkeit der Kinder und akzeptierten und berichteten die Reaktionen ohne nachzufragen. Wären die Versuchspersonen Erwachsene gewesen, hätten die Forscher dieses Vorgehen niemals geduldet; stattdessen hätten sie nachgefragt, nachgeforscht und die Reaktionen in großer Tiefe interpretiert. Was dem Kind beigebracht wird. Es gibt noch etwas, was unser Wissen über das, was ein Kind über den Tod weiß, beeinträchtigt. Ein Kind bleibt selten lange im ersten Zustand seines Wissens über den Tod, denn die Erwachsenen sind außerordentlich verängstigt bei dem Anblick eines Kindes, das mit Gedanken an den Tod ringt, und springen ein, um das Kind zu schonen. Das Kind nimmt die Angst des Erwachsenen wahr und entdeckt dementsprechend, dass es notwendig ist, Sorgen über den Tod zu unterdrücken: Es wird wenig echte Unterstützung von seinen Eltern erhalten. Viele Eltern kommen angesichts des Kummers eines Kindes ins Wanken und zwar trotz eines beträchtlichen Maßes an Aufklärung und des festen Entschlusses, ehrlich zu sein. Anthony berichtet von einer kurzen anschaulichen Unterhaltung zwischen einem fünfjährigen Kind und seiner Mutter, die Universitätsprofessorin war:

      Kind: »Sterben Tiere auch?«

      Mutter: »Ja, Tiere sterben auch. Alles was lebt, stirbt einmal.«

      Kind: »Ich will nicht sterben. Ich würde gerne länger leben als irgendjemand auf der Welt.«

      Mutter: »Du brauchst nie zu sterben; du kannst ewig leben.«17

      Im Allgemeinen versuchen die Eltern, die Ängste eines Kindes zu besänftigen, indem sie eine Form der Verleugnung anbieten, entweder ein eigentümliches Verleugnungssystem oder einen sozial sanktionierten Unsterblichkeitsmythos.

      Was der Forscher oft entdeckt, ist also nicht die natürliche Neigung eines Kindes, sondern eine komplexe Mischung aus dem Wissen des Kindes, Angst und Verleugnung, vermischt mit der Angst und den verleugnenden Abwehrmechanismen des Erwachsenen. Was man einem Kind erzählen sollte und was nicht, ist eine Frage, die ich später besprechen werde, aber wir müssen verstehen, warum wir unterschiedliche Formen der Wissensvermittlung bezüglich des Todes wählen. Ist es zum Nutzen des Kindes oder des Erwachsenen? Erma Furman, die junge Kinder, die einen Elternteil verloren hatten, genau untersuchte, schlussfolgerte, dass »konkrete Information über den Tod zu bestimmten Zeiten hilfreich für sie war, und dass die Aufgabe des Kindes schwieriger gemacht wurde, wenn die Erwachsenen in seiner Umgebung bewusst oder unbewusst Fehlangaben über die objektiven Tatsachen machten oder diese vertuschten.«18

      Erste Bewusstheit des Todes

      Wann weiß das Kind zum ersten Mal vom Tod? Verschiedene Datenquellen stehen zur Verfügung (von denen alle beeinträchtigt sind durch die Hinder nisse, die ich beschrieben habe): Sorgfältige Längsschnitt-Untersuchungen – durch Eltern oder geschulte Beobachter; psychologische Tests – vor allem Wortdefinitionen (das heißt »Tod«, »Leben«, »lebendig«), Geschichten-Vervollständigungen, TAT (Thematischer Apperzeptions-Test), Analyse von Kinderzeichnungen; systematische Beobachtungen durch das Personal in Krankenhäusern oder Heimen; und Fallberichte von Kindertherapeuten oder Erwachsenentherapeuten, die retrospektive Daten liefern.

      Der Tod und die Entwicklung der Sprache. Die objektiveren Messungen hängen von der jeweiligen Sprachfähigkeit des Kind ab. Anthony versuchte, die Frage »Wann weiß das Kind vom Tod?« zu beantworten indem sie dreiundachtzig Kinder bat, das Wort »tot«, das in einen Test über allgemeine Vokabeln eingefügt war, zu definieren. Die Antworten von 100 Prozent der Kinder, die sieben Jahre und älter waren (und von zwei Dritteln der sechs Jahre alten Kinder), deuteten auf ein Verständnis von der Bedeutung des Wortes hin (obwohl sie oft in ihren Definitionen Phänomene einbezogen, die nicht logisch oder biologisch wesentlich waren). Nur drei der zweiundzwanzig Kinder, die sechs Jahre oder jünger waren, wussten überhaupt nichts von der Bedeutung des Wortes.19

      Ein anderer objektiver Zugang zum Problem ist es, die Entwicklung des Begriffs »lebendig« oder »Leben« bei Kindern zu untersuchen. Bei jungen Kindern scheint es viel Verwirrung über die Eigenschaften von lebenden Wesen zu geben. J. Sully bemerkte 1895, dass junge Kinder alle offensichtlich spontanen Bewegungen als ein Zeichen des Lebens ansehen und daher glauben, dass Objekte wie Feuer oder Rauch lebendig sind.20 Piaget nahm an, dass der Animismus der Kinder (der, wie er glaubte, mit dem Animismus primitiver Menschen verglichen werden kann) in vier Stadien aufgeteilt werden kann. Zuerst werden die unbelebten Objekte im Allgemeinen so betrachtet, als hätten sie Leben und Willen. Zu Beginn des siebten Lebensjahres schreibt das Kind nur den Dingen Leben zu, die sich bewegen. Vom achten bis zum zwölften Jahr schreibt das Kind denjenigen Dingen Leben zu, die sich selbst bewegen; und danach wird die Ansicht des Kindes in zunehmendem Maß die von Erwachsenen.

      Piaget hielt das Thema des Todes für ein Hilfsmittel bei der Entwicklung eines reifen Begriffs der Kausalität. In den frühen Gedanken des Kindes wird Motivation als Quelle betrachtet, und die Erklärung von der Existenz der Dinge und jeder Ursache wird mit einem Motiv in Zusammenhang gebracht. Wenn das Kind sich des Todes bewusst wird, erfährt dieses Gedankensystem eine Umwälzung: Tiere und Menschen sterben, und ihr Tod kann nicht als Ergebnis ihres Motivs erklärt werden. Allmählich fangen die Kinder an zu verstehen, dass der Tod ein Naturgesetz sein muss – ein Gesetz, das einheitlich und unpersönlich ist.21

      Bei dem Versuch zu verstehen, was lebt oder Leben hat und was unbelebt ist, geht das Kind durch eine große Verwirrung. Beispielsweise glaubte mehr als ein Drittel der sieben- bis achtjährigen Kinder in einer Studie, dass eine Uhr oder ein Fluss lebt; drei Viertel hatten das Gefühl, dass der Mond lebt, während zwölf Prozent das Gefühl hatten, dass ein Baum nicht lebt.22 Die Verwirrung des Kindes wird wahrscheinlich erhöht durch die verwirrenden Botschaften aus der Umgebung. Das Kind wird nie klar und genau über diese Dinge durch die Erwachsenen unterrichtet. Es ist verwirrt durch Puppen und mechanisches Spielzeug, welches Leben simuliert. Dichterische Freiheit in der Sprache ist eine weitere Quelle der Verwirrung (»Wolken rasen über den Himmel«, »der Mond schaut zum Fenster herein«, »der Bach tanzt zum Meer«).

      Beobachtung von Kindern. Diese Studien der linguistischen Entwicklung haben viele Entwicklungstheoretiker und Kliniker dazu veranlasst, den Zeitpunkt der Bewusstheit СКАЧАТЬ