Person werden. Dorothea Gnau
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      Wie alle christlichen an der Bibel orientierten Theologinnen und Theologen sprechen auch orthodoxe von Gottebenbildlichkeit, Sünde, Gnade und Erlösung. Auf den ersten Blick scheint es kaum Differenzen zur traditionellen westlichen theologischen Anthropologie zu geben. Zu fragen ist jedoch, ob gleiche Begriffe wirklich gleiches meinen, und ob ihr Stellenwert im Gesamtgefüge tatsächlich der gleiche ist. Die Problematik wird deutlich beim Begriff »Erfahrung«. Er erscheint auf den ersten Blick vertraut, ist bei genauerem Hinsehen aber in der Theologie von Nellas, Yannaras und Zizioulas deutlich anders gefüllt als der neuzeitliche Erfahrungsbegriff des Westens, nämlich als ekklesiale Erfahrung im Unterschied zu einer rein subjektiven. Um der Gefahr solcher Missverständnisse nicht allzu schnell zu erliegen, sollen die drei in den Blick genommenen Entwürfe orthodoxer Anthropologie zunächst einzeln dargestellt werden.25

      Um »über den Zaun springend nachzuverstehen« wird ein vergleichsweise langer »Anlauf« genommen, und (um im Bild zu bleiben) es wird versucht auch den Boden, die Umgebung und Wachstumsbedingungen der theologischen Früchte in Nachbars Garten in Augenschein zu nehmen. Es soll untersucht werden, welchen Sitz die theologische Anthropologie im Kontext der gesamten Theologie des jeweiligen Theologen hat und innerhalb welcher spezifischen Fragestellungen sie sich bewegt. Aus diesem Grund wird nicht nur das zeit- und theologiegeschichtliche Umfeld skizziert, sondern auch Autor und Werk kurz vorgestellt. Für dieses Vorgehen spricht zum einen der relativ geringe Bekanntheitsgrad von Nellas, Yannaras und Zizioulas innerhalb der westlichen Theologie. Der bedeutsamere und entscheidendere Grund liegt jedoch in der oben genannten Fragestellung: Wie kommt der jeweilige Theologe zu eben dieser theologischen Anthropologie? Welches Anliegen spiegelt sich in der Betonung des einen oder anderen Aspekts? Wogegen grenzt er sich ab? Zeigen sich Zusammenhänge zum zeit- und theologiegeschichtlichen oder zum persönlichen Hintergrund? Dass Theologie und Biographie einer jeden Theologin und eines jeden Theologen eng miteinander verknüpft sind, ist eine eher banale Feststellung. Die zu untersuchenden Ansätze können jedoch eine anthropologische Begründung dafür anbieten, warum dies so ist. Die gewählte Vorgehensweise hat ihren Grund somit letztlich im Denken der untersuchten Theologen selbst.

      Aus den genannten Anliegen ergibt sich folgender Aufbau der Arbeit: Im ersten Teil wird das theologische und gesellschaftliche Umfeld beleuchtet, das Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas gemeinsam ist. Anschließend werden die drei Entwürfe theologischer Anthropologie nacheinander, nach Autoren getrennt untersucht. Ausgehend vom Ort der Anthropologie innerhalb des jeweiligen theologischen Ansatzes werden dabei das Menschenbild, seine Grundlagen und die Folgerungen, die sich daraus ergeben, betrachtet. Die Spezifika in inhaltlicher wie in methodischer Hinsicht werden herausgearbeitet.26

      Den letzten Teil bildet eine Zusammenschau der drei Ansätze. Anhand zentraler Begriffe werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst. Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse wird die Frage, ob es sich bei den untersuchten Ansätzen orthodoxer Anthropologie um eine andere theologische Anthropologie als die westliche handelt, erneut gestellt und schließlich exemplarisch ein kurzer Ausblick versucht, in welchen Bereichen die gegenwärtige orthodoxe Anthropologie wichtige Anregungen geben könnte.

       III.Formale Vorbemerkungen

      Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas haben die meisten ihrer Schriften in neugriechischer, zum Teil auch in englischer, französischer oder italienischer Sprache publiziert. Nur sehr wenige sind auf Deutsch erschienen oder ins Deutsche übersetzt. Der Untersuchung zugrunde gelegt wird hier jeweils die ursprüngliche Fassung eines Artikels. Dies ist nicht in jedem Fall die neugriechische. Weiterhin sind viele Bücher und Artikel mehrfach überarbeitet worden und in mehreren Auflagen erschienen. Dann wird die neueste zugängliche herangezogen.

      Ein großes Problem stellt die Terminologie der drei Theologen dar. Zum einen besteht grundsätzlich das Problem der Übersetzung. Viele Begriffe können nicht durch ein einziges deutsches Äquivalent wiedergegeben werden. Wo im griechischen mehrere unterschiedliche Bedeutungen mitschwingen, müssen im Deutschen unterschiedliche Worte gewählt werden. Ein geläufiges Beispiel ist das Wort image, das wie das altgriechische image auch im Neugriechischen noch »Bild« und »Abbildung« im allgemeinen und im profanen Sinn bedeutet, zugleich aber auch »Ikone«.

      Diese Übersetzungsprobleme stellen sich verstärkt bei Christos Yannaras, dem sprachgewaltigsten der drei Theologen. Griechische Theologen sehen ein besonderes Verdienst von Yannaras in seiner sprachschöpferischen Tätigkeit. Die theologische Sprache der Gegenwart hat er maßgeblich geprägt, insbesondere durch seine Übertragung heideggerscher Terminologie ins Griechische. Yannaras arbeitet häufig mit schillernden Begriffen und spielt mit unterschiedlichen Wortbedeutungen. Oft handelt es sich dabei um einen spezifischen terminus technicus seiner Philosophie einerseits und um die Bedeutung im alltäglichen Sprachgebrauch andererseits. In einer Übersetzung lässt sich dies, wenn überhaupt, nur sehr unzureichend wiedergeben. Das Problem verschärft sich noch bei den (beinahe unübersetzbaren) Adjektiven, die Yannaras zu zentralen Substantiven seiner philosophischen Sprache bildet. »image« beispielsweise bedeutet »logisch« oder »vernünftig«, wird aber auch als Adjektiv zu »image« (im Sinne von »logosgemäß«, »logoshaft«) verwendet. »image« ist nicht gleichbedeutend mit dem Wort »erotisch« im deutschen Sprachgebrauch, es ist das Adjektiv zu image (Liebe), meint also etwa »erosgemäß«, zuweilen auch »liebend«. Es bedeutet aber durchaus auch »erotisch«. Beide Übersetzungsmöglichkeiten sind jedoch keine Bedeutungsalternativen, die einander ausschließen. Die verschiedenen Bedeutungen stehen in einem inneren Zusammenhang zueinander und schwingen gleichzeitig mit.27

      Bei den vorhandenen Übersetzungen gibt es, so wünschenswert diese wäre, bisher weder im Englischen noch im Deutschen eine einheitliche Terminologie. Am deutlichsten wird dies am Begriff »image«, dem Adjektiv zu image (Person), das in Übersetzungen oder Sekundärliteratur teils mit »personal«, teils mit »personhaft«, teils mit »persönlich«, oder auch (sachlich schlichtweg falsch) mit »personell« übersetzt wird.

      Ein weiteres Problemfeld liegt in den Formen theologischer Fachbegriffe. In den Schriften von Nellas, Yannaras und Zizioulas finden sich sowohl die neugriechischen Bezeichnungen und grammatischen Formen (z.B. image statt image statt image statt image) als auch die altgriechischen, in der theologischen Tradition gängigen. Die Verwendung der Formen variiert bei Nellas, Yannaras und Zizioulas je nach Zeitpunkt des Erscheinens, Textgattung und angezieltem Leserkreis der Veröffentlichung.28 Bewusst wird in dieser Arbeit darauf verzichtet, die Fachtermini durchgängig dem in der deutschen Theologie gewohnten Sprachgebrauch anzupassen. Denn die Sprache zu verwenden, die ein heutiger Mensch spricht, ist von Nellas, Yannaras und Zizioulas bewusst intendiert. Im Übrigen sind die Begriffe für Theologinnen und Theologen auch in ihrer heutigen Form leicht wiederzuerkennen.

      Da nur ein kleiner Teil der untersuchten СКАЧАТЬ